Interview - Gerd Marlovits, Editel : „Führen auch kleinere Unternehmen an EDI heran!“
Wie ist EDI (Electronic Data Interchange) ursprünglich entstanden? Wenn man so will, wurde die Urform von EDI in den Nachkriegsjahren erfunden. Die Luftbrücke von Berlin hat dies in der einen oder anderen Form notwendig gemacht. Der Berliner Flughafen war für die Lagerung solch großer Mengen an Versorgungsgütern nicht ausgelegt, somit mussten diese sehr schnell umgeschlagen werden und man musste die Logistikprozesse so effizient wie möglich gestalten. Waren sind von unterschiedlichsten Nationen gekommen und „Frachtbriefe“ haben in verschiedensten Sprachen sehr unterschiedlich ausgesehen. Da hat ein gewisser Edward Guillbert, der als amerikanischer Offizier für die Logistik zuständig war, versucht, System reinzubringen: Nach dem Beladen des Flugzeugs wurde mittels Telex vom Ausgangsort ein Frachtbrief beziehungsweise Lieferschein nach Berlin übermittelt. Das war höchstwahrscheinlich die Geburtsstunde von EDI in seinen Grundzügen. Dieser Guillbert ist eines Tages wieder einem zivilen Beruf nachgegangen und hat dann bei der Firma DuPont (Anmerkung: US-Chemiekonzern) daran gearbeitet, strukturierte Nachrichten zur Unterstützung des Geschäftslebens mit Lieferanten auszutauschen. Die Notwendigkeit einer weiterführenden Standardisierung wurde rasch erkannt. Das American National Standards Institut, kurz ANSI, hat die ersten Standards für elektronische Dokumente erschaffen. Parallel dazu ist unter der Schirmherrschaft der UNO ebenfalls eine Standardisierung vorangetrieben worden und 1987 wurde unter Mitwirkung der großen Player der globale Standard „UN/ EDIFACT“ (Anmerkung: Abkürzung für United Nations – Electronic Data Interchange For Administration, Commerce and Transport) entwickelt – das beschreibt einen sehr breiten Anwendungsbereich. Aufgrund der Vielfalt der Anwendungen wollte man dieses Standardisierungswerk vereinfachen und sich auf Daten konzentrieren, die für bestimmte Branchen wichtiger sind, ohne auf eine Kompatibilität mit dem Basis-Standard zu verzichten. GS1 hat diese Standardisierung speziell für die Konsumgüterindustrie vorgenommen. Es gibt heute bei EDIFACT rund 200 verschiedene Geschäftsdokumente für jeweils unterschiedliche Prozesse. Man hat erkannt, dass man im Konsumgüterbereich zwischen Handel und Industrie nicht alle benötigt, mit etwa 55 wird täglich gearbeitet. Wie ist in diesem Zusammenhang die Editel entstanden? Und welche sind exakt die Aufgaben der Editel? Das Unternehmen Editel ist aus einer Abteilung der GS1 entstanden. Die EAN Austria (die heutige GS1 Austria) war schon von Anfang an die zentrale Anlaufstelle für Identifikationsstandards, Stichwort „EAN- oder Barcode“. Es war nur ein logischer Schritt, die Standardisierung bzw. Automatisierung auch bei den unternehmensübergreifenden Logistikprozessen voranzutreiben. Mit diesem Wunsch traten sowohl Handel als auch Industrie an EAN heran. Auch um eine neutrale Plattform zu etablieren, über die Logistikdaten elektronisch ausgetauscht werden können. Nicht von ungefähr lautete der Beiname von EAN „Gesellschaft für kooperative Logistik“. Mitte der 80er-Jahre war dies also die Geburtsstunde jener Datenaustauschplattform, die wir heute als GS1-Tochterunternehmen EDITEL betreiben und warten – das war der Anfang von „eXite“. als Berater versteht. Wir führen auch kleinere Unternehmen an EDI heran und zeigen ihnen, was sie zur Teilnahme benötigen. Es geht schlicht darum, herauszufinden, welche die ideale EDI-Lösung für diese Unternehmen sein könnte. Bei der Projektumsetzung benötigt es dann Feinarbeit. Mit großen internationalen Unternehmen beispielweise kann das schon mal länger dauern, KMU hingegen überraschen durchaus oft durch Flexibilität und pragmatischen Ansatz. Dann ist das in ein paar Wochen erledigt.
[Bild:1] Wodurch zeichnet sich Ihre Lösung aus? In einem Satz? Durch Reduktion von Komplexität. Natürlich könnte jedes große Unternehmen das auch für sich selbst regeln. Nur hat bspw. ein typisches Handelshaus Hunderte Lieferanten, wenn nicht Tausende. Und zu diesen eigene, technische Verbindungen aufzubauen, diese zu überwachen und permanent zu warten, wäre ein enormer Aufwand. Die Branche ist sich darüber einig, dass dies nicht unbedingt Kerngeschäft eines Handelsunternehmens darstellt. Demgegenüber steht unser Konzept – unsere zentrale Plattform – sodass mit einer einzigen Verbindung zu „eXite“ heute mit mehr als 15.000 Unternehmen EDI-Daten ausgetauscht werden können. Für Lieferanten und Logistikdienstleister gilt das natürlich genauso. Unsere Aufgabe ist es, die unterschiedlichen Voraussetzungen, Anforderungen und Ausprägungen, die es natürlich gibt, unter einen Hut zu bringen. Welche sind die verbreitetsten Anwendungsfälle? Und wo sehen Sie noch weiteres Potenzial? Klassisch verbreitet ist sozusagen die Abbildung des gesamten Beschaffungsprozesses in elektronischer Form. Wir sprechen hier von Bestellungen, Lieferscheinen und Rechnungen, die millionenfach Monat für Monat elektronisch abgewickelt werden. Wenn man so will, ist das der Basis-Prozess, der natürlich noch weitere Optimierungsschritte zulässt, wie die Warenübernahmebestätigung – in Österreich noch nicht ganz so weit verbreitet – um nur ein Beispiel zu nennen. Damit können Reklamationen auf ein Minimum reduziert werden. Auch die Einbindung von Finanzdienstleistern, Stichwort Massenüberweisungen oder auch Factoring, ist gelebte EDI-Praxis. Ebenso spielt EDI eine wichtige Rolle bei Konzepten, wie „Vendor Managed Inventory“ (VMI), man kann damit Lagerbestandsdaten an den Lieferanten übermitteln und eröffnet ihm damit die Möglichkeit, selbstständig zu disponieren und natürlich zu optimieren. Der nächste Schritt ist CPFR (Collaborative Planning, Forecasting and Replenishment), dabei wird auch die Aktions- und Promotionsplanung des Händlers weitergegeben. Denn, je früher und genauer ein Lieferant all diese Informationen bekommt, desto präziser kann er seine Produktion und Logistik steuern. Langer Rede kurzer Sinn: Es gibt eine Vielzahl von Anwendungsfällen. Welche sich für eine Umsetzung eignen, muss man sich natürlich im Einzelfall anschauen. Die Arbeit geht uns jedenfalls nicht aus, sei es bei der noch stärkeren Einbindung von KMU oder auch bei gänzlich anderen Themen, wie Onlinehandel oder neuen Branchen.
[Bild:2] Über welche Ausbildung verfügen Ihre Mitarbeiter im Idealfall? Und wie werden sie in der Regel ausgebildet? Es gibt in manchen Unternehmen unserer Kunden Supply Chain Manager – EDI ist ein Bestandteil ihres Tätigkeitsfeldes. Aber wenn Sie mich danach fragen, welche Qualifikation Leute haben sollten, die für uns arbeiten, lautet die Antwort: von überall ein bisschen etwas. Diese müssen natürlich einen guten Überblick über alle Unternehmensprozesse, speziell Logistik haben, und ein gewisses IT-Know- how ist natürlich unumgänglich. Man kommt bei Kunden auch sehr schnell in abteilungsübergreifende Diskussionen. Wie läuft die Entscheidungsfindung bei EDI Projekten grundsätzlich ab? Wer entscheidet mit? Bei manchen unserer Kunden ist EDI sozusagen „Konzernstrategie“. Wichtig ist, dass die Entscheidungsträger, idealerweise auf Top- Level, davon überzeugt sind. Die Vorteile liegen an und für sich auf der Hand, sind aber nicht immer so einfach quantifizierbar. Gelegentlich ist es durchaus eine Herausforderung, dass alle beteiligten Personen aus unterschiedlichen Bereichen, wie Logistik, IT, Rechnungswesen, Einkauf etc. an einem Strang ziehen. Etwa nach dem Motto: „Wer die Arbeit hat, hat nicht unbedingt immer den Nutzen.“ Insgesamt brauchen wir uns in Österreich jedoch alles andere als zu verstecken – im Vergleich zum Nachbarn Deutschland sind wir mit der Nutzung von EDI schon sehr weit; aber wie gesagt, es gibt da durchaus noch genug Potenzial. Wie viele Leute arbeiten jetzt konkret für die Editel? Wir sind nicht auf Österreich beschränkt, es gibt Niederlassungen in der Slowakei, Tschechien, Ungarn und der Türkei. Momentan sind das insgesamt etwa 80 Personen und wir verfügen über ein Partnernetzwerk in der gesamten CEE-Region. Das hat sich seit der Jahrtausendwende recht dynamisch entwickelt. Wir bedanken uns für das Interview.