Supply Chain : Kennen Sie Ihre Lieferkette in und auswendig?

Bildschirm mit Leogistics-Software
© Leogistics

Die Corona-Pandemie hat die Lieferketten vieler Unternehmen negativ beeinflusst. Nach einer Capgemini-Studie über die Widerstandsfähigkeit von Lieferketten gaben über 80 Prozent der befragten Unternehmen an, davon betroffen gewesen zu sein. Gleichzeitig gibt es immer noch einige Firmen, die kaum Übersicht über ihre Supply Chain haben: So haben 62 Prozent nur einen begrenzten Blick auf ihre Prozesse.

Umso wichtiger ist es, das Thema Supply-Chain-Resilienz zu fokussieren. Denn die vergangenen Monate haben gezeigt, wie unflexibel Lieferketten sein können: Die Corona-Pandemie, der Evergiven-Vorfall im Suezkanal, globale Handelsfragen und die schwankende Verfügbarkeit und Kosten von Rohstoffen haben den Logistik-Markt kräftig durcheinandergebracht. Unternehmen müssen heute sicherstellen, dass ihre Lieferketten flexibel genug sind, um diesen Herausforderungen zu begegnen. Software kann dabei helfen, mehr Transparenz in Lieferketten zu bringen, ganze Supply-Chain-Netze zwischen Partnern zu formen sowie Prozesse zu optimieren und automatisieren.

Seit 2008 begegnet die leogistics GmbH diesen Herausforderungen mit Lösungen aus dem SAP- und Non-SAP-Umfeld. Gründer und CEO André Käber wollte damit ein Angebot schaffen, das den Kollaborationsgedanken, Realtime-Datenverarbeitung und Prozessinnovationen in den Fokus rückt. Seitdem hat sich das Software- und Beratungshaus mit Hauptsitz in Hamburg mit internationalen SAP-Projekten einen Namen gemacht – vor allem im SAP-basierten Yard Management sind leogistics Pioniere.

Logistik-as-a-service

Elf Jahre später hat Käber eine eigens entwickelte Cloud-Plattform auf den Markt gebracht, die bislang vor allem Werks- und Transportlogistik, aber auch Zulaufsteuerung, Zeitfenster- und Behältermanagement und vieles mehr umfasst und gleichzeitig vollständig mit Vorsystem aus der SAP-Welt integrierbar ist. Ziel war es, die Vorteile der alten SAP- und der neuen Cloud-Welt zu kombinieren. Dabei hat die myleo / dsc von Anfang an ausschließlich auf interne Ressourcen und Finanzierungsformen zugegriffen. 2019 wurde die Lösung durch ein Corporate Start-up aus der Taufe gehoben. Dadurch konnte leogistics neues Terrain betreten, ohne die Risiken eines echten Start-ups einzugehen.

„Den Ansatz, Logistiklösungen als System-as-a-Service anzubieten, haben wir bereits vor einigen Jahren verfolgt“, sagt Käber. Die Motivation von leogistics, mit myleo / dsc nun einen neuen Geschäftsbereich zu formen, wurde durch verschiedene Entwicklungen beeinflusst: allen voran die Anforderungen der Kunden, die in immer kürzer werdenden Abständen Anpassungen und IT-Innovationen benötigen und auch erwarten, in der Logistik und Supply Chain innovativ zu bleiben. Aufgrund des zunehmenden Kostendrucks sind daher skalierbare Lösungen zwingend erforderlich.

Teilweise entstehen neue Funktionen in Co-Innovationsprojekten mit den Kunden. Erst kürzlich wurde das integrierte Behältermanagement vorgestellt, mit dem sich ganze Leer- und Leihgutkreisläufe lückenlos verfolgen und gemeinsam mit Supply-Chain-Partnern verwalten lassen. Mit dem Asset-Tracking lassen sich Ressourcen auf dem Werksgelände oder im Lager via Bluetooth bis auf den Meter genau live verfolgen. Realisiert wird letzteres durch den finnischen Anbieter Quuppa – denn myleo / dsc ist nicht nur Web-Portal für Supply-Chain-Netzwerke – sie entwickelt sich auch immer mehr zur offenen Plattform für Technologiepartnerschaften.

Durch die Cloud-Plattform kann auch Zusammenarbeit über Unternehmensgrenzen hinweg verbessert werden: Längst wünschen sich Verlader, ihre Transportdienstleister im Bereich Transport-, Yard- und Zeitfenstermanagement in ihre Systeme zu integrieren. Das sorgt für besser geplante Prozesse, höhere Supply Chain Visibility und kürzere Wartezeiten an den Ladestellen – was auf Seiten der Speditionen wiederum zu geringeren Standzeiten und höherer Ressourceneffizienz führt.

Gerade letztere stehen derzeit vor enormen Herausforderungen: Geringe Margen, Dekarbonisierung und gestiegene Ansprüche der Kunden und kostspielige Domino-Effekte auf dem Werksgelände, im Lager, in der Produktion oder in Retail-Filialen, sobald ein Transport unpünktlich ist. Diesen Herausforderungen kann man mit digitalen Lösungen begegnen. So ist es etwa beispielsweise auch auf Wunsch möglich, Auftraggebern oder Stammkunden Zugriff auf alle relevanten Transportinformationen zu geben. Aus der technischen Anbindung von Telematikdaten der LKWs ergibt sich mehr Transparenz, was einem höheren Service-Level der Spedition gleichkommt – und somit auch höherer Kundenzufriedenheit. Darüber hinaus arbeitet die Cloud-Plattform mit intelligenten Algorithmen, die aus Mustern lernen und Prozesse optimieren. Das kann z. B. dabei helfen, teure Leerkilometer zu vermeiden und somit Kosten zu senken.

Use Cases: home24 und Nordzucker

Wie dies in der Realität funktioniert, beweisen bereits mehrere namhafte Unternehmen: Die Nordzucker AG, einer der größten deutschen Zuckerhersteller, hat mithilfe von leogistics ein Szenario realisiert, bei dem die Auslagerung aus einem Hochregallager automatisch beginnt, sobald ein LKW nur noch 30 Minuten vom Werk entfernt ist und somit pünktlich innerhalb seines gebuchten Zeitfensters eintreffen wird.

Der Online-Möbelhändler home24 hat in einem Eilprojekt seine Warenanlieferung optimiert. Anstatt per E-Mail buchen über 300 Lieferanten jetzt auf der myleo / dsc ihre Zeitfenster. Im Fokus stand eine Anlieferplattform mit SAP-Anbindung ohne Medienbrüche. Die neue Lösung sorgt für Transparenz bei der Lieferung und passgenaue Informationen, wie lange Verladeteams an der Rampe für den Wareneingang benötigen. Für die Umsetzung wurden die Supply-Chain-Partner gleich mit ins Boot geholt, denn das erfolgreiche Einbinden der Supplier hatte für home24 hohe Priorität.

Auch ein österreichisches Projekt mit einem „großen Stahlbetrieb“ ist derzeit auf Schiene.

„Unterm Strich wird es darum gehen, eine immer höhere Geschwindigkeit bei immer knapperen Ressourcen zu erzielen“, sagt Käber. Als Zukunftstrends, die diese Entwicklung treiben, sieht er die autonome Beförderung von Waren, vollständige digitalisierte und kontaktlose Yards, Prozessautomatisierung auf Basis von KI.

Warum haben Sie für die neue Lösung ein eigenes Corporate Start-up entwickelt

André Käber Ich war mir sicher, dass der Bereich neuerer Strukturen bedarf, um auch konkurrenzfähig zu sein. Das Thema Agilität im SAP-Bereich ist nicht unbedingt so vergleichbar wie die Agilität, die Sie im Cloud-Bereich benötigen. Wir haben also unser Know-how, unsere Kontakte und das Logistikwissen aus der alten Welt mitgenommen und in eine agile, neue, strukturelle Welt gepackt.

Auch das Qualitätsmanagement ist ein Grund, denn gerade dieses kundenorientiertere Vorgehen, auf Augenhöhe zu begegnen, die Bindung stärker herzustellen, war wichtig. Es hatte also organisatorische, entwicklungstechnische, aber auch strukturelle Gründe, warum wir das als eigene Brand aufgezogen haben. Und man muss einfach dazu sagen, dass es zwar von Vorteil ist, den SAP-Stempel zu haben - aber nicht immer. Wir wollen auch für Kunden mit einem anderen Backend-System interessant sein.

Welche Funktionserweiterungen könnte es zukünftig noch geben?

Käber Wenn man sich die Logistikkette so anschaut, haben wir einen sehr spannenden Weg gewählt. Wir haben uns aus der zentrierten Werkssicht, also aus dem Yard Management, wo wir die größte Expertise und damit auch unseren Fokus hatten, erweitert. Wir wollen eine Supply-Chain-Plattform anbieten, die die Grenzen des Yard Managements verlässt und die Integration aller Netzwerkpartner ermöglicht. Wenn man es zusammenfasst, sind es weitere operative Tools im Bereich der Transportplanung, der Transportsteuerung, die helfen sollen, die gesamte Kette noch besser abbilden zu können. Was uns auch sehr umtreibt, ist das ganze Thema der Inbound-Logistik, um für den Versender und alle Geschäftspartner eine einheitliche Datenbasis zu schaffen.

Wie erfolgreich ist das Start-up bereits?

Käber Wir haben es geschafft, in relativ kurzer Zeit erste große namhafte Dax-Unternehmen aber auch kleine Unternehmen zu gewinnen. Das zeigt, dass wir eine sehr große Bandbreite abdecken können. Die größte Herausforderung, die wir aktuell haben, ist, die Breite der Lösung herunterzubrechen auf einzelne, spezifische Industriesegmente, und dort den Vorteil zu zeigen. Wir haben den klaren Anspruch, End-to-End Logistikprozesse zu schaffen. Wenn Sie nach Umsatzzahlen fragen: Das ist derzeit noch nicht wirklich repräsentativ in der Phase, in der wir uns befinden. Wir sind aber mit myleo in über 25 Projekten aktiv und werden dieses Jahr wieder in einem dreistelligen Prozentbereich wachsen. Wir sind letztes Jahr um 600 Prozent gewachsen.

Gibt es österreichische Referenzkunden?

Käber Aktuell noch nicht. Die 25 Projekte spielen sich in Deutschland und in den USA ab, wir werden aber auch mit einem Kunden über die Grenzen hinweg nach Österreich und Spanien gehen. Spätestens 2022 werden wir auch in Österreich Nutzer haben. Wir kooperieren ja mit einem österreichischen Unternehmen im Bereich Telematik, das ist ein LKW Walter Spinn-off der TU, mit dem wir stark im Telematik-Bereich zusammenarbeiten.