Interview : „Die Welt soll genutzt und nicht verbraucht werden“
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dispo: Herr Krauter, Sie haben mit dem iLogistics Center in Fischamend für einige Aufmerksamkeit gesorgt. Welche Perspektive hat denn in Ihren Augen die Region im Osten Wiens?
Stefan Krauter: Geographisch liegen wir im Osten Wiens sehr gut, gerade der Flughafen Wien ist von eminenter Bedeutung für uns. Wien und Bratislava wachsen wirtschaftlich zum Wohle beider Städte zu einer „Twin-City“ zusammen. Unzweifelhaft dynamisch entwickelt sich aber auch der Logistikstandort Budapest zu einem sehr starken Anbieter, der großen Teilen des traditionellen Hinterlands von Wien um 250 Kilometer näher liegt. Bei cargo-partner gibt es genug Platz für beide Standorte. Und die endgültige Entscheidung für den Bau der dritten Piste in Schwechat werten wir natürlich als positives Signal und starkes Zeichen für die Absicherung des Wirtschaftsstandortes.
Das iLogistics Center ist ja auch ein ökologisches Statement. Das scheint Ihnen persönlich ein echtes Anliegen zu sein?
Krauter: Ja, Nachhaltigkeit ist uns sehr wichtig, und man kann nie genug dafür tun. Und ja, das ist ein Bereich, in dem ich große persönliche Verantwortung verspüre: Diese Welt soll durch unsere Generation genutzt und nicht verbraucht werden. Eine einzelne Aktion alleine bringt selten viel, wenn sie den notwendigen Systemwechsel nicht unterstützt. Wir haben mit diesem preisgekrönten Gebäude in Holzbauweise einen technischen Beweis geliefert, was man mit diesem absolut nachhaltigen Baustoff zu wirtschaftlichen Kosten alles herstellen kann. Wir wollen damit möglichst viele Bauherren zum Nachahmen inspirieren. Den größten Hebel für Nachhaltigkeit sehe ich generell im Bereich der Technologie. Hier haben wir etwa die Forschung für eine neue Flugzeug-Konfiguration, ein Nurflügel-Flugzeug, mit mittlerweile über einer Million Euro unterstützt. Das ist viel Geld für eine Spedition.
Auf Ihrer Website veröffentlichen Sie eine ziemlich umfangreiche Compliance-Erklärung inklusive der Bitte um Meldung von Verstößen. Wird so etwas wichtiger?
Krauter: Ich sehe das so: Der Herrgott ist noch mit zehn Geboten ausgekommen, vor 150 Jahren hat man schon einige Gesetzbücher gebraucht, und heute leben wir im Spannungsfeld einer außer Rand und Band geratenen Gesetzgebung und deren Auslegung. Da werden Gurkenradien genormt, und eine Traktorsitzverordnung der EU hat angeblich über 200 Seiten – doch auch, wenn das nicht stimmen sollte, so beschreibt es doch den Zustand einer Überhitzung unseres Rechtssystems. Niemand kann behaupten, genau zu wissen, was alles eindeutiges Recht ist, zumal wenn man in 35 verschiedenen Ländern aktiv ist. Legal Compliance hat daher paradoxerweise eine ziemlich intuitive Komponente bekommen.
Wir schützen uns – übrigens mit beträchtlichem internem personellem und systemgestütztem Aufwand – und damit unsere Kunden, so gut es eben geht, indem wir viele graue Zonen meiden, auch wenn sie keinen Gesetzen entgegenstehen.
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Kommen wir zur Wirtschaft: cargo-partner deckt alle Modalitäten ab, ist stark in Services, IT und Kontraktlogistik und eröffnet eine Niederlassung nach der anderen. Wo wollen Sie eigentlich noch hin?
Krauter: Wir sehen in der Kontraktlogistik einen sich rasch globalisierenden Markt. Unsere Kunden können und wollen sich nicht auf allen ihren globalen Standorten mit verschiedenen Dienstleistern integrieren. Entwicklungen wie Industrie 4.0 bedürfen auch einer Logistik 4.0, und daher haben wir unsere Kernländer in Zentral- und Osteuropa sowie die meisten großen regionalen Verteilungszentren auf der Nordhalbkugel mit cargo-partner-Lagerstandorten abgedeckt.
Das waren für uns sehr große Investitionen, und ich glaube, dass das – abgesehen von den ganz Großen der Branche – nicht viele Logistiker so hinbekommen haben, die Logistikkette End-to-End zu kontrollieren und dies dabei auch im Kundensinne datentechnisch darstellen zu können. Wir helfen unseren Kunden, in ihren Beziehungen zu ihren Kunden und Lieferanten schneller, verlässlicher und berechenbarer zu werden. Da gehören für uns neben unserer Ausrichtung auf Luft- und Seefracht auch eigene Lagerbetriebe an den wichtigsten globalen Standorten einfach dazu.
Sie peilen also weitere Standorte an?
Krauter: Seit wir den Bereich der Kontraktlogistik vor drei Jahren zu unserem dritten Kernbereich erklärt haben, konnten wir unsere Lagerflächen mehr als verdoppeln. Und mit der Inbetriebnahme unseres 26.000 Quadratmeter großen Regional-Hubs nahe dem Flughafens Ljubljana soll diese erste Phase vorläufig abgeschlossen sein.
Wir decken jetzt mit regionalen Verteilzentren die wichtigsten Handelsplätze der Nordhalbkugel mit eigenen Betrieben ab. Solche Größensprünge bedürfen simultaner Entwicklungen bei der eigenen oder gemieteten Immobilie, des geeigneten Personals und Managements, der Geräte und bei der Automatisierung, der Integration mit den Systemen von mittleren und größeren Kunden. Für manche Marktsegmente braucht man auch eine Anpassung der eigenen Software. Als breit aufgestellter Info-Logistik-Komplettanbieter mit einem umfangreichen Portfolio an Luft-, See-, Landtransport- und Logistik-Services ist es natürlich auch ein Vorteil für den Kunden, wenn wir neben Lagerdienstleistungen auch weitere Dienstleistungen anbieten können.
Wir prüfen und evaluieren laufend unsere aktuelle Situation. Generell hat die ASPAC-Region bei uns einen hohen Stellenwert und ist ein Geschäftsbereich, den wir als Zukunftsmarkt ansehen.
Angesichts E-Commerce, kleinerer Losgrößen und steigender Erwartungen der Empfänger an die Lieferzeit: Steigen die Anforderungen an Ihre IT-Landschaft?
Krauter: Ich denke, wir können mit der Lösung vieler Anforderungen an die IT-Landschaft zufrieden sein, vor allem mit unserem Kundeninterface, unserer Visibility and collaboration platform „SPOT“ und individuellen Kundenlösungen. Diese Entwicklung wird aber nie zu ganz abgeschlossen sein, und wir sehen gigantische Herausforderungen bei der Integration von Kunden.
Das ist aber bei weitem nicht alles, denn die Anforderungen an die Produktivität unseres internen Transport-Management-Systems sind ebenso riesig. Genauso fordernd ist der Datenaustausch mit der für alle Spediteure gleichen Welt von Frachtführern, Luftlinien, Seefrachtlinien, Zollbehörden etc. Da sind wir lange den Weg des Einzelkämpfers gegangen, werden uns aber in Zukunft eines der führenden Software-Lieferanten bedienen, genauso wie DHL, DSV oder andere Speditionsriesen.
Eine Frage noch zur Neuen Seidenstraße: Ich habe den Eindruck, dass es um dieses Thema zuletzt wieder ein bisschen ruhiger wurde. Wie stehen Sie denn zu dieser Initiative?
Krauter: Die neue Seidenstraße ist doch schon Realität! Und sie wird in Zukunft hoffentlich noch weiter an Bedeutung gewinnen, und das nicht nur in Richtung Westen, sondern auch in Richtung Osten.
Die Bahnverbindung hat auf jeden Fall eine Berechtigung im Verkehrsmix zwischen Asien – vor allem China – und Europa. Es gibt natürlich auch noch einige Schwierigkeiten, vor allem im Umschlag zwischen der russischen Breitspur und dem bestens ausgebauten europäischen 1440-mm-Schienennetz. Da gab es im vergangenen Jahr zeitweise einen tagelangen Rückstau. Es wäre vielleicht eine Überlegung wert, die Breitspur nach Polen um einige Kilometer zu verlängern und dort einen weiteren Umschlagsbahnhof zu bauen.
Und eine Verlängerung der Breitspur bis Wien?
Krauter: Ich kann persönlich bisher nicht nachvollziehen, warum man parallel zur europäischen Spurbreite in Europa noch die russische dazu bauen sollte. Das bedeutet zusätzliche Investitionen, über die sich nur die Baufirmen freuen, und erhebliche jährliche Betriebskosten. Wir bauen ja auch keinen Binnenschifffahrtskanal neben die Donau, um die Donauschifffahrt zu fördern, sondern nützen die Donau, die wir schon haben – maximal baggern wir sie dort aus, wo wir Engpässe sehen. Deshalb frage ich mich, warum man denn eine Verlängerung der Breitspur bis nach Wien braucht.
Würde Österreich von einer intensiveren Bindung an die Seidenstraße denn so stark profitieren, wie manche argumentieren?
Krauter: Ja, das erwarte ich durchaus. In Zeiten des Internet-Handels werden neue Handels- und Verkehrsstrukturen entstehen, die den Bedürfnissen nach zeitnaher und berechenbarer Lieferung entsprechen. Und bei weitem nicht jedes Produkt, das eilig ist, kann und soll per Luftfracht transportiert werden. Für uns wird eine starke Aufwertung der Mittelmeer- und Adriahäfen nicht nur für Südosteuropa, sondern auch nach ganz Zentral-Europa von großer Bedeutung werden. Häfen wie Koper, Triest und Rijeka können via Suez-Kanal um einige Tage schneller bedient werden, als wenn man noch um den ganzen Kontinent zu den Westhäfen herumfahren muss.
Erzählen Sie mir noch etwas zur aktuellen Geschäftsentwicklung von cargo-partner?
Krauter: Unsere beiden traditionellen Kernbereiche sind Luftfracht und Seefracht, und wir waren bei beiden in der Entwicklung zufrieden, vor allem im mehrjährigen Vergleich, wo wir den Anspruch haben, zweistellig zu wachsen. Die Luftfracht hatte, ausgehend von einem erfreulich hohen Niveau im Vorjahr, noch ein kleines Jahresplus von vier Prozent bei den Sendungen und einem Prozent bei der Tonnage. In der Seefracht hatten wir auch ein Plus von vier Prozent bei den Sendungen, aber zwölf Prozent mehr bei den Containermengen.
Die LCL-Kubatur hat den Vorjahresrekord knapp verfehlt. Sehr gut haben sich jedoch unsere drei wöchentlichen Sammelcontainer-Linien über die Seidenstraße entwickelt.
Im Bereich Lagerlogistik sind wir an einem halben Dutzend Standorte noch in einer Investitionsphase, auch wenn wir die Umsätze 2018 um 45 Prozent steigern konnten. Unser Ebitda entspricht in Summe dem des Vorjahres.