Wie waren denn die Reaktionen der Unternehmen auf diese Ideen?
Pechek: Die Reaktionen fielen sehr unterschiedlich aus. Viele waren begeistert und haben an der Entwicklung mitgearbeitet, manche etwas weniger: „Der Einkauf soll einkaufen und sich nicht um anderes kümmern, dafür haben wir ihn ja“. Diskrepanzen gab es sogar innerhalb von Konzernen. Eine Firma, die ich ein Stück des Weges begleiten durfte, hatte zwei Vorstands- & Geschäftsfeldbereiche für Produktion. Wir führten damals die Trennung zwischen strategischem und operativem Einkauf ein und verlagerten den operativen Bereich in produktionsnahe Bereiche. In dem einen Bereich war man begeistert von der Idee, dass Einkäufer sich um strategische Aufgaben und Schlüssellieferanten kümmern und damit die Zukunft sichern und Ertrag beeinflussen können. Im anderen war man der Meinung, „die sollen gefälligst bestellen, was wir ihnen sagen.“
Sie müssen sich das damalige Umfeld so vorstellen: Ich kannte ein Unternehmen, da lief vor einer Bestellung ein Genehmigungsprozess mit bis zu zwölf Unterschriften. Natürlich war klar, dass man das abstellen musste. Aber auch unter führenden Einkaufs-Chefs gab es unterschiedliche Geschwindigkeiten. Ich erinnere mich an die Reaktion eines Einkaufs-Chefs eines anderen, sehr bedeutenden Unternehmens auf meinen Vorschlag, stärker auf EDV zur Prozessabwicklung und -beschleunigung zu setzen: „EDV im Einkauf? Kommt ja nicht infrage, ist doch viel zu kompliziert. EDV ist gut für Buchhaltung und Lohnverrechnung.“
Hat man Mitarbeiter gefunden, die mit dieser erweiterten Definition von Einkauf arbeiten konnten?
Pechek: Vor den 70er- und 80er-Jahren gab es ja im Grunde keine Ausbildung für Einkäufer. Im Einkauf arbeiteten damals häufig Absolventen einer kaufmännischen Lehr-Ausbildung, manchmal HTL-Absolventen. Wir haben damals die erste Einkäufer-Akademie nach deutschen und schweizerischen Maßstäben gegründet, um den Bedarf an qualifizierten Einkäufern und Einkäuferinnen zu decken. Akademiker, egal ob Techniker oder Betriebswirte, gab es damals im Einkauf nahezu überhaupt nicht, wenn, dann nur in Leitungsfunktionen, und vereinzelt eben HAK- oder HTL-Absolventen. Erst ab den 80er-Jahren sind die ersten Akademiker zu dieser für die Zeit extrem umfassenden und anspruchsvollen Aus- und Weiterbildung dazugestoßen.
Und heute?
Pechek: Ich denke, dass sowohl an den Universitäten als auch den Fachhochschulen einiges, mancherorts auch sehr viel passiert ist – aber natürlich könnte es immer noch mehr sein. Immerhin wird aber das Thema Einkauf heute nicht mehr als Nebenschauplatz der Logistik-Ausbildung gesehen. Dass wir als BMÖ heute der nahezu einzige Verband in Europa sind, der einen eigenen MBA für den Einkauf, den MBA Strategic Purchasing & Supply Chain Management mit der Graduierung durch die Middlesex University London anbietet, erfüllt mich doch auch mit einiger Zufriedenheit auf unsere Aufbauarbeit.
Die Entwicklung hat auch dazu geführt, dass das Standing des Einkaufs in Unternehmen heute ein anderes ist?
Pechek: Ja, wobei die generelle Professionalisierung in allen Disziplinen die sinnlosen Diskussionen, welche Abteilung die wichtigste sei, zum Glück beendet hat. Wenn der Einkauf professionell und ergebnisorientiert arbeitet, dann wird er im Unternehmen, in der Geschäftsleitung und in der Technik und Produktion nicht nur wahrgenommen, sondern als Leistungsträger und Wertschöpfungspartner auf Augenhöhe geschätzt. Motto: „Bevor wir mit dem Projekt anfangen, müssen wir mit unserem Einkauf sprechen.“
Und die aktuelle Entwicklung der Digitalisierung – Stichwort: Einkauf 4.0, Digital Procurement und Agiler Einkauf – trägt dazu ja auch das ihre bei. Der Einkäufer der Zukunft ist mehr noch als bisher Schnittstellenmanager zwischen Kunde, Unternehmen und Lieferant, der Manager der End-to-End Supply Chain, aber auch Digital Procurement Leader.