50 Jahre dispo : „Der Herz macht das schon“
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dispo: Herr Herz, es gibt eine schöne Anekdote über Sie. 1955 haben Sie als Werbeleiter von Gloriette den Vatertag in Österreich begründet, um den sommerlichen Konsum zu fördern. Promotet haben sie das aber mit der Ankündigung, man müsse den Vatertag „endlich wieder stärker feiern“.
Helmut Herz: Natürlich! Wenn Sie ankündigen, etwas Neues zu machen, dann werden Sie gefragt: Warum eigentlich? Wenn Sie aber sagen: Ich will das jetzt endlich einmal besser machen, dann hören Sie: Sehr gut, das wird auch Zeit! Denselben Spaß habe ich schon bei der ersten Gloriette-Werbung gemacht. Wir schrieben nicht „Gloriette – jetzt neu“, sondern „Endlich wieder da: das Wiener Hemd!“
Diese Marketing-Getriebenheit war auch der Hintergrund der Gründung von dispo?
Herz: Ja, ich habe damals die Ifabo gegründet. Jetzt hatte ich zwar eine Messe, aber kein Medium, um die Menschen auch anzusprechen. Ich habe ganz einfach ein Medium für die Ifabo gebraucht.
Sie müssen bedenken, von welcher Zeit wir hier sprechen. Die Menschen in der Werbung waren damals ganz anders als heute. Heute gibt es Spezialisten für alles, für Text, für Layout, für Kreation. Und zum Schluss kommt meist trotzdem völliger Schwachsinn heraus. Ich war damals mit vielen Werbeleitern befreundet, und alle waren echte Allrounder. Damals musste man fit sein in den Druckverfahren, man musste mit den Händlern umgehen können, Texte schreiben, layouten, einfach alles. Ich denke, dass man auf diese Weise auch viel tiefer in das Thema Werbung eintauchen konnte. Und in diesem Sinne war auch dispo in ein Gesamtkonzept eingebunden.
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Sie haben also ein Magazin für eine Zielgruppe erfunden, die davor kein Medium hatte?
Herz: Genau. Das Konzept war eigentlich ganz einfach. Es gab ja Zeitschriften für viele Handels-Branchen, für Textilhändler, Papierhändler, Farbenhändler und so weiter. All diese Zeitschriften haben den Primärbedarf der jeweiligen Branche abgedeckt. Wenn aber jemand einen Stapler gebraucht hat, dann gab es da nichts. Also wollte ich ein Magazin für den Sekundärbedarf, für die Dinge, die jeder braucht. Also alles zum Thema Büro, Lager, Transport, Werbegeschenke et cetera. Die Zielgruppe waren die Entscheider in den Unternehmen, die oberste Ebene. Das war das Konzept. Und ich bin davon überzeugt: Je einfacher ein Konzept ist, desto besser funktioniert es auch.
Einen Verleger hatten Sie ja schon.
Herz: Ich habe damals beim Verlag Bondi & Sohn die Textilzeitung herausgegeben, die hatte eine wöchentliche Auflage von 9.000 Stück. Daher war es logisch, dispo bei Bondi zu starten.
Und der war gleich Feuer und Flamme?
Herz: Wenn irgendwo Geld gelockt hat, war er sehr schnell dabei.
Wie muss man sich den Beginn denn vorstellen?
Herz: Der Bondi-Verlag hatte damals einen einzigen Angestellten, den Herrn Fischer. Alle anderen waren freie Mitarbeiter auf Provisions-Basis. Und die mussten natürlich möglichst viele Anzeigen verkaufen. Man ist damals zu einer Firma gegangen und hat gesagt: Ich mache euch eine Geschichte. Und wenn man das oft genug gemacht hat, dann bekam man ein Inserat. So hat das funktioniert. In diesem Büro hat auch niemand einen Schreibtisch gehabt, man kam nur hier und da vorbei, um sich die Post abzuholen oder die Texte zu liefern. Wir waren im Grunde lauter Ein-Mann-Betriebe.
Eine Trennung zwischen Verkauf und Redaktion gab es also nicht?
Herz: Nein, das ging auch nicht anders. Die Mitarbeiter waren auf Provisionen angewiesen. Das Zeilenhonorar lag bei 25 Groschen, da konnte man lange schreiben, um zu Geld zu kommen. Und für Inserate haben wir damals sogar recht stolze Preise verlangt. Davon haben die Mitarbeiter 20 Prozent bekommen.
Ernsthaft?
Herz: Ernsthaft.
Sie sind nach der Nullnummer wieder ausgestiegen?
Herz: Operativ bin ich ausgestiegen, aber ich blieb finanziell beteiligt. Hin und wieder habe ich auch noch kleine Geschichten zugeliefert. Für mehr hätte ich ja gar keine Zeit gehabt: Ich habe damals die Textilzeitung gemacht, die PBS für die Papierhändler, eine PBS-Messe. Gleichzeitig habe ich den Verein rund um die Ifabo gegründet. Wie gesagt: alles im Ein-Mann-Betrieb.
Das Produkt hat von Beginn an funktioniert?
Herz: Das kann man wohl sagen! Die dünne Nullnummer hat uns rund 1.000 Schilling gekostet. An Umsatz waren 16.000 Schilling drin. Die Kunden kannten mich und hatten Vertrauen zu mir. „Der Herz macht das schon.“
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Sie hatten damals einige neue Ideen. Zum Beispiel den „Leserservice“.
Herz: Und das hat großartig funktioniert. Wir haben der dispo eine Postkarte zum Ausschneiden beigelegt, auf der man ankreuzen konnte, zu welchen Artikeln man weitere Informationen erhalten wollte. Es gab Artikel, zu denen wir 60 oder 70 Zuschriften bekamen. Und wir konnten mit diesen 70 Stück zum Kunden gehen und sagen: Schau mal! Das Inserat war gesichert. Das war echte Werbewirkungs-Messung. Wir haben auch alle Geschichten ausgeschnitten und zum Jahresende Mappen für die Kunden angefertigt. Das war auch kein schlechter Türöffner.
Die One-Man-Show ging bis zum Schritt vor dem Druck?
Herz: Ja, bis zu dem Punkt, an dem man ein wirklich gutes Druckerei-Team brauchte. Man benötigte jemanden, der wirklich gut setzen konnte. So etwas wie Layout gab es damals ja im Grunde nicht. Mein bester Metteur hat die PBS, ein Heft von 20 Seiten, in einer Stunde gesetzt. Schreiben und verkaufen, das habe ich alleine erledigt.
Sie haben den Verlag damals auch dazu gebracht, eine Druckmaschine zu kaufen?
Herz: Bondi war damals eigentlich schon spät dran. In der Zollergasse in Wien gab es nur einen Heidelberger Tiegel. Das Drucken großer Auflagen hat buchstäblich Tage gedauert. Ich habe damals „Offset, Offset, Offset“ gepredigt. Das war die Zukunft, Blei war bereits Vergangenheit. Also haben wir eine Rotaprint angeschafft, eine Kleinoffsetmaschine. Ich konnte damit umgehen, ich hatte ja schon bei Gloriette eine Hausdruckerei eingerichtet. Die Rotaprint war ja vergleichsweise billig, aber immerhin konnten wir damit die farbigen Titel drucken. Die Nullnummer der dispo war die erste mit Farb-Titel, und in der Folge konnten auch alle anderen Fachzeitschriften davon profitieren. Das war schon etwas ganz Anderes, in einer halben Stunde war die komplette Auflage durchgelaufen. Als der Verlag kurz darauf nach Perchtoldsdorf übersiedelte, wurden dort nur noch Offset-Maschinen angeschafft. Allerdings Heidelberger, also keine Spielerei mehr.
Wie haben Sie damals eigentlich gegenüber den Werbekunden argumentiert?
Herz: So wahr ich hier sitze: Ich habe in meinem Leben Anzeigen um Hunderttausende verkauft, aber ich habe nie eine Anzeige „verkauft“. Ich habe die Gespräche so geführt, dass das Gegenüber irgendwann von selbst gefragt hat: Was kostet das denn eigentlich? Ich habe dann in meiner Mappe herumgeblättert und gemeint: Da muss ich jetzt selber nachschauen.
Als Gloriette-Werbeleiter haben Sie sogar eine Radiosendung erfunden.
Herz: Das war die schönste Werbung überhaupt, darauf bin ich heute noch stolz. Bei Radio Wien gab es damals zwei Rätselsendungen. „Fass das Glück“ mit Heinz Conrads und „Die große Chance“ mit Maxi Böhm. Dort konnte man 1.000 Schilling gewinnen, eine ungeheure Summe.
Das brachte mich auf die Idee, eine Radiosendung zu kreieren. Also wandte ich mich an meinen Bekannten Max Lustig, damals der beste Conférencier, den man finden konnte. Gemeinsam schrieben wir das Konzept für das Kabarett-Programm „Gloriette-Brettl“. Damit sind wir zum Sender gegangen, und was stellte sich heraus? Die haben genau darauf gewartet, denn es gab damals keine Kabarettsendung. Wir haben zur schönsten Sendezeit, am Samstagabend, 50 Minuten bekommen, und zwar gratis. Dazu den großen Sendesaal in der Argentinierstraße, das Rundfunkorchester, Regie – alles gratis! Wir mussten nur die Künstler bezahlen. Ein Traum! Wir haben damals alles engagiert, was im Kabarett Rang und Namen hatte. Natürlich haben wir unsere Kunden, also die Einzelhändler, ins Publikum eingeladen. Und der Gag daran: Es gab in der Sendung nicht ein Wort Werbung.
Waren Sie damals kurz vor dem Seitenwechsel?
Herz: Manche Gags habe ich selbst geschrieben, und ich war auch wirklich sehr eng mit Maxi Böhm befreundet. Mit einem Bein war ich schon dort, aber letztlich war ich immer eher ein Werbe-Mensch als ein Kabarettist.