Case Study : Hand in Hand

Case Study Toyota MH Material Handling Hargassner
© Toyota MH

9.000 Heizungsanlagen pro Jahr. Alle von Hand montiert. Nicht gerade das klassische Umfeld für Automatisierung. Und dennoch wollte die Hargassner GmbH im oberösterreichischen Weng genau das: Automatisierung, wo immer sie denkbar ist, um die Produktion mithilfe standardisierter Abläufe so straff wie möglich zu organisieren.

Hargassner gehört zu den Pionieren der heimischen Szene der erneuerbaren Energien. Seit 1984 produziert das Unternehmen Heizanlagen für einen damals revolutionären Brennstoff: Holzpellets. Später kamen Anlagen für Hackgut und Biomasse hinzu. Heute wächst der Markt alleine in Österreich um mehr als zehn Prozent jährlich, weit über 140.000 Anlagen sind installiert. Fast 100.000 Anlagen hat Hargassner über die Jahre produziert, rund drei Viertel gehen in den Export. Die Fertigungstiefe liegt in Weng bei über 80 Prozent.

Starke Individualisierung

Das Unternehmen ist mit dem Markt gewachsen. In den vergangenen fünf Jahren investierte Hargassner massiv in den Ausbau seiner Fertigung und Logistik in Weng. In mehreren Ausbauschritten entstanden dort ein rund 25.000 m² großes Betriebsgebäude und ein Logistikzentrum mit rund 6.000 m² und 3.000 Palettenstellplätzen. Zudem eröffneten die Oberösterreicher 2014 ein Forschungs- und Entwicklungszentrum. „Die Anforderungen an die Heizungsanlagen verändern sich laufend“, erzählt Florian Pommer, Leiter Betriebsorganisation & Prozesssteuerung, „und wir beobachten hier auch eine starke Individualisierung.“ Eine Kernaufgabe des Forschungs- und Entwicklungszentrums ist daher, neue Produkte so zu entwickeln, dass sie sich in die automatisierten Prozesse integrieren lassen.

Effekte gegen den Fachkräftemangel

Den großen Sprung in Richtung Automatisierung machte Hargassner im Jahr 2016. Das Unternehmen beauftragte Toyota Material Handling in Österreich damit, eine Logistikstrategie und eine Logistiklösung für den Standort Weng zu entwickeln, die eine Vollautomatisierung der internen Transportaufgaben entlang der gesamten Supply Chain ermöglicht. Dabei sollte das veraltete Stapler-Leitsystem samt Flotte komplett ersetzt werden. Parallel dazu sollten die dadurch frei gewordenen Stapler-Arbeitskräfte eine Qualifizierung zu Montage-Fachkräften durchlaufen.

„Gute Staplerfahrer sind schwer zu finden“, sagt Florian Pommer, „aber noch schwieriger ist es jedoch, Fachkräfte zur Fertigung der individualisierten Heizkraftanlagen zu rekrutieren.“ Die Vollautomatisierung der internen Transportaufgaben sollte also nicht zuletzt die Folgen des Fachkräftemangel mildern.

Josef Dax, der bei Toyota MH Österreich den Bereich Automatisierung verantwortet, beschreibt den Beginn der Zusammenarbeit: „Wir haben in mehreren Schritten die tatsächlichen Transportbedarfe und die Standardisierungsmöglichkeiten bei Hargassner ermittelt und dann, zusammen mit Hargassner, eine tragfähige Logistikstrategie entwickelt.“ Das Ergebnis dieser Analyse: Von den insgesamt fünf Gabelstaplerfahrern arbeiten heute vier in der Fertigung und im Versand. Nur noch ein Fahrer erledigt die Transportaufgaben, die sich nicht standardisieren lassen und daher manuell durchgeführt werden müssen.

Intensive Kommunikation

Möglich wurde das durch eine Logistik- und Transportsystemlösung, die komplett auf hostgesteuerte, fahrerlose Transportfahrzeuge setzt. Zum Einsatz kommen nun mehrere FTS-Geräte der BT Staxio-Baureihe von Toyota, die im gesamten, rund 30.000 m² großen Areal unterwegs sind. Über ihre Autopilot-Schnittstelle sind sie komplett in das Host-, PPS- und WMS-System von Hargassner integriert und werden von diesem gesteuert. Das System weiß damit immer genau, welcher Auftrag von welchem Mitarbeiter in welcher Montagelinie gerade bearbeitet wird. Der Mensch muss nur noch in absoluten Notfällen eingreifen.

Außerdem kommuniziert die Logistiklösung mit den jeweiligen Montagearbeitern, etwa dann, wenn sie Nachschub von Teilen für ihre Aufträge benötigen, oder wenn ein Auftrag abgeschlossen wurde. Die Kommunikation erfolgt wireless über sehr robuste Tablet-PCs. Fehlt dem Montagearbeiter beispielsweise ein Teil für den jeweiligen Auftrag, fordert er diesen mittels Fingertipp über das neue System an. Dieses gibt dann dem nächsten freien Toyota Autopilot den Auftrag, die Ware aus dem Lager oder direkt von der Blechbearbeitungs- und Fließfertigungsanlage zu holen und an die Montagelinie zu bringen.

So ein Lieferauftrag ist in nur wenigen Minuten erledigt, und der Mitarbeiter kann faktisch unterbrechungsfrei weiterarbeiten. Ist der Montageauftrag erledigt, holt der Toyota Autopilot die fertige Heizungsanlage ab und transportiert sie zur Verpackungsanlage, wo sie vollautomatisch verpackt wird.

Produktion und Lager

Aber nicht nur in der Fertigung sind die Toyota-Geräte im Einsatz. Sie nehmen auch vollautomatisch die von Lieferanten angelieferten Halbfertigteile entgegen und lagern sie ein. Dabei wird im Lager streng nach dem FiFo-Prinzip gearbeitet. Gelieferte Heizkessel unterschiedlicher Größe haben zudem vordefinierte Lagerplätze. Diese sind mittels 2D-Code gekennzeichnet, die der Stapler scannt, sodass er millimetergenau weiß, wo er den jeweiligen Kessel abzusetzen und dann wieder für den Montageauftrag abzuholen hat. Auch die Blechplatten für die Blechbearbeitungs- und Fließfertigungsanlage haben entsprechende Lagerplätze. Diese wird jedoch von einem RBG bestückt, das die Ware an festgelegten Lagerplätzen von den Toyota Autopiloten übernimmt.

Hoch flexibel

Ein wesentliches Kriterium für Hargassner war die Flexibilität des Systems. Florian Pommer: „Die Anforderungen der Märkte ändern sich nahezu halbjährlich. Außerdem werden die Produkte immer individualisierter, sodass sich dadurch der gesamte Workflow und somit dessen Layout für die FTS permanent verändert.“ Österreich ist das erste europäische Kompetenzzentrum für Automatisierungslösungen von Toyota MH in Europa. Das ermöglicht rasches Reagieren auf Kundenwünsche: Werden eine Veränderung des Flotten-Layouts und eine entsprechende Anpassung des Systems benötigt, dann kann dieses schnell adaptiert werden.

Bei Hargassner denkt man inzwischen bereits über einen weiteren Ausbau der Automatisierungslösung nach. Interessant wäre etwa ein System, das mit Hilfe von Schwarmtechnologie völlig autonom im Unternehmen agiert. Das, sagt Florian Pommer, sei derzeit aber – noch – Zukunftsmusik.

Auftraggeber

Die Hargassner GmbH (Weng im Innkreis) produziert mit mehr als 250 Mitarbeitern Pellets-, Hackgut- und Stückholheizungen sowie Kombi-Kessel und Kraft-Wärme-Kopplungen. Unter zahlreichen weiteren Auszeichnungen erhielt das Unternehmen das Österreichische Umweltzeichen, zwei Mal den Pegasus und vier Mal den Innovationspreis „Energie-Genie“.

Auftragnehmer

Toyota Material Handling (Wiener Neudorf) bietet die komplette Palette an Hubwagen, Staplern und Schleppern. Hinzu kommen Regalsysteme, Automatisierungslösungen, Flottenmanagement-Systeme sowie ein breites Angebot an Miet- und Gebrauchtstaplern. Toyota MH verfügt auch über eine eigene Lithium-Ionen-Antriebslösung.