Case Study : Ein AKL als „Kommissioniersystem“
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Die manuelle Kommissionierung war schon längst an ihr Limit gelangt. Hinzu kam, dass die Mitarbeiter der Boltze-Gruppe in Braak immer mehr Waren händisch in Umkartons zu übergeben hatten. Besonders aufwändig: die Palettierung der kommissionierten Umkartons. So waren beim Bepacken der Versandpaletten kontinuierlich artikelspezifische Besonderheiten, insbesondere Bruchgefahren, sowie das jeweilige Kartongewicht und dessen Größe zu berücksichtigen, um möglichst stabile Einheiten bilden zu können.
Die Logistik des Schleswig-Holsteinischen Großhändler für Wohnaccessoires und Geschenkartikel geriet zudem durch den wachsenden E-Commerce unter Druck, wie Projektmanager Michael Winterhalter erzählt: „Aufgrund der gestiegenen Kundenanforderungen in Verbindung mit den Möglichkeiten des Internethandels fiel der Entschluss, die Lagerlogistik zu zentralisieren und den Zentralstandort Braak zu erweitern.“ Die ins Auge gefasste Lösung: ein vollautomatisches Kleinteilelager.
Umfangreiches Anforderungspaket
Das in das vorhandene Warehouse-Management-System einzubindende AKL sollte zukünftig als „Kommissioniersystem“ fungieren, die Effizienz in den Abläufen deutlich verbessern, den Flächenbedarf verringern und gleichzeitig die Mitarbeiter entlasten. Unter ergonomischen Aspekten lautete die Vorgabe von Boltze, Arbeitsplätze so kompakt wie möglich zu gestalten, Laufwege zu minimieren und weiterhin unumgängliche manuelle Handhabungsprozesse auf technischem Wege zu unterstützen.
Das umfangreiche Anforderungspaket, das auch auf eine Reduzierung von Komplexität zielte, war Resultat einer minuziösen Konzeptwicklung zur Erweiterung des Firmensitzes in Braak. Gesetzt war damit auch eine modular konzipierte Systemlösung, die punktuelle Erweiterungen im laufenden Betrieb zulassen sollte. Im Zuge der Ausschreibung überzeugte letztlich der BOXer von Stöcklin Logistik. Was, wie Michael Winterhalter erzählt, neben der Wirtschaftlichkeit auch dem Umstand geschuldet war, „dass die Automatiklösung hinreichend Stellplatzkapazitäten bietet, um das enorme Artikelspektrum sicher aufnehmen und handhaben zu können“. Mit einer Lagerkapazität für rund 300.000 Standard-Kartons und einer Durchsatzleistung von rund 1.500 Umkartons pro Stunde bedient die Systemlösung von Stöcklin Logistik diese Vorgaben.
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Hohe Packungsdichte auf kleiner Fläche
Die Stellplätze verteilen sich auf 16 etwa 100 Meter lange Gassen, in denen jeweils ein mit Kartongreifer, Hilfsmast und Antipendel-System ausgerüstetes, 16 Meter hohes Regalbediengerät BOXerD1 verfährt. Zum Einsatz kommt außerdem ein Warehouse Control System von Stöcklin, das an das vorhandene WMS angebunden worden ist, operative Aufgaben im Zuge der Materialflusssteuerung übernimmt und dabei mit der unterlagerten Anlagensteuerung auf Basis des TIA-Portals von Siemens kommuniziert. Während Umkartons mit den Abmessungen zwischen 300x300 und 600x800 Millimeter direkt auf der Anlage verfahren, werden kleinere, verformte oder beschädigte Pappboxen sowie Anbruchkartons auf Tablaren oder in Behältern gefördert und gelagert.
Ein spezieller Kartongreifer sorgt hier für eine schonende Aufnahme. „Vorteil der von uns entwickelten Lösung ist, dass eine hohe Packungsdichte auf relativ kleiner Grundfläche erreicht wird“, sagt Michael Dörner, Vertrieb Geschäftsbereich Anlagen bei Stöcklin. Darüber hinaus ermöglicht der Kartongreifer das flexible Handling von Kartons und Behältern mit variierenden Abmessungen. Eine zentrisch angeordnete Rollenschiene gewährleistet, dass der Boden auch bei möglichen Toleranzabweichungen oder kleineren Beschädigungen stets wirkungsvoll in der Mitte gestützt wird.
Bremsenergie wird rückgespeist
Die Vorgabe der Energieeffizienz erfüllt das System einerseits durch das reduzierte Eigengewicht. Zusätzliche Energieeinsparungen werden durch die Kombination von Versorgungs- und Rückspeismodulen erzielt, bei der anfallende Bremsenergien, die nicht an andere Achsen übertragen werden können, in das Netz zurückgespeist werden. Gefordert waren zudem Geräte mit hoher Dynamik und einem schnellen Lastenwechsel. Dies wird durch einen am Mastkopf angebrachten Antipendelantrieb unterstützt, der Schwingungen der immerhin 16 Meter hohen RBG weitestgehend eliminiert und eine zügige und sichere Positionierung sowie ein schonendes Handling ermöglicht. Implementierte Strategien sorgen zudem für eine bedarfsgerechte Anpassung der Beschleunigung und Fahrgeschwindigkeit der RBG.
Kraftaufwand gesunken
Im Bereich der Depalettierung, wo manuelle Dauerleistungen zu erbringen sind, wurden sechs auf höchste ergonomische Ansprüche ausgelegte Arbeitsplätze integriert. Zunächst werden die auf Paletten zwischengelagerten Waren mit Hilfe von Staplern oder Hubwagen zu den Depalettierplätzen geführt. Die sind mit einer Hubstation ausgestattet, die der Werker betätigen kann, ohne seinen Arbeitsraum verlassen zu müssen. Der Arbeitsablauf wird nicht unterbrochen, und die Gefahr von Verletzungen, beispielsweise durch Quetschungen, konnte eliminiert werden. Die depalettierten Kartons werden im Anschluss ohne großen Kraftaufwand auf die angeschlossene Behälter-Fördertechnik abgeschoben und in Richtung AKL transportiert.
An den insgesamt zehn Versandarbeitsplätzen werden die angeforderten Kartons auf Paletten gepackt, bzw. es erfolgt eine Teilkommissionierung. Zuvor hat das WCS die Auslageraufträge – auch unter Berücksichtigung verschiedener Kartongrößen – an den Materialflussrechner übermittelt. Letzter wählt wiederum den Kommissionierplatz für den jeweiligen Versandauftrag aus. Nach Abschluss des Pickvorgangs wird der Versandkarton auf die Versandpalette gesetzt. Angebrochene Artikelkartons werden, ebenfalls WCS-gesteuert, wieder zurückgelagert.
Nach Aufnahme des Produktivbetriebs mit anschließender Stabilisierungsphase und Abnahme arbeitet die neue „Kommissioniermaschine“ beziehungsweise das neue Karton- und Behälterlager von Boltze in Braak normalerweise an fünf Tagen in Einschichtbetrieb. In Spitzenphasen wird an sechs Tagen in der Woche für jeweils 16 Stunden gearbeitet.
Auftraggeber
Die Boltze-Gruppe (Braak, Schleswig-Holstein) ist Deutschlands größter Großhändler für Wohnaccessoires und Geschenkartikel. Das inhabergeführte Familienunternehmen erwirtschaftet mit rund 260 Mitarbeitern 100 Millionen Euro Umsatz pro Jahr.
Auftragnehmer
Die Schweizerische Stöcklin Logistik AG (Aesch/Dornach) tritt als Systemintegrator von Intralogistiksystemen im Bereich der Lagerlogistik & automatisierten Lagerverwaltung auf. Stöcklin produziert größtenteils selbst Förder- und Lagersysteme für verschiedenste Ladeträger sowie Flurförderzeuge.
Diese Story finden Sie auch in dispo Ausgabe 4/2018.