Die Hüter des Datengrals : Interview mit Gregor Herzog, Geschäftsführer von GS1 Austria

"Mit Standards von uns ist man aber auf der sicheren Seite das ist sozusagen 'Allgemeingut“'"
© GS1 Austria/Katharina Schiffl

Was zeichnet Ihrer Meinung nach eine gut funktionierende firmenübergreifende Logistik aus? Gregor Herzog: Logistik ist ein „Gemeinschaftswerk“. Dieses funktioniert nur dann, wenn sich die Partner untereinander verstehen, also die gleiche Sprache sprechen. Und dieselbe Sprache sind für mich Standards. Diese dienen dazu, um Partner mit optimalen Abläufen zu verknüpfen. Die „global language of business“ ist das, was GS1 anbietet, im Wesentlichen mit drei Elementen, der Standardisierung von Geschäftsprozessen, der Semantik, also Inhalte, und die Art wie diese erfasst werden, das „Capturing“. Welche Motivationen stehen hinter der Nutzung von Standards? Und was bedeutet das für den globalen Markt? Im Lebensmittelbereich geht es immer um rasche und effiziente Prozesse, im Pharmabereich überwiegt das Thema Sicherheit. Und im Textilbereich ist die Diebstahlsprävention ein wichtiger Aspekt. Im Pharmabereich kann man sehr gut die Rückverfolgbarkeit gewährleisten, wenn man ein GS1-System nutzt. Aber um noch einmal auf das Thema Verknüpfen der verschiedenen Partner durch eine gemeinsame Sprache zurückzukommen: Ich erwähne hier die UDI (unique device identification) – wenn sie heute Medizinprodukte in den US-amerikanischen Markt liefern, müssen Sie im Sinne von „Internet of things“ eine Seriennummer für Ihr Produkt vergeben und diese Seriennummer in eine Datenbank einchecken, sodass die amerikanischen Behörden rückverfolgen können, wer das Produkt hergestellt hat und wann, und wie es sozusagen auf den amerikanischen Markt gekommen ist. Dieses System soll auch in Europa kommen, es gibt dazu eine EU-Initiative, die die Rückverfolgbarkeit von Medikamenten gewährleisten soll. Das wird erst frühestens 2020 umgesetzt werden, aber es gibt heute schon eine Aufforderung an die Branche, die Infrastruktur dazu aufzubauen. Die Interessenvertretung der pharmazeutischen Industrie, die Pharmig, arbeitet bereits heftig an solchen Systemen der Rückverfolgbarkeit von Medikamenten. Können Sie kurz die Anfänge beschreiben. Wie haben sich diese Standards entwickelt? Mit dem Beginn der Supermarktära 1977 hat man EAN gegründet, um zwei Probleme zu lösen: Die Bestellung für Händler zu erleichtern und lange Schlangen an den Supermarktkassen zu verhindern. Mit automatisch lesbaren Artikelnummern konnte man das in den Griff kriegen. Im Laufe der Jahre gab es dann immer weitere Anforderungen an die Kennzeichnung. Insgesamt haben wir elf Dokumentationsnummern in unserem Programm, von der Dokumenten-Nummer, Nummern für „Returnable Assets“, also Pfandgebinde und vieles mehr. Die Idee dahinter: Aus einer Basisnummer – dem „Global Company Prefix“ – können sie alle Identifikationsstandards erstellen. Unser Preismodell ist auch so angelegt, dass es animiert, diese voll zu nutzen. "Das größte Standardisierungsunternehmen ist Microsoft."Gregor Herzog, Geschäftsführer GS1 Austria In welchem Bereich bewegen sich die Kosten für eine Teilnahme am GS1-Modell? Das sind eigentlich marginale Beträge. Beispielsweise zahlt ein Winzer nicht mehr als 75 Euro im Jahr für die Teilnahme am GS1- System. Damit kann dieser bis zu 1.000 Artikel auszeichnen. Wir haben jedes Jahr Hunderte neue Teilnehmer am GS1-System. Und wir hören eigentlich nie, dass es am Geld scheitert, denn selbst die Lebensmittelriesen bewegen sich im Bereich von ein paar Tausend Euro. Wir machen es mit der Menge. Viele Mitglieder zahlen wenig. Und ein Standard lebt ja auch von der Breite und nicht davon, dass man die Leute ausschließt. Und wodurch finanziert sich die GS1 sonst noch? Durch Dienstleistungen, die wir verkaufen. Unser Bereich EDI ist etwa ein sehr beratungsintensives Geschäft, wir bringen die Kunden mit Beratung und Schnittstellen dazu, dass sie EDI auch möglichst effizient nutzen. Es gibt aber keine finanzielle Verflechtung – gemäß den internationalen GS1-Regeln, weder einen Abfluss noch einen Zufluss zu unserer Eigentümerin, der Wirtschaftskammer. Es gibt aber auch keinerlei staatliche Förderungen. Wir haben natürlich das Privileg, Erträge, die wir erwirtschaften, weiter in die Verbreitung des Systems investieren zu können. Inwieweit beeinflusst das Thema E-Business Ihre Arbeit? Wir haben eine Arbeitsgruppe, die sich mit dem Online-Handel im B2B-Bereich beschäftigt. Es gibt hier viele verschiedene Player. Viele Händler bedienen sich Dritter für das Betreiben ihrer Webshops. Diese kommen dann zu uns, dass wir Standards erarbeiten, damit sie diese Dienstleistungen besser managen können. Bei der Nutzung eines Webshop könnte es sonst passieren, dass man auf dessen System – samt eigener Kennzeichnung – angewiesen ist. Ein Tausch ist dann weniger einfach, weil alle Prozesse und Standards sozusagen proprietär sind. Das bedeutet Risiko für die Auftraggeber. Das zweite Thema, das es zu beherrschen gilt, ist eine kluge Stammdaten-Verwaltung. Wenn sie einen Online-Shop für Lebensmittel betreiben, dann muss man die Information, die im Shop für gewöhnlich auf einem Etikett steht, auch dem Konsumenten im Online-Shop – und ohne Medienbruch – zur Verfügung stellen können. Diese Daten gab es bisher nicht beim Händler. Und jetzt braucht der Händler aber diese Daten und holt sich diese aus einem unabhängigen Datenpool. Wir betreiben diesen Pool, nennt sich „GS1 Sync“, und da finden sie Daten zu Tausenden Produkten. Und die Produktinformation nach den gesetzlichen Vorschriften holt sich dort jeder Händler, auch jene, die nur Online-Handel machen. Mit Standards von uns ist man aber auf der sicheren Seite, das ist sozusagen „Allgemeingut“.

[Bild:1] Was wollen Sie an diese Zielgruppe, die wir mit dispo erreichen, für Botschaften transportieren? Ich glaube, dass die Logistik auch arbeitsteiliger wird, so wie auch die Fertigungstiefe abnimmt. Es gibt die spezialisierten Logistikdienstleister, die sich auch immer mehr differenzieren. Und um diese Logistikpartner als Auftraggeber zu managen, braucht man klare Standards. Diese Übersetzungen, dieses Zusammenführen von Information, die die Ware begleitet, ist heute extrem aufwendig. Frächter erzählen mir, dass sie Daten in ein Portal händisch eingeben müssen, weil es oft keine Schnittstelle gibt. Und jede Schnittstelle muss individuell ausprogrammiert und erstellt werden. Es gibt ja jede Menge Systemanbieter mit eigenen Standards, die davon leben ebenso möglichst viele Anwender zu vernetzen, wie Transporeon oder Timocom. Sie sagen aber: Diese Standardisierungs-Arbeit kann niemand so gut übernehmen wie Sie. Oder? In der Gesamtbetrachtung der Supply Chain nicht! Es gibt natürlich Buchungssoftware für Lieferfenster, da gibt es ein paar Player am Markt. Nur manche Lieferanten arbeiten dann wieder mit mehreren zusammen. Und das ist dann wieder aufwendiger als wenn nur ein Standard für alle gelten würde. Und wenn es keine Industriestandards gibt, dann gibt es oft eine Firma, die dominiert. Beispielsweise bei der Software: Das größte Standardisierungsunternehmen ist Microsoft. Die bestimmen mehr oder weniger, was ein Textverarbeitungsprogramm können muss. Wir haben eine andere Philosophie, wir sind eine neutrale Non-Profit-Organisation und unsere Standards kann jeder anwenden, sofern er will. Das funktioniert im Lebensmittelbereich sehr gut. Und ich glaube auch, dass das die anspruchsvollste Branche in Bezug auf die Logistik ist und auch sehr wettbewerbsintensiv.