Schienenverkehr : Bahnausfälle wegen Sturm – höhere Gewalt oder ist die Deutsche Bahn selbst schuld?

Starke Sturmböen, heftiger Regen und sogar Hagel – der Süden und die Mitte Deutschlands wurden am Wochenende von Unwettern heimgesucht. Teilweise beruhigte sich die Wetterlage auch in der Nacht auf heute noch nicht.

Heute, Montag, sind aber auf jeden Fall die Auswirkungen des Sturms noch zu spüren. Und das auch im Bahnverkehr. Wichtige Strecken im Personen- und Güterverkehr wurden gestern regelrecht lahmgelegt. In Hessen etwa schlug ein Blitz in ein Stellwerk der Deutschen Bahn ein. Das bekam die Strecke zwischen Frankfurt und Mannheim zu spüren.

Erst hieß es, die Reparaturarbeiten würden heute Nachmittag abgeschlossen sein. Doch die Schäden stellten sich als größer als anfangs vermutet heraus. „Als neue Prognose zur Wiederaufnahme des Verkehrs haben wir nun den morgigen Dienstag gegen 12:00 Uhr erhalten“, heißt es dann heute Mittag von der Deutschen Bahn. Der Fernverkehr muss entsprechend umgeleitet werden, die Verspätungen betragen bis zu einer Stunde. Am Wochenende mussten sogar bis zu 90 Minuten Zeitverlust in Kauf genommen werden.

Auch erst morgen Abend werden wohl die Aufräumarbeiten auf der Strecke zwischen Aschaffenburg in Bayern und Hanau in Hessen erledigt sein. Hier führte der Sturm zu Oberleitungsschäden und dadurch zu Verspätungen von mehr als einer Stunde.

Erst vor kurzem wurde die Strecke zwischen Heidelberg und Frankfurt wieder freigegeben. Sogar der Flughafen Frankfurt – der größte Frachtflughafen Deutschlands – musste Landeflüge streichen und umleiten. Aus Sicherheitsgründen wurden die Abfertigungen auf dem Vorfeld vorübergehend eingestellt. Mittlerweile scheint der Normalbetrieb wiederhergestellt worden zu sein.

Neben Blitzen und beschädigten Oberleitungen gibt es einen weiteren Faktor, der bei Stürmen schnell einmal den Schienenverkehr lahmlegt, aber auch zu schweren Unfällen führen kann – umstürzende Bäume. Die blockierten während des Sturms in Deutschland nun nicht nur vielerorts Gleise, sondern teilweise auch wichtige Straßenverbindungen.

Eigentlich unternimmt die Deutsche Bahn einiges, um eben das zu verhindern. Dafür gibt es ein eigenes Vegetationsprogramm – Förster, Geologen und Wasseringenieure sollen die „Naturgefahren“ entlang der Bahnstrecken analysieren und unter Kontrolle bringen. Vergangenes Jahr und auch schon 2017 wurden dafür rund 100 Millionen Euro ausgegeben. Für die kommenden fünf Jahre sind 660 Millionen Euro eingeplant.

Konkret sieht das so aus, dass mindestens sechs Meter neben den Gleisen baumfrei gehalten werden. An einigen Stellen stehen natürlich weitaus höhere Bäume, die also immer noch auf die Gleise fallen könnten. Hier muss dann festgestellt werden, ob sie einem Sturm standhalten würden oder nicht – und werden notfalls ebenfalls beseitigt. Das kostet weitere 16 Millionen Euro im Jahr.

„Wir wollen ja nicht alle Bäume fällen, wir wollen den Wald robuster machen und damit sturmsicherer“, sagt Felix Gerhardt, Förster bei der Deutschen Bahn. „Der Job eines Försters ist ja eigentlich, möglichst hohe Bäume für einen maximalen Holzertrag aufzuziehen. Bei der Bahn ist das andersherum. Hier wollen wir eher kleinere, gedrungene Bäume, die Wind und Wetter trotzen.“

Schließlich braucht es noch keinen Orkan, um Bäume oder auch einfach nur große Äste auf die Gleise zu stürzen. Die Zahl der Sturmtage geht eigentlich sogar zurück, dafür treten sie aber immer häufiger in Kombination mit Startregen oder Schnee auf. Bäume mit tieferen Wurzeln und dadurch mehr Bodenhaftung, etwa Eichen, würden sich daher entlang der Strecken besser eignen als Birken oder Pappeln.

Doch all diese „Gefahren“ aus der Welt zu schaffen, braucht Zeit. Und die Umstände machen es nicht leichter. Viele Waldstücke gehören der Deutschen Bahn selbst, doch bei weitem nicht aller Grund entlang der Gleise. Das Verkehrsbündnis Allianz pro Schiene findet, diese Besitzverhältnisse sind nicht ausreichend bekannt. „Wir waren erschrocken, wie wenig die DB Netz überhaupt weiß“, so Dirk Flege, Geschäftsführer der Allianz pro Schiene.

Die DB Netz ist für Betrieb und Instandhaltung der Infrastruktur verantwortlich. Von ihr forderten erst letzten Monat neben der Allianz auch der Umweltdachverband Deutsche Naturschutzring und der Verband deutscher Verkehrsunternehmen in einem gemeinsamen Positionspapier, dass die Vegetation entlang der Strecken in den Griff bekommen werden müsse.

https://youtu.be/4Hw4gCVLNeM

Dabei müsste es gar kein Problem darstellen, wenn die Gründe andere Besitzer hätten die Deutsche Bahn, so das Papier: „Schuld sind nicht zu strenge Naturschutzregeln, wie während der vergangenen Stürme oftmals behauptet worden ist.“ Es bräuchte vielmehr eine Änderung im Eisenbahnrecht, damit Grundeigentümer gefährliche Bäume auf jeden Fall beseitigen müssen. Das sei in der Schweiz bereits der Fall.

Auch wenn die Deutsche Bahn bereits viel Geld in den Bereich steckt, scheint noch zu wenig zu passieren. Laut deutscher Bundesregierung mussten 2016 und 2016 insgesamt 3.629 Mal allein wegen umgestürzter Bäume Strecken gesperrt werden – was eine erhebliche Steigerung zu den Jahren davor darstellt. Und Verspätungen kosten einiges – für den Anfang mal 50 Millionen Euro an Entschädigungen jährlich. Und eine stundenlang unterbrochene Lieferkette im Frachtverkehr? Die DB transportiert etwa 255 Millionen Tonnen Güter pro Jahr. Der Schaden lässt sich wohl kaum mit einer Zahl ausdrücken. Auf jeden Fall ist er nicht gerade die Art Ansporn, die der Schienengüterverkehr derzeit braucht.

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