Lebensmittel : Hickhack zwischen Greenpeace und Spar

cheese production making Selective focus factory worker dairy curd food fresh producing work industry industrial milk manufacturing maker mozzarella white business traditional gourmet stainless vat cheesemaking creamery freshness cuisine italian man hand agriculture cheese production making selective focus factory worker dairy curd food fresh producing work industry industrial milk manufacturing maker mozzarella white business traditional gourmet stainless vat cheesemaking creamery freshness cuisine italian man hand agriculture
© peuceta - stock.adobe.com

Mit einem schwerwiegenden Vorwurf wandte sich Greenpeace gestern per Aussendung an die Öffentlichkeit: Unternehmen würden das Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) bei ihren Molkereiprodukten offensichtlich willkürlich angeben. So könne beispielsweise das MHD von Butter um bis zu 45 Tage variieren. "Einige Hersteller geben auch zu, dass bei bestimmten Produkten das MHD auf Wunsch des Handels gekürzt und bei Exportprodukten verlängert wird", schreibt Greenpeace. Das ist starker Tobak.

Befragung

Basis der Vorwürfe ist eine Befragung der zehn größten Molkereien Österreichs. Gefragt wurde, nach welchen Kriterien diese das MHD angeben. (Befragungsergebnisse im PDF-Format)

„Bei den Antworten kann man sich nur wundern. Neben der Butter sind auch die Spannen beim MHD für das Naturjoghurt und für frischen Schlagobers nicht nachvollziehbar“, sagt Nunu Kaller, KonsumentInnensprecherin von Greenpeace in Österreich. Bei Joghurt liege das MHD zwischen 30 bis 45 Tagen nach der Produktion, bei Schlagobers zwischen zehn und 14 Tagen. „An unterschiedlichen hygienischen Standards in den Molkereien kann es jedenfalls nicht liegen. Denn aus dem Werk mit der am längsten haltbaren Butter kommt das am kürzesten haltbare Joghurt.“

Als Gründe für die unterschiedliche Festlegung identer Produkte hätten die gefragten Molkereien häufig Wünsche des Handels bei dessen Eigenmarken genannt. „Damit haben wir es jetzt Schwarz auf Weiß, dass der Handel bestimmte Milchprodukte mit einem unnötig kurzen MHD versehen lässt“, so Kaller.

Einheitliche Regelung gefordert

Konkret genannt wird das Handelsunternehmen Spar. Dessen Bio-Butter weise bei der 250-Gramm-Packung eine Frist von 55 Tagen auf, bei der 125-Gramm-Packung hingegen 60 Tage. Auch würden MHD-Fristen bei Exportprodukten verlängert.

„Skurril ist auch, dass bei Milchprodukten, die vor den Feiertagen abgefüllt werden, das MHD später angesetzt wird, als bei jenen zu feiertagsfreien Phasen“, nennt Kaller einen weiteren Kritikpunkt.

Greenpeace fordert deshalb realistische und einheitliche Regeln für das MHD. Bekannt ist, dass Milchprodukte oft noch lange nach Ablauf des MHD genießbar sind. Diese aufgrund des MHD frühzeitig aus den Regalen zu nehmen, sei eine Verschwendung.

Was ist dran am Vorwurf?

Spar reagierte umgehend - ebenfalls per Aussendung. Alles falsch, so der Tenor der Replik des Handelsunternehmens. Erstens seien Mindesthaltbarkeitsdaten Qualitätsgarantien der Hersteller und würden nicht vom Handel verlangt. Zweitens seien Mindesthaltbarkeitsdaten bei vergleichbaren Produkten immer ähnlich lang – und zwar unabhängig von Feiertagen oder Packungsgrößen. Möglich sei aber natürlich, dass in einem Markt gleichzeitig mehrere Chargen eines Produktes verkauft werden. Das würde die unterschiedlichen MHD erklären.

"Auch die Behauptung, die Mindesthaltbarkeitsdaten würden bei Feiertagen angepasst, ist einfach unrichtig", so Spar apodiktisch.

Es wird kurios: Zurückweisung der Zurückweisung

Nun reagiert wiederum Greenpeace und weist die Zurückweisung seitens Spar zurück. Alle Vorwürfe seien entweder in Märkten recherchiert worden oder basieren auf Aussagen der befragten Molkereien.

„Ich verlange von Spar eine Entschuldigung. Es ist inakzeptabel, einer wissenschaftsbasierten Organisation Populismus vorzuwerfen“, sagt Alexander Egit, Geschäftsführer von Greenpeace Österreich und bietet dem Konzern an, "im direkten Gespräch für Klärung zu sorgen."

Wirtschaftskammer schaltet sich ein

Um die Sache noch unübersichtlicher zu machen, hat sich inzwischen auch die Wirtschaftskamnmer (WKÖ) helfend in das mediale Scharmützel gestürzt. Willibald Mandl, Bundesinnungsmeister der Lebensmittelgewerbe in der WKÖ:

„Jeder Lebensmittelproduzent bestimmt dieses Datum [MHD; Anm.] aufgrund von betriebsinternen Lagerungsversuchen selbst. Diese Versuche werden für jedes Lebensmittel individuell durchgeführt, regelmäßig wiederholt und gegebenenfalls angepasst. Dadurch ergeben sich unterschiedlichste Mindesthaltbarkeitsdaten - nicht nur bei verschiedenen Produktgruppen wie Milch, Schlagobers, Joghurt, Butter etc., sondern auch bei auf den ersten Blick gleichen Produkten. Zurückzuführen ist dies auf die verwendeten Rohstoffe, den Herstellungsprozess, die Lagerbedingungen und andere Faktoren. Daraus nun eine willkürliche Vorgehensweise abzuleiten, ist absolut fehl am Platz.“

Keinesfalls sei das Mindesthaltbarkeitsdatum als Wegwerfdatum oder Ablaufdatum zu verstehen, betont Mandl. Es liege an den Konsumenten, durch eine "einfache sensorische Prüfung" - Schauen, Riechen, Schmecken - festzustellen, ob die gewünschten Eigenschaften des Produkts noch vorhanden sind.

Fazit

Sommerloch-Debatte oder ernsthaftes Problem mit Lösungsbedarf? Bei Spar war Freitag Nachmittag niemand für eine Stellungnahme zu erreichen. Nunu Kaller von Greenpeace bestätigte DISPO aber, dass es Gespräche zwischen den beiden Parteien geben wird. DISPO vermutet: Eine Entschuldigung wohl eher nicht.