Sparte Transport und Verkehr, WKW : Geschäftsführer Ernst Pollak im Interview

Große Infrastruktur-Projekt wie Semmering- Koralm- oder Brenner-Basistunnel (im Bild) rechnen sich aus betriebswirtschaftlicher Sicht nicht. Umstritten ist ob die Investitionen aus volkswirtschaftlicher Perspektive langfristig Sinn machen
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dispo: Welchen Stellenwert hat der Bereich „Kombiverkehr" für das österreichische Transportwesen?

Ernst Pollak: Ich denke für Österreich hat der Kombiverkehr einen ganz wesentlichen Stellenwert weil die Schiene insbesondere im Langstreckenverkehr gestärkt wird. Das trägt sicher dazu bei, dass die Schiene in etwa doch ein Drittel des österreichischen Warengüterverkehrs bedient. Das ist im europäischen Schnitt ein sehr guter Wert.

Wie beurteilen Sie die Entwicklung des Schienenmarktes und die ist-Situation in Österreich hinsichtlich Flexibilität und Wettbewerbsgleichheit?

Das Faktum, dass wir ein Spektrum in dieser Anzahl an Schienenbahnunternehmen haben, zeigt, dass erstens einmal der Markt interessant ist und zweitens, dass dieser Markt auch funktioniert.

Welche künftigen Entwicklungen erwarten Sie von europäischer Seite, beispielsweise durch die Schaffung der TEN-Korridore?

Die TEN-Korridore sind eine politische Vorgabe beziehungsweise das politische Ziel, quer durch Europa bevorzugte, leistungsfähige Verkehrsadern zu schaffen. Wie sich das letztlich entwickelt, wird die Frage sein: Vor welchem Zeithorizont werden diese Korridore ausgebaut beziehungsweise realisiert und welche Kosten sind damit für die Transportwirtschaft verbunden? Ernst Pollak, Geschäftsführer der Sparte Transport und Verkehr der Wirtschaftskammer Wien Bild: Pollak Das wird letztlich ausschlaggebend sein, wie sehr diese Korridore, beziehungsweise welche dieser Korridore, dann besonders in Anspruch genommen werden. Man braucht ja nur die österreichischen Tunnelprojekte betrachten – da wäre dann so ziemlich alles denkbar. Dort spielt ja auch die Verkehrspolitik hinein: wie sehr wird man dann weitere dirigistische Eingriffe vornehmen, Stichwort „Fahrverbote", wie zum Beispiel im Inntal. Welche Kosten lasten dann auf der Benutzung dieser Korridore?

Und man darf eines ja vielleicht auch nicht ganz außer Acht lassen, dass Europa doch ein enges Verkehrsnetz hat und sich damit auch die Frage der Ausweichverkehre stellt. Ich muss ja nach Süden nicht unbedingt über den Semmering oder den Wechsel fahren – ich könnte genauso gut auch über Ungarn fahren. Wir haben ja das Faktum, dass wir doch ein grenzenloses Europa haben, obwohl wir immer wieder daran drehen, um vielleicht doch wieder die eine oder andere Barriere zu errichten.

Gerade die großen Tunnelprojekte, wie Semmering, Brenner oder Koralmtunnel sind ja, nicht zuletzt wegen der enormen Kosten, heftig umstritten. Sind diese Projekte wirklich unverzichtbar oder gäbe es nicht sinnvollere Maßnahmen zum Ausbau der europäischen Bahninfrastruktur?

Es gibt auf Seiten der Wirtschaft durchaus Betrachtungen, die davon ausgehen, dass mit diesen Tunneln nicht einmal die Finanzierungskosten zu verdienen sein werden. Damit erübrigt sich wahrscheinlich jede weitere Beurteilung hinsichtlich der betriebswirtschaftlichen Sinnhaftigkeit. Dann gibt es halt Diskussionen und unterschiedlichste Berechnungen, ob das ganze volkswirtschaftlich einen Sinn macht – da gibt es auch solche und solche Gutachten. Welche die richtigen sind, werden einmal unsere Kinder sehen und vor allem zahlen.

Stichwort „Bahnliberalisierung": Wie weit macht eine Zerschlagung der ehemals staatlichen Bahngesellschaften in Infrastrukturbereitsteller und Bahnbetreiber überhaupt Sinn? Das Negativbeispiel aus Großbritannien kommt einem dabei in den Sinn: Mit der Privatisierung wurde die Bahn dort nicht nur teuer und unpünktlich sondern dank mangelhaft gewarteter Schieneninfrastruktur schlicht lebensgefährlich. Inzwischen wurde das privatisierte Schienennetz denn auch wieder verstaatlicht. Was hat man aus diesem Beispiel gelernt und wie lassen sich derartige Fehlentwicklungen vermeiden?

Ich glaube es macht relativ wenig Sinn, über die Zerschlagung bisheriger Monopolisten zu philosophieren. Die Trennung ist gemeinschaftsrechtlich vorgegeben, diese ist zu akzeptieren und letztendlich auch umzusetzen. Die Frage ist, wie man damit umgeht. Und ich glaube, gerade an dem britischen Beispiel, hat nicht nur Österreich sondern ganz Europa gelernt.

Es dürfte schon so sein, dass wir betreffend der Infrastruktur in den Ausschreibungsprozessen und Vergabeprozessen, die Fehler, die in Großbritannien passiert sind, weitgehend vermeiden werden können. Wenn man hingegen als Erster in den Markt hineingeht und als Vorreiter sagt: „jetzt liberalisieren wir", dann ist die Fehlerquelle eine relativ große. Dieses große Los haben die Briten gezogen. Rundherum haben alle zugeschaut und aus den Fehlern gelernt.

War es vielleicht einer der Hauptfehler, die Infrastruktur zu privatisieren? Viele Experten sagen ja, dass man eine Infrastruktur, die nur einmal existiert, nicht sinnvoll an private Marktteilnehmer vergeben kann, weil diese zwangsläufig auch zu einem Monopolisten werden.

Das ist sicher eine Grundsatzfrage, die glaube ich aber in Österreich an sich dahingehend beantwortet ist, dass der Staat oder die öffentlichen Hände für ein Mindestmaß an Infrastruktur verantwortlich sind. Ob es dabei um die Schiene oder die Straße geht, ist relativ egal – gewisse Dinge wird man wahrscheinlich unter ausschließlicher privater Beteiligung nicht ganz fehlerfrei realisieren können, ja.

Im Gerede ist derzeit auch eine Verlängerung der Breitspur bis in den Raum Wien-Niederösterreich. Welche Chancen brächte dies für den Logistikstandort Österreich und gehen Sie von einer baldigen Umsetzung aus?

Wenn ich davon ausgehe, dass wir derzeit in einem Stadium sind, wo man erst Prefeasibility-Studies und Factfinding-Missions macht, dann glaube ich nicht, dass man das kurzfristig realisieren wird. Es gibt in dem Zusammenhang einmal den technischen Aspekt: Man benötigt eine Trasse die man planen muss und man wird diese Trasse genehmigen lassen müssen, inklusive Umweltverträglichkeitsprüfung und Ähnlichem. Damit kommen wir zum kommerziellen Teil: Man wird dieses Projekt in irgendeiner Form finanzieren müssen.

Macht das jetzt jeder in der Sache betroffene Staat selbst oder gibt es ein Konsortium, das sich für die gesamte Strecke zuständig erklärt? Das ist noch offen. Und sind die Staaten beziehungsweise die beteiligten Seiten derzeit überhaupt in der Lage, das nötige Geld aufzubringen? Aus meiner Sicht ist auch dieser Punkt noch nicht beantwortet. Zudem glaube ich, dass man da auch noch einen politischen Aspekt dabei hat – ich glaube nicht, dass das ein Projekt ist, das ausschließlich unter verkehrspolitischen und wirtschaftspolitischen Aspekten betrachtet werden wird. Gerade im jetzigen politischen Umfeld, wird es da sicher noch andere Stimmen und Erwägungen geben.

Im kommerziellen Bereich wird sich dann noch die Frage stellen, wie diese Breitspur zu nützen sein wird. Es wird Märkte geben, wo voraussichtlich kein Übermaß an Konsumgütern fließt. Wenn man das ganze unter Einrechnung von China macht, dann ergeben sich aber vielleicht andere Aspekte, weil die Chinesen im Konsumgüterbereich doch etwas stärker sind als die Russen. Und dann haben wir in der Logistikwirtschaft noch ein Thema, das immer wieder diskutiert wird: nämlich die Frage der Paarigkeit der Verkehre. Das hängt aber dann wieder sehr damit zusammen, aus welchen Destinationen diese Breitspurbahn den Großteil ihres Transportsubstrats bezieht.

Wäre das denn denkbar, eine Landverbindung nach China? Beispielsweise mit Plastikspielzeug in die eine Richtung und Automobile in die andere Richtung, wodurch die Paarigkeit der Verkehre dann auch gewährleistet wäre?

Ja, denkbar ist es. Was für mich unklar ist, ist wie sehr das betriebswirtschaftlich Sinn macht. Wir haben jetzt gerade bei den Fernostverkehren einen sehr starken und funktionierenden Hochseeschifffahrtsmarkt. Die preisliche Seite der Landverbindung wird man hingegen erst abschätzen können, wenn klar ist was eine Verlängerung der Breitspur kostet und in welcher Form das auf die Transportpreise umgelegt wird. Das ist ein hochspannendes und leider auch hochkomplexes Thema. Bei uns wird das immer wieder diskutiert und am Ende jeder Diskussion wird die Liste der offenen Fragen eher länger als kürzer.

Welche Bahn-Infrastrukturmaßnahmen betrachten Sie im Sinne einer Europäischen Verkehrsplanung als vorrangig und sinnvoll?

Ich glaube, was wesentlich ist und woran ja auch gearbeitet wird sind Hochleistungsverbindungen Nord-Süd, weil das von enormer Wichtigkeit für die österreichische Wirtschaft ist, was die Anbindung an die Seehäfen betrifft. Insbesondere die Verbindung nach Hamburg ist für uns sehr wichtig. Zunehmend ist auch zu erkennen, dass sich die Südhäfen Triest, Rijeka, Koper und Venedig verstärkt positionieren.

Vielen Dank für das Interview.