Dieseldebatte : Eine Branche im Umbruch

Karl-Martin Studener, Business Director Austria, C&EE des Nutzfahrzeugriesen Iveco lässt uns wissen, dass das Unternehmen den Dieselmotor nicht nur hinsichtlich Umweltverträglichkeit laufend verbessere, sondern auch die Wirtschaftlichkeit (Kraftstoffverbrauch, Servicehäufigkeit) stets im Auge behalte. Für ihn ist der Dieselmotor das „Rückgrat der Logistik“. Es würden alle Anstrengungen unternommen, diese Technologie für die Umwelt und die Effizienz zu verbessern, aber auch mit alternativen Technologien zusätzliche Optimierungspotenziale für die Logistik zu schaffen. Seit Jahren bietet Iveco rein elektrisch angetriebene Transporter von 3,5 bis 5 Tonnen Gesamtgewicht an (Anm.: zu sehen in der Marktübersicht der dispo-Ausgabe 7-8/2017). „Reichweiten von bis zu 250 km, ein nur geringes Mehrgewicht durch Batterien sowie eine breite Palette an verfügbaren Versionen und Varianten machen das Fahrzeug bereits heute zu 100 Prozent einsatztauglich.“, erklärt Studener. Ebenso laufen bereits Dutzende, rein elektrisch angetriebene Iveco Stralis 18 Tonner in der Schweiz und in Deutschland. Nicht im Versuch, sondern im realen, täglichen Einsatz, wie Studener betont. Auch elektrisch betriebene Busse aller Segmente werden von Iveco schon heute verkauft. Weiters bietet der Nutzfahrzeughersteller seit Jahren erdgasbetriebene Fahrzeuge aller Gewichtsklassen an. Seit Jahresbeginn sind auch erdgasbetriebene Fahrzeuge mit LNG (Liquefied Natural Gas) erhältlich - in deren Fahrzeugtanks befindet sich Erdgas in verflüssigter Form. Dadurch sind wesentlich höhere Reichweiten von bis zu 1.500 km erreichbar. „In Österreich sind bereits namhafte Unternehmen mit erdgasbetriebenen Fahrzeugen aller Gewichtsklassen im täglichen Einsatz unterwegs und von der Wirtschaftlichkeit dieser Technologie überzeugt“, meint Studener. Bei den Bussen bietet Iveco außerdem die Hybrid-Technologie an, welche sich laut Unternehmen beim Einsatz mit häufigem Anfahren aus dem Stand als sehr effizient erwiesen hat. Fahrzeuge mit alternativen Antrieben seien im Unternehmen keine Versuchsfahrzeuge, sondern bewähren sich ab dem ersten Tag der Inbetriebnahme im realen Einsatz.

Manfred Streit, Direktor von Scania Österreich plädiert dafür, den Diesel nicht pauschal zu verurteilen. Gerade im Fernverkehr gebe es Grenzen für den Batterieantrieb. In absehbarer Zeit müsse man auf CO2 sparenden Diesel zugreifen müssen „Eine Zukunft ohne Diesel ist denkbar, aktuell rechnet sich aber beispielsweise ein E-Antrieb bei großen Reichweiten nicht, da durch die Batterie sehr viel Ladung eingebüßt werden müsste“, sagt Streit. Auch für Scania werden alternative Kraftstoffe immer wichtiger werden, sagt Streit. Das Unternehmen investiere derzeit sehr viel in die Forschung von E-Antrieben. Für Kunden spielen aber wieder Parameter wie Kosten und Reichweite eine wichtige Rolle. Im Verteilerverkehr sei E-Mobilität in naher Zukunft möglich, hinsichtlich des Fernverkehrs könne ein reiner Elektroantrieb zwar eine alternative Lösung darstellen, für konkrete Aussagen müssten aber Ergebnisse von ersten Feldtests abgewartet werden, so Streit. Scania sei ein Anbieter für nachhaltige Transportlösungen. Nur auf ein Pferd zu setzen entspreche nicht der Unternehmensphilosophie, der Zugang zu dieser Thematik sei sehr breit aufgestellt. „Unser Ziel ist es, uns nach den individuellen Bedürfnissen der Kunden zu richten und somit auch individuelle Lösungen anzubieten, anstatt sie von einer einzigen Lösung zu überzeugen“, sagt Streit. Scania konzentriert seine Forschung auf Hybridtechnologien, Plug-In Hybride und komplett elektrisch betriebene Fahrzeuge, sowie auf verschiedene Arten von Biotreibstoffen. „Ich denke, wir sind für die Anforderungen der Transportbranche der Zukunft sehr gut gerüstet“ meint Streit. Ähnlich wie Streit sieht das auch DPD Austria Geschäftsführer Rainer Schwarz: "Grundsätzlich kann ich mir den Transport ohne Diesel vorstellen. Voraussetzungen wären niedrigere Anschaffungskosten von schadstofffreien Lkw sowie neue Technologien, damit Reichweite und Zuladung erhöht werden und genügend Ladestationen für Elektro-Fahrzeuge. Generell begrüßen wir den emissionsfreien Transport unter gleichen Bedingungen für alle Marktteilnehmer."

Ernst Pucher, Professor der Technischen Universität Wien, beschäftigt sich schon lange mit dem Thema Automobiltechnik und insbesondere mit Verbrennungsmotoren. „Wir arbeiten auf dem Gebiet der Antriebstechnik von Nutzfahrzeugen seit 2005 mit verschiedensten bekannten Logistikfirmen zusammen. Unsere Kooperationsprojekte mit Logistikern, Automobilindustrie und Energieversorgern wurden auch bereits mehrfach ausgezeichnet. Aus diesen Aktivitäten wissen wir, dass in der Logistikbranche ein hohes Interesse an neuen Entwicklungen besteht und auch neue Antriebstechnologien wie insbesondere Erdgas und Hybridantreibe gerne erprobt und eingesetzt werden“, so Pucher. Batterieelektrische Fahrzeuge seien aufgrund der doch sehr begrenzten Reichweiten derzeit eher für Spezialanwendungen geeignet. Generell bestehe jedoch weltweit ein starker Trend hinzu lokal abgasfreien Antriebsformen für Ballungszentren. „Für die kommerzielle Nutzung kommen dabei Brennstoffzellenelektrische Antriebe ins Spiel, da diese einerseits Zero-emission und andererseits übliche Nutzungseigenschaften wie hohe Reichweite und kurze Betankungsdauer mit Wasserstoff bieten. Die Einführung größerer Stückzahlen für sämtliche Alternativen wird jedoch ein Prozess der nächsten Dekaden sein“, meint Pucher. „Derzeit ist der Dieselmotor aufgrund des hohen Stickstoffoxid-Ausstoßes im Mittelpunkt von umwelttechnischen Sanierungsmaßnahmen. Ein noch viel zu wenig beachteter Punkt dabei ist, dass moderne Dieselmotoren nicht per se zu hohe Stickoxidmengen emittieren, sondern dass die Streuung zwischen gut eingestellten Fahrzeugen und nur auf einzelne Betriebspunkte optimierte oder manipulierte Fahrzeuge derart groß sind, dass der gesamte Straßenverkehr in Verruf gerät. Die Unterschiede zwischen Euro 6 Fahrzeugen beträgt über eins zu vierhundert“. Dies habe auch damit zu tun, dass die vieldiskutierten Stickstoffoxide bei den wiederkehren Überprüfungen nicht gemessen werden. Mit relativ einfachen, verbesserten Messmethoden könnte dieses Problem laut Pucher kurzfristig in den Griff bekommen werden. Das würde der Branche einen großen Teil des Drucks nehmen.