Digitalisierte Logistik im Gesundheitswesen: Effiziente Prozesse für schnellere Genesung

Matthias Friese Managing Partner XPRESS Ventures
© XPRESS Ventures/Christoph Graefenstein

Das letzte Jahr hat Politik sowie Entscheidern deutlich vor Augen geführt, welchen Stellenwert die Logistik im Allgemeinen – und insbesondere im Gesundheitswesen – hat. Um medizinische Qualität, Patientensicherheit und gute Arbeitsbedingungen für Mitarbeiter:innen gewährleisten zu können, müssen Beschaffungsmanagement und Lieferketten effizient aufeinander abgestimmt sein. Zusätzlich dazu sieht sich der Gesundheitssektor mit den Anforderungen der GDP (Good Distribution Practice) konfrontiert. Darunter versteht man die Summe der Maßnahmen, die durch die Kontrolle der Vertriebskette sicherstellt, dass sowohl Qualität als auch Unversehrtheit von Arzneimitteln aufrechterhalten wird.

Diese Schritte müssen von allen an der Lieferkette Beteiligten eingehalten werden. Das hat die Kluft hinsichtlich Strategie, Digitalisierung und Organisation im Supply Management von Arzneimitteln sowie Medizinprodukten nur allzu deutlich gemacht. Betroffen sind dabei sowohl interne als auch externe Logistikprozesse.

Schutzkleidung, Impfstoff, Tests – Eine Mammutaufgabe für die Logistik

Bereits zu Beginn der Pandemie sahen sich Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen mit großen Herausforderungen konfrontiert. So können schnell unübersichtliche Situationen in Krankenhäusern entstehen. Erhöhtes Patientenaufkommen in Kombination mit der Verteilung von Ressourcen und Schutzausrüstung führen zu einem hohen internen logistischen Aufwand. Wo befindet sich welches Material, und wie viel davon ist noch verfügbar? Sind genug Reserven vorhanden? Eine termingerechte Nachbestellung ist letztendlich essenziell.

Effiziente Abstimmung der Logistikprozesse ist entscheidend

Dazu zählen neben Medikamenten auch Schutzausrüstung wie Atemschutzmasken, Handschuhe oder auch Ganzkörperanzüge. Die Lieferkette beginnt bereits vor der eigentlichen Produktion und endet bei der Auslieferung an den Verbraucher – die effiziente Abstimmung der Logistikprozesse kann über Erfolg und Misserfolg der gesamten Operation entscheiden.

Ein Beispiel: Durch die Schließung von Werken und die heruntergefahrene Produktion in China änderten sich die globalen Warenströme, und die Bereitstellung von Masken wurde weltweit zum Problem. Eine Tatsache, die verdeutlicht, wie abhängig der europäische Markt von Zulieferern aus Übersee ist. Doch auch zeitweise Grenzschließungen spielen hier eine entscheidende Rolle. So waren fertiges Equipment und Einzelteile zur Herstellung teilweise nicht zu beschaffen.

Die Relevanz der Logistik war selten deutlicher

So auch in puncto Impfstoff. Dies umfasst einerseits die Lagerung und den Transport der zum Teil hochsensiblen Präparate, zum anderen die Einrichtung und Ausstattung von Impfzentren. Die Verteilung der Medikamente betrifft eine große Menge von Flügen, Transportern und die Bereitstellung von Trockeneis. Der Corona-Impfstoff von Biontech/Pfizer beispielsweise erfordert eine Kühlung von mindestens minus 70 Grad Celsius. Bis Ende April soll Deutschland fast 20 Millionen Impfdosen erhalten. Funktioniert die Logistik in diesem Bereich nicht, steht der Erfolg der gesamten Kampagne auf dem Spiel. Die Relevanz der Logistik war selten deutlicher.

Und nicht zuletzt die Ankündigungen der deutschen Bundesregierung zur Bereitstellung der Schnelltests. Die Aussage, allen Bürger:innen wöchentlich einen kostenlosen Schnelltest zur Verfügung stellen zu können, mit darauffolgenden Aussagen, dass sich die Lieferungen verzögern würden, setzt sowohl Bund als auch Logistikunternehmen unter Druck. Kann dies aufgrund von nicht-resilienten Lieferketten letztlich nicht eingehalten werden, besteht die Gefahr des Vertrauensverlustes in alle beteiligten Parteien.

LogTechs für Gesundheit

Während Ausrüstung, Impfungen und Schnelltests besonders aktuelle Beispiele sind, besteht im Gesundheitssektor generell großes Potenzial zur Verbesserung von Logistikprozessen durch den Einsatz digitaler Lösungen. Die Pandemie hat die Logistikindustrie gezwungen schnell und flexibel auf eine Situation zu reagieren, die weder zu erwarten war, noch durch Erfahrungen aus der Vergangenheit zu bewerten ist. Was daraus entstand, ist eine Vielzahl neuer Technologien und Ansätze sowie ein Bewusstsein für Ad-hoc-Veränderungen. Besonders LogTechs, also digitale Anwendungen speziell für den Logistikbereich, werden aus diesem Grund immer beliebter.

RFID-Technologie (Radio-Frequency Identification) ist eines der Beispiele, welches sich bereits in vielen Branchen sowie in der Intralogistik durchgesetzt hat, für den Gesundheitssektor allerdings erst kürzlich in den Fokus gerückt ist. Die Technologie, die Teil des Internets der Dinge ist, vernetzt durch Sensoren alle relevanten Ressourcen eines Krankenhauses.

Zu Beginn der Pandemie war die Auslastung der Krankenhäuser ein viel diskutiertes Thema. Die eingehenden Daten von RFID-Sensoren zeigen beispielsweise, wie viele Betten auf einer Etage verfügbar sind und können durch „Trigger-Zonen“ registrieren, sobald ein Bett eine Etage verlassen hat.

Gleiches gilt für Medikamente, Schutzausrüstung oder Geräte zur medizinischen Versorgung. Ist ein Arzneimittel beinahe aufgebraucht, bekommt das zuständige Personal ab einem bestimmten Lagerbestand eine Benachrichtigung, um sich zeitnah um die Wiederbeschaffung zu kümmern. RFID kann also dabei helfen, den Überblick über den aktuellen Status zu behalten. So wird nicht nur das Personal entlastet, sondern auch die Qualität der Pflege verbessert.

Blockchain-Technologie sorgt für Transparenz

Zeitgleich sind die Unabhängigkeit und Transparenz der Lieferketten entscheidend. Ohne lieferbare Produkte haben auch Krankenhäuser schließlich keinen Gebrauch für RFID. Durch digitale Suchplattformen für Händler und Lieferanten können Versorgungsketten diversifiziert und sowohl verschiedene Lieferanten aus unterschiedlichen Ländern als auch zunehmend lokale Zulieferer in das Portfolio aufgenommen und für Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen sichtbar gemacht werden.

Reißen durch Grenzschließungen die Lieferketten ab, sind Einrichtungen weniger abhängig und laufen nicht mehr Gefahr, ihren Lagerbestand nicht füllen zu können. Zur erhöhten Transparenz kann insbesondere die Blockchain-Technologie beitragen: Sendungen und Produkte werden mit Sensoren versehen, die Daten in eine Blockchain übertragen. Diese sind von allen Parteien jederzeit einsehbar und nicht zu verändern. So sind alle Akteure einer Lieferkette über den aktuellen Status und Aufenthaltsort der Sendung informiert, Lieferzeiten können besser antizipiert und Probleme frühzeitig behoben werden.

Mit Software ausgestattete Container

Das gilt auch für den Transport von Impfstoffen und Medikamenten. Ressourcen, die bei einer bestimmten Temperatur transportiert werden müssen, sind besonders anfällig für Fehler. So kam es in Bayern vermehrt zu Kontroversen, was den angemessenen Transport der Impfdosen betraf: Das Kontrollgerät zum Scan der Temperatur zeigte zeitweilig Temperaturen jenseits der Acht-Grad-Grenze an.

Speziell für Medikamente hergestellte Transportboxen sind eine gute Lösung und können die Pharma-Supply-Chain deutlich verbessern. Mit Software ausgestattete Container verfolgen jeden Schritt des Transports und geben einen Überblick über den aktuellen Status der Lieferung. Wird eine bestimmte Temperatur überschritten, kann durch Alarmsignale schnell reagiert und eingegriffen werden. Hier rückt erneut die GDP in den Fokus der Teilnehmer:innen.

Besonders Medikamente und Impfstoffe müssen qualitativ einwandfrei ausgeliefert werden können, um die Sicherheit der Patienten und Patientinnen zu gewährleisten. Das betrifft letztlich alle Parteien der Lieferkette, da am Ende möglicherweise nicht mehr nachzuvollziehen ist, wo genau Mängel entstanden sind. Darauf angepasste Software-Lösungen und der Einsatz von Blockchain-Technologien, sorgen hier für mehr Transparenz und helfen Fehler in Zukunft zu vermeiden.

Fazit

Ein zentraler und lebenswichtiger Sektor wie das Gesundheitswesen muss garantieren können, dass Prozesse sinnvoll organisiert sind und zum Wohle der Patienten und Patientinnen auf die bestmögliche Lösung gesetzt wird.

Hier gilt: Nur unsichtbare Logistik ist gute Logistik. Schließlich müssen sich Fachkräfte auf die Pflege der Patienten und Patientinnen konzentrieren können. Aktuell ist das häufig noch nicht der Fall und führt zu Unsicherheiten und schwerfälligen Abläufen.

Die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass ein Umdenken essenziell ist und hat auch hier den Digitalisierungsschub verstärkt eingeläutet. Um in Zukunft auf Krisensituationen vorbereitet zu sein und auch fortlaufend gute Verfahren zu gewährleisten, sollten sich auch Gesundheitseinrichtungen mehr und mehr mit der Nutzung und Implementierung von LogTechs vertraut machen.