Schienengüterverkehr : Rail Cargo-Vorstandsdirektor Erik Regter im Interview

Mit der Ganzzugsverbindung vom Ruhrgebiet bis in die Türkei ist eine leistungsstarke Transportachse zwischen Nordwesteuropa und Kleinasien auf Schiene
© ÖBB / Peschl

dispo: Welche Rolle spielt das Geschäftsfeld Kombi-Verkehr für die ÖBB Rail Cargo?

Erik Regter: Das ist ein wichtiges Geschäftsfeld für uns und neben unseren konventionellen Verkehren ist es immer ein strategisches Geschäftsfeld gewesen – das wird es auch in Zukunft bleiben. Wir sehen natürlich schon, dass in den letzten Jahren im Kombiverkehr viel passiert ist. Einerseits haben wir natürlich ein starkes strukturelles Wachstum. Andererseits gibt es auch einen starken Wettbewerb. Die Eintrittsbarrieren sind bei diesen Verkehren relativ niedrig. Erik Regter, Vorstandsdirektor der Rail Cargo Austria AG Bild: ÖBB/Sabine Hauswirth Das sind A-B-Verbindungen mit Standardwagen, die man am Markt relativ einfach anmieten kann. Die Kundenstrukturen im kombinierten Verkehr sind auch sehr stark von international agierenden, globalen Spediteuren und Reedereien geprägt. Das zeichnet natürlich dafür verantwortlich, dass die Änderungen in den letzten Jahren im Vergleich mit konventionellen Verkehren noch erheblicher sind: Es gibt neue Anbieter, die am Markt auftreten und damit für die Kunden – das ist natürlich auch was Liberalisierung letztendlich bewirken sollte – ein besseres Angebot bieten.

Wieviel macht der kombinierte Verkehr für die Rail Cargo in etwa aus, vom Volumen her?

Das sind etwa 25 Prozent unseres gesamten Volumens, in Tonnenkilometern gemessen.

Und wie steht es um die Rollende Landstraße?

Rollende Landstraße ist natürlich eine logistische Lösung, die seit Jahren sehr erfolgreich von uns betrieben wird. Wir sehen aber auch, dass größere Spediteure andere Modelle mit kranbaren Aufliegern wählen. Diese Entwicklung gibt es nicht nur in Europa. Auch die großen türkischen Spediteure haben vor einigen Jahren diese Entscheidung getroffen.

Das sind große Spediteure, wie Mars oder ICL – die gehen jetzt komplett über auf kranbare Auflieger. Da sieht man neue Produkte mit Taschenwagen, die in Richtung Türkei entstehen. Aber auch ein Produkt über Triest hat sich in den letzten zwei Jahren weiterentwickelt und große Volumen werden jetzt über Triest abgewickelt.

Und der Containerverkehr? Der ist vermutlich für die Seefracht interessant, im Hinterlandverkehr zu und von Häfen, oder?

Wir haben eine grobe Unterscheidung in maritim und kontinental bei unbegleiteten, kombinierten Verkehren. Für Mitteleuropa – das ist unser Kernmarkt – gibt es heuer auch einen Anstieg im UKV Markt. 2013 gab es im Europäischen Intermodal-Markt ein Wachstum von 3,8% (sendungsbezogenen) bzw. 4,2% (tkm).

Wir machen diese Marktentwicklung mit und haben drei Schwerpunkte: Einerseits die Nordhäfen Hamburg und Bremerhaven. Dann die Südhäfen Triest und Koper. Koper ist für Österreich der größte Hafen, der hat sehr stark zugelegt. Rijeka ist jetzt im Aufkommen. Zudem sind wir gerade dabei, auch die Verbindung in Richtung Rotterdam wiederzubeleben. Wir planen dort eine Frequenzerhöhung der Rundläufe durch eine neue Kooperation.

Und wie sieht es in Richtung Süd-Westen aus, in Richtung Frankreich und Spanien?

Das sind sehr schöne Länder, aber das überlassen wir gerne anderen. Das ist derzeit nicht unser Fokus. Unser Fokus liegt auf der Achse von Nord-West-Europa bis in die Türkei. Dazwischen liegen ja Österreich und Ungarn und da fühlen wir uns zuhause. Im Rahmen der Liberalisierungsauswirkungen ist es natürlich ganz Mitteleuropa geworden, ich würde nicht nur auf Österreich und Ungarn beschränken. Auf dieser Achse der Transportflüsse von Nordwesten in Richtung Südosten und wieder zurück – da liegt unser Schwerpunkt.

Welche Reibungspunkte existieren bei der grenzüberschreitenden Nutzung der Bahninfrastruktur? Wie beurteilen Sie den bürokratischen Aufwand für Eisenbahnverkehrsunternehmen im europäischen Schienengüterverkehr und was könnte man da verbessern?

Ich komme ja aus einem komplett anderen Bereich und bin hier eingestiegen mit einem Außenblick und einer gewissen Sanierungserfahrung, um etwas aus dem Unternehmen zu machen. Und dabei bin ich dann auch gleich einmal konfrontiert worden mit einer eher archaischen Arbeitsweise. Wir sind ja in der EU – also ich als Holländer kann hier leben und arbeiten – aber bei der Eisenbahn ist das noch alles ein bisschen anders, da ist eine Grenze noch eine wirkliche Grenze.

Die Geschichte ist die, dass Lkw‘s einfach durchfahren, bei Zügen ist das wesentlich komplizierter. Das ist es, was diese Liberalisierung uns jetzt auch zeigt. Und das ist auch unsere ganz klare Aufgabe, aber auch unser Verständnis als Vorstand der Rail Cargo Group müssen wir ändern und das tun wir auch.

Bei uns an der Grenze wartet man auf einen Kollegen, der kommt um die Lokomotive zu übernehmen. Das ist natürlich nicht mehr 21. Jahrhundert. Das machen uns die neuen Anbieter vor: die fahren durch und haben andere Übergabepunkte als nur diese Staatsgrenze.

Die Schwierigkeiten sind natürlich historisch erklärbar und darum auch nicht leicht änderbar. Die Gleise sind eingestuft und bewertet, beispielsweise für bestimmte Gewichtsklassen – das ist alles auf nationaler Ebene gemacht worden. Dadurch hat man natürlich große Unterschiede und deshalb ist es auch so schwierig, das jetzt zu harmonisieren. Es gab immer einen sehr starken nationalen Fokus und da hätte man natürlich auf internationaler Ebene früher etwas machen können. Um im Bereich Infrastrukturen etwas zu ändern – das ist das Gleiche bei Gleisen und bei Autobahnen – muss man einen Plan haben und viel Geduld. Inzwischen gibt es auf EU-Basis gute Initiativen. Nur die Geschwindigkeit unserer Marktentwicklungen ist so rasant, dass sie diese Geduld schon ein bisschen ausreizt.

Wenn man jetzt weggeht von dieser Europäischen Perspektive mit den TEN-Korridoren, dem Europäischen Netz und dem grenzüberschreitenden Verkehr. Es gibt ja auch, oder es gab einmal, Regional- und Nebenbahnen. Wie sieht denn dort die Zukunft des Güterverkehrs aus? Hat er dort überhaupt eine Zukunft?

Ja, das glaube ich schon. Es geht auch um die Fläche, das ist es was sie meinen. Da ist Österreich mittlerweile ein Sonderfall in Europa geworden, mit Deutschland und der Schweiz. Der Eigentümer hat darauf gesetzt, dass wir hier eine sehr dichte Bedienung in der Fläche machen. Das führte auch zu dieser beeindruckenden Anzahl von Bahnhöfen in Österreich.

Wir haben da in einer Kooperation zwischen unserer Produktion und unserem Vertrieb, aber auch unter Einbindung sowohl des Ministeriums bis hinein in die Täler und Gemeinden, versucht, miteinander das Bestmögliche herauszuholen. Das hat dazu geführt, dass wir bestimmte Bahnhöfe schließen mussten. Da waren auch Bahnhöfe dabei, wo nur ein paar Wagen pro Jahr abgeholt worden sind. Und wir müssen dieses traurige Bild einer teuren Lokomotive mit nur zwei Waggons dahinter vermeiden. So haben wir versucht, intelligente Konzepte auszuarbeiten und dabei wesentliche Fortschritte gemacht.

Das zeigt sich auch, wenn man das statistisch betrachtet. Die Tonnen pro Zugkilometer sind über die letzten Jahre dramatisch angestiegen. Das zeigt, dass die Produktivität dramatisch gestiegen ist. Nur das ermöglicht, auch mit Unterstützung des Ministeriums – seit 2013 wurde im Rahmen eines Beihilfeprogramms Unterstützung für die Fläche angeboten – dass wir das beibehalten können. Und wir haben am Anfang meiner Arbeiten hier in den Jahren 2011 und 2012 unseren Kunden sehr viel abverlangt, im Sinne von Preiserhöhungen und Frequenzänderungen, um diese Flächenbedienung nachhaltig gestalten zu können.

Die Kunden waren überfahren, das ist zu schnell gegangen. Die Unplanbarkeit war das schwierige für viele Kunden – in so kurzer Zeit die Preise zu erhöhen und Strecken aufzulassen. Die Veränderungen sind dort und da nicht gut angekommen.

Das war natürlich auch klar. Als ich hier hereingekommen bin, war unsere finanzielle Situation sehr schwierig. Die Schritte, die wir dann beschlossen haben, waren in der Tat einschneidende Änderungen. Viele unserer Kunden, die mir das auch gesagt und geschrieben haben, haben unsere Aufgabe als eine öffentliche Dienstleistung gesehen. Aber ich bin hier Vorstand einer Aktiengesellschaft.

Vom Ansatzpunkt ging es um eine nachhaltige Darstellung dieser Flächenbedienung. Dass das weh tut ist klar. Andererseits haben wir jetzt eine Stabilität erreicht, die es nirgendwo anders gibt. Die Italiener, die Spanier, die Franzosen, die haben das einfach alles eingestellt. Da gibt es kaum noch Bahnhöfe. Österreich muss stolz darauf sein. Es gibt kein Land dieser Größe, das einen so hohen Modal-Split hat – und das kostet auch etwas. Das ist für die Zukunft absolut wichtig. Die Industrien in Österreich sitzen ja nicht gerade am Stephansplatz. Die Holzindustrie war auch nicht immer erfreut, aber auch da haben wir eine gute Lösung gefunden.

Ihr Konzern bedient ja verschiedene Segmente, vom reinen Operator im Ganzzugsbereich, beispielsweise in Kooperation mit Gebrüder Weiss, bis hin zum Full-Service-Dienstleister im Teilladungs- und Paketgeschäft. Worauf wollen Sie sich denn in Zukunft vermehrt konzentrieren?

Mit Gebrüder Weiss haben wir eine sehr gute Kooperation, unter anderem auch den Orange-Combi-Cargo-Zug. Im Sinn einer gemeinsamen Optimierung haben wir mit solchen Produkten

gute Lösungen gefunden. Mit Gebrüder Weiss führen wir auch sehr viele maritime Verkehre durch. Dieser industrielle Erfolg von Vorarlberg wird auch sehr stark von Gebrüder Weiss in die Welt transportiert.

Bei den Paketdiensten hatten wir intern eine breite Diskussion. Der Bereich gehörte bis vor kurzem zur Rail Cargo Group. Und wir haben gemeint, dass diese Tätigkeit eigentlich eine Eigenständigkeit verdient. Also haben wir dieses Geschäft von uns abgespalten, in eine separate GmbH überführt und unter unsere ÖBB Holding gehängt.

Der Bereich ist also nicht mehr bei uns. Es gibt natürlich noch eine Zusammenarbeit und auf bestimmten, längeren Strecken, wird ein Teil der Transporte über die Bahn abgewickelt. Aber die Kurzstrecke wird vorwiegend auf der Straße bewältigt. Wir haben ab 2012 die betriebswirtschaftliche Notwendigkeit gesehen, einen Teil der Verkehre von der Bahn auf die Straße zu verlagern – wir müssen ja Geld verdienen, das ist auch wichtig.

Sie haben jetzt gesagt, sie konzentrieren sich auf die Distanzbahn. Aber wie bringt man den Verkehr wieder von der Straße weg und was ist Ihr Anteil an den Aktivitäten, die Bahn besser einzubinden?

Das ist natürlich in unserem eigenen Interesse. Das ist ja auch unser Geschäft. Als Beispiel nehme ich jetzt einmal Nordwesteuropa-Türkei. Wir haben alle miterleben dürfen, dass wir einmal hinter so einem türkischen Lkw in Deutschland im Stau gestanden sind. Und da haben wir in der Produktentwicklung intern auch gesagt: „Da müssen wir was machen“. Immer natürlich mit einem betriebswirtschaftlichen Fokus.

Südosteuropa war für uns immer von strategischer Relevanz. Aber nur von Wien nach Istanbul zu fahren, ist zu wenig, das kommt ja jetzt alles aus dem Ruhrgebiet. Und darum haben wir Produkte entwickelt. Ich habe damals gesagt, wir müssen auf zehn Rundläufe die Woche kommen, um wirklich auch ein interessantes Angebot auf diesem Markt platzieren zu können, der bisher von Lkw bedient worden ist. Und jetzt sind wir eigentlich gut unterwegs.

Es gibt Kooperationen, die gut funktionieren und wir haben auch Partner in der Türkei gefunden. Zu diesen zehn Rundläufen kommen wir dann Anfang 2015, im ersten oder zweiten Quartal. Und dann haben wir ein einzigartiges Angebot, das es uns ermöglicht, weitere Mengen von der Straße auf die Schiene zu verlagern.

Sind das Ganzzugsverbindungen?

Das sind Ganzzugsverbindungen, in Eigentraktion über Rumänien und Bulgarien. Der traditionelle Weg war immer über Serbien, mit den Staatsbahnen, die dann auch involviert waren. Und da hätte man wieder die Thematik mit den Staatsgrenzen, die Sie schon angesprochen hatten. Es ist zwar noch immer eine beeindruckende Zeit, die man auf dieser Strecke unterwegs ist, aber die früheren sechs bis sieben Tage vom Ruhrgebiet bis an die türkische Grenze konnten wir reduzieren. Und damit haben wir ein Produkt, das sich am Markt verkaufen lässt.

Die Idee ist also, sich auf lange Distanzen mit Ganzzugsverbindungen zu konzentrieren, die man zusammen mit Partnern abwickelt. Also nicht ins Ladungs- oder Teilladungsgeschäft hinein zu gehen, sondern den ganzen Zug anzubieten?

Bei den kombinierten Verkehren, haben wir zwei Varianten. Bei einem Company Train oder Ganzzug wird das Risiko vom Kunden getragen. Der bezahlt uns für die Lokomotive und die Waggons und übernimmt das Risiko. Die andere Variante ist ein offener Zug. In diesem Fall vermarkten wir die Ladungskapazitäten selbst und tragen am Ende des Tages auch das ausschließliche Risiko. In Richtung Türkei verknüpfen wir diese Systeme, um eine höhere Frequenz zu erreichen. Das Resultat ist eine Mischung: ein halber Company Train und den Rest der Ladekapazität vermarkten wir selber.

Noch eine Frage zur Infrastruktur. Diese Nord-Süd-Achse, die Sie schon angesprochen haben, die ist ja unbestritten. Aber muss diese Verbindung unbedingt durch die Alpen gehen oder könnte man diese nicht in Ungarn umfahren. Da wären Sie ja eigentlich auch aktiv, da wäre die ÖBB durchaus prädestiniert dafür.

Das ist natürlich etwas, was uns die Liberalisierung lehrt: Kaufleute versuchen natürlich den bestmöglichen, das heißt auch oft den günstigsten Weg, zu finden. Derzeit ist der Weg über Ungarn in der Tat eine Alternative. Das heißt nicht, dass man nicht versuchen muss, etwas Besseres zu finden. Wenn der Semmering-Tunnel und der Koralm-Tunnel gebaut sind, dann ist das bei weitem der beste und schnellste Weg.

Beim Semmering-Tunnel stimmen viele Experten zu, beim Koralm-Tunnel weniger.

Das ist natürlich auch immer die Frage, welchen Zeithorizont man heranzieht. So einen Tunnel zu graben, das rechnet sich nicht in zehn, zwanzig oder dreißig Jahren. Dass es eine risikovolle Entscheidung gewesen ist, damals – ja, das glaube ich schon. Da wird über das Verhalten unserer Kindeskinder entschieden. Damals, als die Bahn gebaut worden ist, war das auch alles nicht so kurzfristig betriebswirtschaftlich profitabel.

Regionalere und dezentralere Strukturen kommen vor allem rund um den E-Commerce wieder vermehrt zum Tragen. Welche Auswirkungen hat das auf Ihr Geschäft und wie steht es um die letzte Meile?

Da hat es ja in den letzten Jahren große Änderungen gegeben und das ist natürlich größtenteils an der Bahn vorbei gegangen, das muss man schon sagen. Ich glaube, dass in den kommenden Jahren in diesem Bereich etwas passieren wird und dass wir einiges machen müssen. Dazu braucht man sicher einen starken, international vernetzten Partner – es handelt sich hier nicht um ein rein österreichisches Geschäft. Dass wir als Bahn zwischen diesen Hubs der großen Player wie UPS oder DSL noch optimieren können, und dass das auch passieren wird, davon bin ich überzeugt. Andererseits müssen wir diesen Fokus, den wir jetzt geschaffen haben, beibehalten.

Welche Güter eignen sich besonders für den Bahntransport und wo orten Sie verstärkt Potential?

Wir haben natürlich eine gewisse Basis von Produkten. Unser größter Kunde ist die voestalpine, also Kohle, Erze und Abtransport von Stahl. Auch die Holz- und Papierindustrie ist für uns besonders wichtig. Österreich hat eine industrielle Basis, ebenso Ungarn, und da haben wir einen wichtigen Beitrag geleistet in den letzten hundert Jahren.

Wachstum sehen wir im Containerbereich. Wir sehen das auch in dieser längeren Strecke von der Türkei nach NW-Europa. Aber auch in einer langfristigen Perspektive unter Einbeziehung von Russland und China sehen wir ganz klare Wachstumschancen. Und wir sehen in dieser Optimierung in der Fläche Potential. In der Fläche haben wir jetzt eine Basis, die stabil ist.

Wir werden jetzt versuchen, mit einer verstärkten Vorort-Präsenz mehr auf die Schiene zu bringen. Was schwierig ist, denn von einem Lkw wird man als Kunde schon ein bisschen abhängig und süchtig. Der kommt einfach vorbei – bei der Bahn hingegen muss man etwas planen.

Spüren Sie eigentlich schön langsam den Wettbewerb durch private EVUs?

Nicht langsam, den spüren wir jeden Tag.

Auf welchen Strecken besonders?

Wir haben die Brenner-Achse, die Donau-Achse und die Tauern-Achse – das sind die wichtigsten Achsen und da fahren natürlich auch andere – so, wie wir auch in andere Länder fahren. Wettbewerb ist nicht mehr auf nationaler Ebene zu betrachten, sondern auf europäischer Ebene und das ist auch gut so.

Das zeigt auch, dass wir nicht bei all diesen Staatsgrenzen halten, sondern das wird dann durchoptimiert. Und das ist für die Bahn eine Art Paradigmenwechsel, durchzufahren, und dass unsere Lok dann einmal in Bulgarien, Rumänien, Deutschland oder den Niederlanden auftaucht. Das hat uns die Liberalisierung gebracht, dass wir mit einer neuen Sichtweise die Bahn in eine bessere Zukunft führen.

Und wenn man jetzt ihre Wettbewerber betrachtet, sind das wirklich private oder sind das auch Staatsbahnen anderer Länder?

TXL gehört ja der italienischen Eisenbahn im Staatsbesitz. Captrain gehört den Franzosen, also der SNCF. Lokomotion wird zwar immer als unabhängig bezeichnet, wird aber kontrolliert von DB. Wir haben bei uns einen Rail Cargo Carrier, verstecken uns also nicht hinter einem anderen Namen, der uns gute Traktionsleistungen innerhalb der Gruppe bietet, in Südosteuropa, in Italien und in Tschechien.

So hat also die Liberalisierung auch wieder nur dazu geführt, dass die wirklich privaten Unternehmen gegenüber den „gutgenährten Hauskatzen“ im Staatseigentum einen Wettbewerbsnachteil haben? Sind die Markteintrittsbarrieren für private Teilnehmer nicht enorm hoch?

Wenn Sie etwas von dem Geschäft verstehen, lösen Sie eine EVU-Lizenz, mieten ein paar Waggons und dann können Sie auch schon Bahnfahren. Diese Einstiegsbarriere ist sehr, sehr niedrig. Das sieht man auch: Viele treten in diesen Markt ein und fahren dann auch einmal einen Zug. Nach einer gewissen Zeit kommt man drauf, dass das gar nicht so billig ist. Insbesondere im Containerbereich muss man eine gewisse Frequenz anbieten. Ein Zug von Wien nach Hamburg kostet 15.000,- Euro, One-Way. Der Einstieg ist also sehr niedrig. Aber wenn man eine Verbindung dreimal die Woche anbietet – und das muss man anbieten – dann explodieren die Kosten relativ schnell.

Einerseits ist also diese Barriere sehr gering, andererseits ist das System, das man eigentlich aufbauen muss, nicht so leicht zu bewerkstelligen. Kleinere EVUs stehen unter permanentem Druck, denn sobald einmal ein Verkehr oder ein Kunde wegbricht, haben sie Schwierigkeiten. Wir haben hingegen ein System aufgebaut mit dieser starken Basis in der Fläche. Und das System optimieren wir jetzt. Bei der Lokflotte, da versuchen wir die Laufleistung zu erhöhen, bei den Wagen, die Umlaufzeiten zu reduzieren.

Dadurch können wir mehr Produkte mit den gleichen Assets transportieren. Und ganz ehrlich: Wenn man sich unser Ergebnis ansieht, obwohl wir vieles gemacht haben und auch viel umstrukturiert haben: Unter Anbetracht, dass man eigentlich Assets hat, die man über 30-40 Jahre abschreiben muss, ist das natürlich immer noch nicht berauschend. In der Logistik ist einfach relativ wenig zu verdienen und daher braucht man solide und robuste Unternehmen. Und das erklärt wahrscheinlich zum Teil, warum diese „echten Privaten“ letztendlich doch wieder gekauft werden von den staatlichen.

Das Ganze hat ja auch einen Sicherheitsaspekt, wenn man da viele kleine Unternehmen in den Markt lässt, ohne Erfahrung und ohne die entsprechenden Strukturen, dass das auch ein gewisses Gefährdungspotential mit sich bringt. Das hat man bei den Problemen nach der Liberalisierung in England gesehen. In Italien gab es das Zugunglück von Viareggio, das auch zu vielen Diskussionen und rechtlichen Änderungen geführt hat. Hat man das jetzt einigermaßen unter Kontrolle gebracht und sind die rechtlichen Rahmenbedingungen ausreichend, um den sicheren Eisenbahnbetrieb zu gewährleisten

Tatsache ist natürlich, dass unsere Gesellschaft auch über die Bahn mit Milliarden Tonnen an Gütern versorgt wird. Dass da etwas passieren kann, liegt in der Natur der Sache. So wie ich die Eisenbahn kennengelernt habe, steht der Sicherheitsaspekt jedoch immer im Vordergrund. Das ist auch institutionell gesichert. Wir haben eine Betriebsleitung, die weisungsfrei ist und die auch alles verfolgt, was diese Sicherheitsthemen anbelangt. Das funktioniert gut und ich glaube, das ist auch notwendig. Das haben wir auch aus anderen Branchen gelernt: kurzfristiger Erfolg soll ja nicht langfristige Probleme verursachen.

Vielen Dank für das Interview!