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Rückblick: Österreichisches EinkaufsForum 2024 des BMÖ : Einkäufer-Expertengipfel in Wien: „Wutreden helfen nicht weiter – wo bleiben die Wege nach vorn?“

Mag. Stefan L. Braun eröffnet das Österreichische EinkaufsForum 2024

Mag. Stefan L. Braun eröffnet das Österreichische EinkaufsForum 2024

- © BMÖ

Formuliert hat sie Christian Kern, ehemaliger österreichischer Bundeskanzler und derzeitiger CEO der European Locomotive Leasing Group (ELL; Wien). Das Lesen einer Tageszeitung sollte tunlichst beim Wirtschaftsteil beginnen, gab er den über 70 Managern aus Österreich, Deutschland und der Schweiz mit auf den Weg. Sie waren dem Ruf des BMÖ nach Wien gefolgt, um sich an 3. Oktober 2024 über praxisnahe Lösungsansätze bzw. Strategien auszutauschen.

v.r.: Mag. Christian Kern und Mag. Stefan L. Braun beim Kamingespräch
v.r.: Mag. Christian Kern und Mag. Stefan L. Braun beim Kamingespräch - © BMÖ

Herausforderungen: Multidimensionale Krisen, drohender Wirtschaftsabschwung, Disruption, volatile Lieferketten und Preise, Risikomanagement, Compliance und strenge Auswirkungen neuer EU-Verordnungen – Einkauf, Logistik und Supply Management agieren an zentralen Schnittstellen im Unternehmen. Es gilt zu analysieren, aufzubereiten, zu moderieren, transparent zu kommunizieren und zu steuern. Und wie gehen Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit im Licht von Polykrisen zusammen? Unter diesem Motto stand der BMÖ- Traditionsgipfel, der nach vielen Jahren im Haus der Industrie erstmals in der Event Location ThirtyFive – on top of Vienna stattfand. In den Diskussionsrunden immer wieder als Knackpunkt benannt: Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit kämen nur dann merkbar voran, wenn Manager, Organisationen und Prozesse nicht zunehmend durch überbordende Bürokratie überfordert würden. Christian Kern, der sich ausdrücklich als „ESG-Fan“ bezeichnete, verwies auf die mangelnde Lösungsorientierung in den Reihen der Politik: „Auch Wutreden helfen nicht weiter – wo bleiben die Wege nach oben“?

Paneldiskussion beim Österreichischen EinkaufsForum 2024: Sind Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit im Licht von Polykrisen ein Widerspruch? v.l.: Mag. Ines Sturm, Mag. Dr. Christoph M. Scheider, GerhardSigl, Nadja Jungwirth (voestalpine) und Stefan L. Braun
Paneldiskussion: Sind Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit im Licht von Polykrisen ein Widerspruch? v.l.: Mag. Ines Sturm, Mag. Dr. Christoph M. Scheider, Gerhard Sigl, Nadja Jungwirth (voestalpine) und Stefan L. Braun - © BMÖ

Auch BMÖ-Präsident Stefan L. Braun (Chief Procurement Officer der ÖBB-Holding AG; Wien) spannte den Bogen weit: Wir brauchen verlässliche Rahmenbedingungen, die für alle gelten – und zwar nicht nur für unseren Wirtschaftsraum.“ Dass die ÖBB darauf freilich nicht warten könne, sei klar. Dort wurde bereits 2013 ein Kreislaufkonzept gestartet. Ausgangsfrage: Was passiert mit den jährlich benötigten 30.000 Uniformhemden nach Ende der Nutzung? Mit Unterstützung der EY Denkstatt GmbH (Wien) wurden später die Bereiche getrenntes Sammeln, marktfähiges Faser-zu-Faser-Recycling, sensorgestütztes Sortieren und automatisiertes Aufbereiten entwickelt. Als Schlüsselfaktoren haben die Projektpartner u. a. die Aufnahme von Design-for-Recycling-Kriterien in der Beschaffung und die Kooperationen im Bereich Rücknahme und Verwertung identifiziert – alles in allem keine triviale Angelegenheit angesichts einer kaum ausgeprägten Infrastruktur.

Eine interessante „externe“ Perspektive auf die komplexe globale Gemengelage lieferte Brigadier Stefan Lampl. Der Kommandant der Heereslogistikschule (Österreichisches Bundesheer, Bundesministerium für Landesverteidigung) verwies auf die „herausragende Bedeutung des „existenziellen materiellen Ressourcenflusses“ in seinem Sektor. „Wir befassen uns intensiv auch mit unbekannten Faktoren. Das Militär denkt vom Ende her. Unser Motto lautet ‚From the factory to the foxhole‘“. Die Risikolandschaft des Militärs sei ähnlich gelagert wie die der Wirtschaft – mit blockierten bzw. eingeschränkten Transportwegen, mit ungeplanten Unterbrechungen von Informationstechnologiesystemen, mit weltweiten Engpässen bei Materialien und Komponenten sowie mit Zulieferern, die nicht wie versprochen liefern könnten. Größte Aufmerksamkeit muss laut Lampl den allgegenwärtigen hybriden Gefahren zukommen. Cyber-Sicherheit und Resilienz seien als verbundene hochbrisante Einflussbereiche permanent zu bearbeiten. „Dazu gehören ein umfassendes Verständnis der internen und externen Umfeldbedingungen, die Verpflichtung zur kontinuierlichen Verbesserung, die Verfügbarkeit von Ressourcen und nicht zuletzt ein transparenter und synchronisierter Planungs- und Führungsprozess.“

Mag. Stefan Lampl bei seinem Vortrag
Mag. Stefan Lampl bei seinem Vortrag - © BMÖ

Auf das Thema „Führung“ ging Harald Lechner im Besonderen ein. Als Schiedsrichter des Österreichischen Fußball Verbandes (ÖFB) hat er bereits in rund 60 Ländern gepfiffen. Er weiß sehr genau, welche Folgen Entscheidungen haben können. „Lange Hosen können einiges von kurzen Hosen lernen“, betonte der Referee, dem als Teamkoordinator Einkauf bei der ÖBB BCC GmbH Freiräume für seine Tätigkeit im Fußball eingeräumt werden. Seine Botschaften: „Als Führungskräfte brauchen Sie Mut auch für unpopuläre Entscheidungen. Aussitzen ist keine Option. Dazu gehört auch eine eindeutige, authentische Körpersprache.“

Dr. Christoph M. Schneider (Geschäftsführer des größten österreichischen unabhängigen Wirtschaftsforschungsinstituts Economica; Wien) forderte die beim BMÖ versammelten Führungspersonen (und andere) auf, das Potenzial von KI-Technologien ohne Umschweife anzugehen. „Die Hebung des KI-Potenzials würde die Produktivität im äquivalenten Ausmaß von 2,24 Mrd. Arbeitsstunden erhöhen“, so Schneider, der einen erhellenden Vortrag über die „Wirtschaftsentwicklung heute und morgen“ hielt. Die Standortattraktivität Österreichs benötige angesichts einer nicht immer erklärbaren Wirtschafts- und Fiskalpolitik unbedingt eine „Generalüberholung“.

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ASEA 2024

Am 3. Oktober kürte der BMÖ die Sieger des Austrian Supply Excellence& Digital Procurement Award (ASEA) – und das bereits zum 22. Mal. Dieser honoriert herausragende Lösungen in Einkauf und Supply Chain Management entlang der Lieferkette.

GEWINNER 2024:

AGRANA Beteiligungs-AG und VERBUND Services GmbH (beide Wien)

Mehr dazu lesen Sie hier.

Die Gewinner des Austrian Supply Excellence & Digital Procurement Award 2024 – Agrana Beteiligungs-AG und Verbund Services GmbH / v.l. Prof. Dr. Helmut Zsifkovits (Jury-Vorsitzender), Michael Reeh und Sophie Raoul (Agrana Beteiligungs-AG), Esperanza Pechek-Pokieser, MA (BMÖ), Michael Reyes und Werner Bichler (Verbund), Marcel Kaup (WPS), Mark Dworak (Verbund), Stefan L. Braun (Präsident BMÖ)

Ausgewählte Statements vom Österreichischen EinkaufsForum des BMÖ

Stefan L. Braun, BMÖ-Präsident / Chief Procurement Officer – ÖBB-Holding AG:
„Als kritische Infrastruktur müssen wir unsere Supply Chain genau kennen. In diesem Zusammenhang gilt es auch Make-or-Buy-Entscheidungen neu zu bewerten ...
Kritische Situationen entstehen insbesondere dann, wenn alle Unternehmen ab der Tier-3-Ebene auf denselben Zulieferer angewiesen sind.“

Stephan Izay, Strategischer Konzerneinkauf, Nachhaltigkeitsmanagement – ÖBB-Personenverkehr AG und Robert Kirchner, Manager Circular Economy – Ernst & Young denkstatt GmbH

„Öffentliche Auftraggeber setzen wichtige Impulse und leisten einen wesentlichen Beitrag zur Schaffung von Kreislaufwirtschaftsstrukturen ... Entscheidend ist dabei, größere Volumina an sortierten, hochwertigen Fasern bereitzustellen ... So erhalten die Unternehmen die notwendige Planungs- und Investitionssicherheit, um Kreislaufwirtschaft als tragfähiges Geschäftsmodell zu etablieren.“


Markus Hölzl Partner, Risk Consulting – EY Österreich und Jacob Pötsch Senior Manager, Risk Consulting – EY Österreich

„Stakeholder erwarten zunehmend, dass Unternehmen Verantwortung für ihre erweiterten Lieferketten tragen … Third Party Risk Management erhöht die Agilität durch kürzere Produktions- und Lieferzeiten und ermöglicht Kostensenkungen für Unternehmen … Drittanbieter-Ökosysteme bieten Chancen für verbesserte Customer Experience und sie tragen zu profitablem Wachstum bei … Gleichzeitig entstehen neue Risiken durch diese Ökosysteme … Das Management von Drittparteienrisiken ermöglicht es Führungskräften, Risiken, die mit externen Partnern und Verträgen einhergehen, zu identifizieren, zu bewerten, zu überwachen und zu kontrollieren … Es ist wichtig, einen starken Governance-Rahmen zu implementieren, bevor Fortschritte erzielt werden können. Auf dieser Grundlage wird die Basis für nachhaltiges Wachstum gelegt und das Potenzial für zukünftige Herausforderungen gemindert.“


Nadja Jungwirth, Managing Director, CSO – voestalpine Rail Technology GmbH

Wir müssen angesichts auch kommender Krisen weg von einem eindimensionalen Lieferantenverhältnis und hin zu einen echten Partnerschaften kommen … Ich befürworte den Green Deal, aber Afrika gehört unbedingt dazu.“

Stefan Lampl, Brigadier, Kommandant Heereslogistikschule – Österreichisches Bundesheer, Bundesministerium für Landesverteidigung

„Das Militär richtet sich am Kontrollturm für Risikomanagement aus: durch Festlegung kritischer Güter – Gruppieren in Risikogruppen – Zuteilung von Kontrollteams – Festlegung von Risikoszenarien – Ausarbeitung von Eventualfallplänen – Messung/Überwachung – Etablierung von Sensoren – Etablierung eines gemeinsamen logistischen Lagebildes etc.“


Harald Lechner, Schiedsrichter ÖFB; Teamkoordinator Einkauf – ÖBB-BCC GmbH

„Was während der mindestens 90 Minuten auf dem Platz gilt, gilt auch im Unternehmen: Führung bedeutet, auch unliebsame Entscheidungen und Botschaften im richtigen Moment an die ‚Betroffenen‘ zu überbringen … Und auch aus Fehlentscheidungen gilt es zu lernen.“

Daniel Rass, Head of International Procurement – Porsche Holding Salzburg

„Große Unternehmen tendieren zum Zentralisieren und damit auch zum Bundlen. Das ist aber nicht immer die beste Option, weil so nicht die gesamte Komplexität abgebildet wird.“


Dr. Christoph M. Schneider, Geschäftsführer – Economica GmbH

„Der Grad der Bürokratie geht mit dem Grat schwindender Produktivität einher – in Brüssel weiß man das, aber es passiert nichts … Konflikte belasten. Kosten, Preise und Löhne steigen. Kaufkraft und Wohlstand nehmen ab – keine gute Aussichten also für eine klassische Konjunkturerholung in Österreich … Insolvenzen steigen in Österreich in allen Branchen … Österreich hat eine eklatante Schwäche bei privaten Investitionen … Ein erheblicher Teil der Weltbevölkerung trägt die hohen Kosten zunehmender gewalttätiger Konflikte, während viele weitere indirekt davon betroffen sind … Rohstoffmärkte sind tendenziell unterversorgt, das birgt das anhaltende Risiko von Mangelsituationen.“


Gerhard Sigl, CTI, COO – Commend International GmbH

„Der Logistikprozess eines Unternehmens ist so einzigartig wie ein Fingerabdruck … Wir sagen ‚nein‘ zu Direktbeschaffung in Asien (nur über Distributoren), zur Zwei-Lieferantenstrategie aufgrund hoher Kosten und mangelnder Flexibilität sowie zu unnötigen Risiken für relativ geringe Einsparungen … Komplexität erfordert klare Strukturen und Prozesse … Kultur frisst Strategie: Was in der Kultur nicht verankert ist, kann auch das Management nicht kompensieren.“