Interview : „Den Wert der Logistik sichtbar machen“
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dispo: Herr Umundum, Sie haben in den vergangenen Jahren immer mehr Wege geschaffen, wie die Empfänger an ihre Pakete gelangen können. Sind die alle wirklich notwendig?
Peter Umundum: Ja, diese Vielfalt ist notwendig. Wir haben in Österreich ein spezielles Umfeld: Nach wie vor wollen rund 80 Prozent der Menschen ihre Pakete zuhause erhalten. In Südosteuropa, wo wir ja auch tätig sind, kommt hinzu, dass 70 bis 80 Prozent der Lieferungen per Nachnahme zuhause bezahlt werden. Gleichzeitig aber wünschen die Konsumenten immer mehr Angebote auf der letzten Meile. Wir als Dienstleister wollen und müssen das bedienen und dabei auch die Erstzustellungsquote weiter verbessern. Wir werden also weiterhin an der Convenience arbeiten, diese Stoßrichtung werden wir beibehalten.
Welche Stoßrichtung genau?
Umundum: Ich sehe hier drei Cluster. Wir werden erstens den Bereich 24/7 forcieren – also alles, was mit Versandboxen, Empfangsboxen, Packstationen und ähnlichem zu tun hat. Hier gibt es auch erste Versuche mit Haustürlösungen. Mit dem neuen Abholservice machen wir zum Beispiel jetzt auch das Versenden von Paketen komfortabler. Zweitens werden wir den Mobile-Bereich ausbauen: Einerseits, um noch einfacher Informationen an die Kunden zu bringen, und andererseits, um den Kunden die Möglichkeit zu bieten, ihre Pakete noch individueller und rascher zu steuern. Die Vision ist, dass eines Tages das Paket den Kunden findet und nicht umgekehrt. Drittens kommen innovative Zustellformen für neue Produkte, wie etwa Wein-, Frische-, oder Tiefkühllogistik hinzu. In diesem Bereich sehe ich auch das Thema Same Day, wobei ich dieses für etwas überbewertet halte. Ich denke, exakte Zeitfenster werden wichtiger werden als die Same-Day-Zustellung.
Dass die Konsumenten immer mehr in Ihre Prozesse eingreifen, bringt Sie nicht irgendwann an Ihre Grenzen?
Umundum: Nicht, wenn wir es weiterhin schaffen, im Kernprozess sehr nahe an einem Standard zu bleiben. Die Entwicklung ist ja nicht ganz neu. Schon, als wir Logistiker den Prozess allein bestimmt haben, wurde das logistische Produkt von Daten begleitet. Dann haben die Versender begonnen, in den Logistikprozess einzugreifen, und jetzt auch die Empfänger. Die IT ist hier parallel mitgewachsen. Wir müssen darauf achten, keine zusätzlichen Netzwerke aufbauen zu müssen. Das gelingt uns nicht immer zu hundert Prozent, aber weitgehend. Wir arbeiten vorausschauend, folgen hier aber ebenso den Anforderungen des Marktes. Auch der ständige Wettbewerb treibt neue Features. Wir monitoren sehr genau, wie neue Features von unseren Kunden angenommen werden – und die eine oder andere Idee müssen wir auch verwerfen und gegebenenfalls ein Produkt auch wieder vom Markt nehmen.
Die Kofferraumzustellung zum Beispiel funktioniert einwandfrei und hat auch dezidierte Anwendungsgebiete im B2B-Bereich gefunden. Im Privatkundensegment müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass sich das nicht durchsetzt, weil die erforderlichen Nachrüstungen den Privatkunden zu teuer sind. Insgesamt wird es für Kunden aber immer mehr Möglichkeiten geben, in „Echtzeit“ in den Lauf der Pakete einzugreifen.
Die Vision, dass das Paket eines Tages völlig automatisiert dem Empfänger folgt, halten Sie für erreichbar?
Umundum: Das ist, wie erwähnt, noch eine Vision – aber mittelfristig wird das machbar sein. Unter der Voraussetzung, dass Versender und Empfänger zustimmen, denn datenschutzrechtlich ist hier natürlich noch sehr viel zu klären. Ein Nukleus für diese Entwicklung könnten auch Predictive Analytics sein. Wir arbeiten in unseren internen Prozessen auf Basis unterschiedlichster Daten sehr intensiv mit der Vorhersage des Zustellzeitpunktes eines Pakets – und diese Vorhersagen sind bereits sehr exakt. Die IT hat in meinen Augen für uns längst die gleiche Bedeutung wie die physische Logistik. Zukünftig wird es noch stärker in Richtung Individualisierung und Serviceorientierung gehen. Wir müssen uns in der Logistik immer stärker danach richten, wo sich unsere Kunden gerade aufhalten, und so den optimalen Weg für das Paket finden. Die Entwicklung geht mit mehr Interaktion genau in diese Richtung, und die Möglichkeiten sind vielfältig.
Recht zugeknöpft reagiert die Branche auf das Thema White Label. Könnte sich das ändern, falls etwa gesetzliche Restriktionen im städtischen Bereich auf Sie zukommen?
Umundum: Es kommt darauf an, wie man White Label definiert. Mit Hermes etwa „leben“ wir das bereits. Die Österreichische Post nimmt Hermes voll in ihrem System mit. Hermes ist in Österreich mit der Marke und ihren eigenen Shops präsent, und wir erbringen eine White-Label-Dienstleistung, die uns vorgegeben wird. Mit DHL war das bis vor zwei Jahren sehr ähnlich. Ich kann mir gut vorstellen, dass der eine oder andere Integrator auf die Idee kommt, zukünftig noch intensiver zusammenzuarbeiten. Auch in der City-Logistik wird es möglicherweise Pooling-Konzepte geben, hier würde ich für die Zukunft gar nichts ausschließen. Ich sage aber auch ganz offen: Solche Überlegungen hängen immer von der eigenen Position ab. Wer einen Marktanteil von 58 Prozent bei Belieferungen von Paketsendungen an Privatkunden hat, fühlt sich natürlich prädestiniert, auch für andere etwas zu tun. Vom kartellrechtlichen Standpunkt aus wäre dies selbstverständlich zu prüfen.
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Gerade im Bereich der City-Logistik tauchen immer wieder ziemlich spannende Startups auf. Wie gehen Sie mit denen um?
Umundum: Startups, aber auch Kooperationen und Inkubatoren sind für uns Möglichkeiten der Zusammenarbeit. Das sind Kontakte, die wir definitiv forcieren, vor allem auch über FHs und Universitäten. Die Firma PHS ist so ein Beispiel. Ursprünglich haben sich zwei Dissertanten an der TU Graz im Rahmen eines Forschungsauftrags mit der Entwicklung eines „Entladeteppichs“ beschäftigt, der die Entladung eines Lkw völlig automatisiert. Die Experten gründeten nach ersten erfolgreichen Tests ihre Firma PHS, und wir haben als Österreichische Post Finanzierungs-Commitments gegeben. Noch im ersten Halbjahr werden wir mit weiteren Praxistests starten. In diesem Fall haben wir die Option, unsere Beteiligung durch weitere Finanzierungsschritte zu vertiefen. Ein weiteres Beispiel ist die Zusammenarbeit mit einem Startup, mit dem gemeinsam eine Lösung entwickelt wurde, unsere Lebensmittelbox auch für Tiefkühlprodukte einsetzen zu können. In beiden Fällen wurden auch Patente angemeldet.
Die gesamte Branche beklagt zunehmenden Arbeitskräftemangel. Wie geht es denn der Post damit?
Umundum: Die Branche leidet teilweise an einem Imageproblem und gilt somit bei vielen Kandidaten als weniger attraktiv. Davon sind wir natürlich auch betroffen. Und es wird nicht einfacher werden. Einerseits sinkt durch die gute Konjunktur die Arbeitslosigkeit, und es sind damit weniger Kräfte auf dem Markt. Andererseits erlebt gerade die KEP-Branche ein extremes Wachstum der Mengen, und neue Player verschärfen diesen Zustand natürlich zusätzlich. Ich sehe hier drei Lösungswege: Man muss man dafür sorgen, dass die Menschen fair bezahlt und gut behandelt werden. Sozialdumping ist in meinen Augen eine sehr kurzfristige Strategie.
Zudem wird Employer Branding immer wichtiger. Wir setzen unser Augenmerk darauf, die Attraktivität des Arbeitgebers Österreichische Post entsprechend zu platzieren und auf Zielgruppen aktiv zuzugehen. Dafür muss man natürlich auch gute Argumente in der Hand haben. Und der dritte Weg führt über die Ausbildung. Auf akademischer Ebene sind wir, denke ich, in Österreich sehr gut unterwegs. Wir sollten jedoch verstärkt über neue Lehrberufe nachdenken, und zwar für den gesamten Markt. Auch das würde Menschen motivieren, im Bereich der Logistik zu arbeiten und vielleicht auch bei dem Unternehmen zu bleiben. Bessere Ausbildung ist zudem notwendig, da die Anforderungen in den letzten Jahren definitiv gestiegen sind. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen etwa über sämtliche Berufsgruppen hinweg mit unterschiedlichsten Technologien umgehen können. Und letztlich wertet eine gute Ausbildung die Person selbst und damit verbunden auch das Image ihres Berufs auf.
Apropos Image: Als vor ein paar Monaten das Post-Verteilzentrum in Langenzersdorf am Widerstand einer Bürgerinitiative gescheitert ist, waren vor allem in den User-Foren viele Kommentare zu finden, die das äußerst befriedigend fanden. Leidet die Branche nicht auch an einer gewissen Industriefeindlichkeit in diesem Land?
Umundum: Das war natürlich sehr ärgerlich, aber Ihren Befund teile ich nicht. Ich denke, den meisten Menschen ist durchaus bewusst, dass Industrie und Logistik eminent wichtige Wirtschaftsfaktoren sind. Aber es ist gut, wenn sich die Branche zukünftig in der Öffentlichkeit attraktiver positioniert. Dass es zum Beispiel nun die Dachmarke „Austrian Logistics“ gibt, ist sehr zu begrüßen. Vor allem, da dahinter neben dem Ministerium alle relevanten Branchenverbände stehen. Ich glaube auch, dass man den Menschen ein bisschen Zeit einräumen muss. Viele sind durch den E-Commerce-Boom erstmals unmittelbar mit dem Thema Logistik konfrontiert. Hier gibt es einen Umdenkprozess, den man unterstützen muss.
Wird der Umdenkprozess auch so weit gehen, dass Logistik Kosten verursacht? Die Bereitschaft, dafür zu bezahlen, scheint ja ausbaufähig zu sein.
Umundum: Das ist sie, aber diese Diskussion geht in zwei Richtungen. Auf der einen Seite stehen die Versender, die unsere Leistung bezahlen. Dass der Markt extremes Wachstum erlebt, drückt natürlich tendenziell die Preise. Es liegt auch an uns Logistikern, für die gute Leistung, die wir erbringen, einen fairen Preis zu verlangen. Auf der anderen Seite stehen die Konsumenten, denen signalisiert wird: Logistik kostet nichts, also ist sie nichts wert. Dass die Logistikleistung beim Warenwert einkalkuliert ist, sieht man als Konsument nicht. Daher würde viel dafür sprechen, die Logistikkosten getrennt auszuweisen. Das würde Wert und Preis sichtbar und die Leistung, die dahintersteckt, transparenter machen.
Zur Person
Peter Umundum studierte Informatik in Graz und startete seine Karriere in der Organisations- und Informatikabteilung der Steirerbrau AG. Bei der Styria Medien AG baute er als IT-Leiter das Onlinegeschäft auf und arbeitete als Geschäftsführer der Styria-Tochter Media Consult Austria. 1999 war er Mitbegründer und Geschäftsführer von redmail, danach Geschäftsführer von „Die Presse“ und „Kleine Zeitung“.
2005 wechselte Peter Umundum als Mitglied der Divisionsleitung Brief zur Österreichischen Post. Seit 2011 ist er Vorstandsdirektor für die Division Paket und Logistik. Daneben überwacht er als Aufsichtsratsvorsitzender das europäische Transportnetzwerk Eurodis.