KEP : Wie nachhaltig kann ein KEP-Dienst sein?

Christian Schöninger übernimmt die Geschäftsführung der GLS Austria
© GLS Austria/KarinBergmann.at

dispo: Herr Schöninger, Sie haben bei Amtsantritt Nachhaltigkeit als erstes Ihrer Ziele genannt. Warum?

Christian Schöninger: Weil das Thema eines der wichtigsten Probleme adressiert, die wir angehen müssen, damit auch weitere Generationen die Welt vorfinden, in der wir jetzt leben dürfen. Abgesehen davon, wird Nachhaltigkeit von einem Unternehmen wie unserem ja auch eingefordert.

Von Ihren Kunden?

Schöninger: Ja, Konzerne, die einen KEP-Dienstleister buchen, gehen davon aus, dass man hier Maßnahmen setzt.

Und sie wollen auch dafür bezahlen?

Schöninger: Grundsätzlich wird mehr Nachhaltigkeit mehr Geld kosten, so viel ist klar. Unsere Erfahrungen aus Deutschland zeigen uns, dass unsere Versender durchaus bereit sind, mehr zu bezahlen. Ich glaube, dass auch immer mehr Endempfänger dazu bereit sind, Geld auszugeben, damit Zustellung nachhaltig funktioniert. Das ökologische Bewusstsein steigt ja durchaus. Und ich wünsche mir und gehe davon aus, dass auch seitens der Politik einiges in diese Richtung geschehen wird – sei es über Förderungen, sei es über Kampagnen zur Bewusstseinsbildung. Ich räume aber ein: In Österreich werden noch einige Schritte notwendig sein, auch im Vergleich zu Deutschland.

Mit Verlaub: Handelsriesen bieten kostenlose Rücksendung, Konsumenten erwarten – meist völlig sinnlose – Same Day Delivery.

Schöninger: Der Anbieter, den Sie meinen, zieht hier sein Ding durch, ja. Das ist eben eine Marketingstrategie. Dass Retouren selbstverständlich Kosten verursachen, muss ich hier wohl nicht erläutern. Bei den Empfängern entsteht leider oft der falsche Eindruck. Ich bemerke aber, dass Konzerne wie H&M oder Zalando dabei sind, hier etwas zu verändern.

Bei Same Day Delivery ist es ähnlich, natürlich müsste die teurer sein. Dennoch: Ich bin davon überzeugt, dass es gelingen wird, das Image des Pakets zu verändern. Wir müssen den Endkunden deutlicher machen, welche Leistung und welche Kosten hinter der Logistik stehen. Wie gesagt: Österreich ist hier nicht gerade führend. In Dänemark zum Beispiel erfolgt ein sehr großer Teil der Privatzustellungen nicht mehr an die Wohnadresse, sondern in Paketshops. Alternative Zustellformen werden in Österreich von der gesamten Branche immer weiter ausgebaut, aber leider immer noch nicht ausreichend genutzt.

Das belastet natürlich auch die Tourenplanung. Bekanntlich ist der erfolgreiche erste Zustellversuch ein zentrales Thema für uns. Wir denken zum Beispiel darüber nach, 2C und 2B voneinander zu entkoppeln – beispielsweise im Sinne einer Abendzustellung mit einem kleineren, nachhaltigen Fahrzeug, das nur an Privatkunden ausliefert. Und zwar dann, wenn sie wahrscheinlich auch daheim sind.

Eine Studie der WU hat vor eineinhalb Jahren ergeben, dass der Anteil der Zustellfahrzeuge an den städtischen CO2-Emissionen überraschend gering ist. Gibt es hier noch viel Ökologisierungs-Potenzial?

Schöninger: Der Anteil der KEP-Fahrzeuge am Verkehr liegt etwa in Wien bei unter einem Prozent. Aber dahinter steht natürlich eine gewisse Kilometerleistung, und die ist der Ansatzpunkt. Die Sendungsmengen selbst – und das werden Ihnen alle KEP-Dienstleister bestätigen – werden nicht geringer werden, vor allem B2C wird weiterhin massiv wachsen.

Um das in den Griff zu bekommen, müssen wir den kompletten Zustellprozess nachhaltig abbilden können. Und dazu braucht es in erster Linie technische Lösungen. Wir können über Lastenfahrräder sprechen, über kleine E-Fahrzeuge – aber vom Fahrzeug an sich werden wir nicht wegkommen. Mittlerweile bieten vor allem Mercedes oder VW wirklich gute Lösungen auch für Touren von 100 bis 150 Kilometer, und die werden von unserer Branche auch vermehrt in Betracht gezogen.

Auch angesichts kommender Fahrverbote?

Schöninger: Wir sind damit konfrontiert, dass sich Kommunen eigene Konzepte einfallen lassen. Wir gehen davon aus, dass man in gewissen Bereichen mittelfristig mit Dieselfahrzeugen nicht mehr zustellen können wird. In Deutschland oder Italien ist das schon recht häufig so, und es wird sich fraglos in vielen Bereichen ausweiten. Ich sehe das ganz wertfrei – wenn wir Nachhaltigkeit fördern wollen, ist derartiges ja auch in unserem Interesse.

Elektromobilität alleine wird es aber wohl nicht richten?

Schöninger: Das stimmt, und das Thema Wasserstoff für die Langstrecke ist leider noch nicht in Reichweite. Aber was ist denn mit dem Erdgas-Lkw, der massiv Stickoxide reduziert und mit dem man die Rußpartikel komplett wegbekommt? Ich verstehe nicht, warum das in Österreich nicht diskutiert wird. Wir haben weder die nötige Infrastruktur, noch eine Förderung über Maut-Reduktion oder -Befreiung. In den heimischen Mauttabellen kommen Wasserstoff- und E-Trucks tatsächlich schon vor – Erdgas-Lkw hingegen nicht, obwohl es diese Variante schon gäbe. Nebenbei: Es gibt auch bereits extrem gute Dieselmotoren, deren Schadstoffausstoß massiv reduziert ist. Ich hoffe doch, dass auch die zumindest als Übergangsvarianten ihren Platz finden.

Ein Appell an die Politik?

Schöninger: Ich verstehe schon, dass die Pandemie derzeit alles in den Hintergrund rücken lässt. Wenn wir die endlich hinter uns haben, werden wir gemeinsam mit der Politik die richtigen Lösungen finden, davon bin ich überzeugt.

Kommen wir noch einmal zur City-Logistik. Sehen Sie die Chance, die Letzte Meile ganz anders zu denken? Ich habe den Eindruck, dass in diesem Bereich viele Ansätze wieder sanft entschlafen sind.

Schöninger: Nein, hier passiert schon einiges, da laufen viele Projekte. Im Kern geht es doch um zwei Fragen: Wie bekomme ich das Paket, wenn es in der Empfangsstadt ist, ökologisch und ökonomisch optimiert zum Kunden? Und: Wie bekomme ich alle Marktanbieter zusammen? Vor allem am zweiten Punkt scheitern Projekte auch immer wieder. Und zwar nicht wegen irgendwelcher Befindlichkeiten, sondern vor allem an der Frage der Datenmigration. Unsere Kunden verlangen ja einen elektronischen Abliefer-Scan, und die dafür nötigen Daten bei einem Dritt- oder Viertanbieter zu bündeln, kostet sehr viel Geld und ist marktrechtlich zumindest grenzwertig.

Aus den viel zitierten Midi Hubs wird eher nichts?

Schöninger: Ich glaube, dass man einen besseren Effekt erzielt, wenn alle Anbieter auf CO2-neutrale Ausliefervarianten umstellen. Kleine Hubs haben in meinen Augen eher punktuell und für relativ kleine Gebiete Sinn. In einer Großstadt wie Wien solche zentralen Punkte zu schaffen, an die alle Dienstleister anliefern, wird eher schwierig.

White Label bleibt also kein Thema?

Schöninger: White Label verringert weder die Anzahl der Pakete, noch das Gesamtvolumen oder die Zahl der Fahrzeuge. Neben dem Problem der Datenmigration und marktrechtlichen Fragen sollte man auch nicht vergessen, dass jedes weitere Hub selbst neuen CO2-Ausstoß produziert. Auch vor dem Hintergrund der steigenden Zahl an E-Fahrzeugen glaube ich: Die CO2-Bilanz würde unter dem Strich nicht positiver ausfallen.

Was können Sie hinsichtlich Nachhaltigkeit aus den bestehenden Verteilzentren herausholen?

Schöninger: Einiges. Wir sind bereits zu 100 Prozent auf Ökostrom umgestellt – den man in Österreich ja zum Glück direkt aus dem Netz beziehen kann –, und derzeit statten wir unser Depot in Kalsdorf bei Graz mit Solarenergie aus. Dann werden sukzessive Rankweil, Wien-Leobendorf, Wiener Neustadt und Innsbruck folgen. Wenn man Strom selbst produziert, kann man nicht nur Kosten einsparen und Peaks abfangen, es ermöglicht auf lange Sicht auch eine gewisse Fixierung der Stromkosten.