Welchen Zweck erfüllen die Bildschirme und das spezielle Regal?
Bauer: Beides sind digitale Lösungen, die das Kommissioniersystem ergänzen. Die interaktiven Bildschirme dienen der Aktions- und Informationsanzeige, über die der Kunde eine Hilfestellung zur Produktauswahl bekommt. Das ActiveShelf ist ein intelligentes Regal, das Infos zu den Produkten liefern kann. Nimmt ein Kunde ein Testprodukt aus dem Regal, werden auf dem Bildschirm Informationen über das Produkt, seine Anwendungsmöglichkeiten oder weitere Produktvarianten angezeigt. Der Kunde kann sich selbstständig informieren und im Falle einer Kaufabsicht das Produkt über den Bildschirm beziehen. Alle Komponenten im Shop sind miteinander in einem vollautomatisierten Prozess vernetzt. Da über eine Schnittstelle sogar die Anbindung an das Kassensystem funktioniert, hat der Retailer weniger Aufwand und entwickelt sich zum Omni-Channel-Unternehmen.
Und wie soll das System die Flächenproduktivität verbessern?
Bauer: Ladenfläche ist teuer, deswegen sollte so wenig wie möglich als Lager genutzt werden. Gegenüber herkömmlichen Regalen im Handel können durch unser System schon einmal 40 bis 70 Prozent der Lagerfläche eingespart werden. Der so ersparte Flächeneinsatz kann etwa für eine Erweiterung des Sortiments oder eine bessere Produktdarstellung genutzt werden. Das ist wichtig, denn urbane Geschäftsflächen werden immer teurer.
Wie funktioniert der Kommissionierroboter? Wurde er für das Project Retail CX neu entwickelt?
Bauer: Das System wurde ursprünglich vor etwa zwölf Jahren bereits entwickelt und seither weiterentwickelt. Im Grunde funktioniert es wir ein geschrumpftes automatisches Kleinteilelager, bloß steckt eine eigene Technologie dahinter. Die Produkte werden digital erfasst und platzsparend, vollautomatisch ein- und ausgelagert. Der Automat greift Packungen oder Trays mit Produkten und bringt diese zur Ausgabeposition. Dafür gibt es zwei Greifer im System. Sollte ein Arm ausfallen, gibt es noch den zweiten, so wird das Risiko eines Systemstillstands minimiert. Außerdem bedeuten zwei Greifer auch höhere Einlagerungs- und Auslagerungsgeschwindigkeiten und die Möglichkeit, mehrere Kundenaufträge gleichzeitig zu bedienen. Das System gibt es auch mit nur einem Arm, aber zwei sind im Retail-Bereich auf jeden Fall zu präferieren.
Wie werden Kollisionen zwischen den Greifern vermieden?
Bauer: Dafür sorgt eine Software, die eigens für das System entwickelt wurde und auf die jeweiligen Anforderungen des Shops abgestimmt ist. Die Software überprüft und verwaltet auch die Warenausgabe, indem auch die Ablaufdaten der Produkte überwacht und Waren mit dem kürzesten Verfallsdatum zuerst ausgelagert werden. So wird dem Retailer eine ganzheitliche Lagerstrategie oder Category Management ermöglicht.
Wie viel bringt es dem Retailer, wenn die Software das alles übernimmt?
Bauer: Es bringt eine Entlastung des Personals an logistischen Tätigkeiten. Wenn der Mitarbeiter etwa nicht mehr ins Lager laufen muss, um die Schuhe in einer anderen Größe herauszusuchen, kann er sich mehr dem Kunden widmen. Nach unserer Erfahrung resultiert aus der durch die Automatisierung gewonnenen Zeit ein Mehr an Kundenfokussierung. Dadurch wird die Kundenbindung gesteigert, was für den stationären Handel sehr wichtig ist. Und letztlich steigt so natürlich auch der Umsatz.
Noch einmal zum Greifersystem – wie gut kommt dieses mit verschiedenen Produkten zurecht?
Bauer: Über die Sensorik können ganz unterschiedliche Produktgrößen gehandhabt werden. Für manche Bereiche können besondere Greifer angefertigt werden, zum Beispiel wenn das Produkt besonders schwer ist. Aber in 90 Prozent der Fälle reicht unser Standardgreifer für ein sehr breites Segment. Das Produkt muss aber natürlich auch gut für den Automaten greifbar sein, was im Lebensmitteleinzelhandel nicht immer der Fall ist. Eine Chipspackung allein ist schwer greifbar, in einem Tray ist das Handling wiederum kein Problem.
Wie sehen Sie die Marktentwicklung für In-Store Systeme? Könnte der Durchbruch in Asien oder in den USA schneller kommen als in Europa?
Bauer: Der Bedarf für solche Systeme ist unabhängig von der Region. Überall geht es um die gleichen Themen. Der stationäre Handel wird vom E-Commerce verdrängt, gleichzeitig macht sich der Verlust der Vorteile eines stationären Geschäfts bemerkbar. Es ist kein Zufall, dass ursprünglich reine Online-Händler wie Amazon und Zalando vermehrt in den stationären Handel investieren. Außerdem herrscht überall großer Fachkräftemangel. Dieses Problem im Handel, die Personalnot, kann durch die Automatisierung gelöst werden – nicht zuletzt deshalb, weil der Job des Ladenmitarbeiters durch das Wegfallen logistischer Aufgaben attraktiver wird. Es wird sicher Länder geben, in denen sich In-Store Systeme schneller durchsetzen werden, aber gerade in Europa, mit den hohen Flächen- und Lohnkosten, wird man sich ihnen nicht entziehen können. In ein paar Jahren wird das System von Anfang an in die Entwicklung neuer Shops miteinbezogen werden.
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