Interview : „Haben wir denn eine Verkehrspolitik?“

Truck cargo car lorry highway road drive transport trailer transportation transit traffic vehicle Mount mountain landscape countryside Alps summer rural delivery logistic sky cloud Europe Austria Swizterland truck cargo car lorry highway road drive transport trailer transportation transit traffic vehicle mount mountain landscape countryside alps summer rural delivery logistic sky cloud europe austria swizterland
© Rumir - stock.adobe.com

dispo: Herr Klacska, wie schlimm wirkt sich CoVid-19 auf die Transportwirtschaft aus?

Alexander Klacska: Im Grunde hat für die Branche eine neue Zeitrechnung begonnen. Während des Lockdown entstand in der Öffentlichkeit ja das Bild, dass zwar alles stillsteht – die Gastronomie, der Tourismus, der Kulturbereich –, dass der Transport aber ganz normal funktioniert. Tatsächlich ist die Transportwirtschaft von der Pandemie aber stark betroffen. Im Branchenschnitt liegen die Transportmengen derzeit zwischen zehn und 15 Prozent unter den Werten des Vorjahres. Wer in schwer betroffenen Kundensegmenten tätig ist, hat deutlich drastischere Einbußen zu verkraften. Die Werte davor werden wir frühestens 2022, eher erst 2023 erreichen.

Probleme gab es aber schon vor Corona.

Klacska: Ja, spätestens seit dem dritten oder vierten Quartal war sichtbar, dass die Zeiten konjunkturell herausfordernd werden. Es war absehbar, dass sich das Wirtschaftswachstum abflacht. Wir wussten, dass da etwas auf uns zukommt, und das hat sich mit Corona nicht multipliziert, sondern eher potenziert.

Und wie kommt die Branche da wieder heraus?

Klacska: Derzeit geht es für die Transportwirtschaft vor allem darum, Gesundheitsmaßnahmen, Klimaschutz und Wirtschaftspolitik unter einen Hut zu bringen. Es gibt ja eine Reihe an entsprechenden Investitions- und Fördermöglichkeiten, vor allem in Richtung Klimaschutz. Ich sehe allerdings die Gefahr, dass gut gemeinte Förderungen zum Teil gar nicht ankommen können.

Zum Beispiel wo?

Klacska: Ein Unternehmer, der die Förderung für einen Elektro-Lkw in Anspruch nehmen will, scheitert daran, dass ihm der Hersteller mitteilen muss, dass die derzeit gar nicht produziert werden. Drei Unternehmen, die gemeinsam in der Feinverteilung Elektro-Lkw einsetzen wollen, scheitern daran, dass der benötigte Stromanschluss erst in vier Jahren installiert werden kann. Beide Beispiele stammen aus der jüngsten Zeit. Die Politik agiert beim Thema Dekarbonisierung des Verkehrs zu sehr an der Oberfläche. Wir stecken im Dilemma, dass Technologie gefördert wird, die nicht verfügbar ist. Und dass die Technologie, die verfügbar ist, ignoriert wird. Dieser Zustand führt auch dazu, dass die Transportwirtschaft in den Bonitäts-Rankings als Risikopatient gehandelt wird.

Ernsthaft?

Klacska: Ja, die Rating-Agenturen stufen uns als Risikosektor ein, was für mich völlig unverständlich ist. Gerade während des Lockdown hat man gesehen: Der Sektor musste funktionieren, und er hat funktioniert. Andernfalls hätte ganz Europa nicht mehr funktioniert.

Und wie erklären Sie sich diese Einschätzung?

Klacska: Derzeit kann nur der Dieselmotor in einem wirtschaftlich sinnvollen Business Case dargestellt werden. Es gibt aber einen gewissen Druck, in andere Technologien zu investieren, die entweder nicht verfügbar sind – oder aber so teuer sind, dass man es ökonomisch nicht mehr darstellen kann. Das ist in meinen Augen der Hauptgrund.

Sie lasten das also der Politik an.

Klacska: Ja. Die nationale wie auch die europäische Tendenz ist, Diesel prinzipiell nicht mehr zu fördern. Das führt zu zunehmend veralteten Fuhrparks, zu niedrigen Investitionsniveaus und damit zu einem Zustand, der dem Klima nicht nützt. Langfristig gute Ziele werden mit kurzfristig falschen Maßnahmen angegangen. So werden Klima und Wirtschaft leiden.

Der Dieselmotor wird unter seinem Wert geschlagen?

Klacska: Die Politik hat sich völlig zurecht zum Ziel gesetzt, den Dieselmotor abgasarm zu machen. Wir hatten Probleme mit Feinstaub, mit SO2, NOx und CO. All diese Emissionen wurden um mehr als 90 Prozent reduziert, zum Teil um bis zu 98 Prozent. Diese Themen sind im Grunde erledigt, der technologische Fortschritt ist weitergegangen. Und der Diesel wird noch weiterentwickelt werden.

Wir haben aber auch große Potenziale bei den gasbetriebenen Fahrzeugen, ebenso beim Thema Biogas-Beimengung. Hier muss die Politik endlich über ihren Schatten springen: Biogas zum Beispiel müsste man auch wieder ins Netz einspeisen können – nicht das Molekül ist ‚grün‘, sondern die Gesamtbilanz muss grüner werden. Im Verkehrsbereich wird immer nur am Auspuff gemessen, die Gesamtbilanz wird viel zu selten betrachtet. Aber nur dann ist die Betrachtung des Weltklimas auch ehrlich gemeint. Ich unterstelle sogar den Grünen, dass immer nur die heimische Bilanz zählt. Die Bedingungen, unter denen etwa Silizium für Batterien gewonnen wird, scheinen egal zu sein.

Sie haben sich von der ersten grünen Verkehrsministerin gewünscht, sie möge Argumenten gegenüber offen sein. Hört Ihnen die Politik zu?

Klacska: Haben wir denn eine Verkehrspolitik? Ich erlebe eine durchaus engagierte Klimaschutz-Ministerin, die sich zum Thema Verkehr allerdings auffallend selten äußert. Wir stehen als Branche zu hundert Prozent zum Thema Klimaschutz. Und wir stehen auch zu verbindlichen Zielen. Die erreicht man aber nicht, wenn man den dritten Schritt vor den beiden ersten setzt. So stolpert man bekanntlich nur über die eigenen Füße. Mit den vorhandenen Technologien ist der dritte Schritt aber noch nicht erreichbar. Und gleichzeitig gibt es so viele Möglichkeiten für erste und zweite Schritte!

Welche Schritte zum Beispiel?

Klacska: Elektrisch betriebene Kleintransporter dürfen beispielsweise aufgrund der schweren Batterie ein höchst zulässiges Gesamtgewicht von mehr als 3,5 Tonnen erreichen. Damit darf man sie aber nur mit Lkw-Führerschein fahren, und diese Fahrer sind bekanntlich Mangelware. Gewerberechtlich sind Sie mit solchen Fahrzeugen außerdem konzessionierter Transportunternehmer – mit dem ganzen Rattenschwanz an bürokratischen Folgen. Daher kaufen die Unternehmen diese Fahrzeuge nicht. Zwei Kleinigkeiten, die man in einer einzigen Parlamentssitzung erledigen könnte. Aber wenn man Verkehr verunmöglichen will, soll man das auch so benennen.

Fühlen Sie sich von der europäischen Politik besser unterstützt?

Klacska: Die Regelungen im Verkehrssektor sind in Europa leider oft nicht einmal der kleinste gemeinsame Nenner, sondern der größte gemeinsame Unsinn. Ein Klassiker ist das Verbot für Lkw-Fahrer, am Wochenende in der Fahrerkabine zu schlafen. Wie man derartiges beschließen kann, begreife ich einfach nicht. Das kann nicht funktionieren, und bei den vielen Gesprächen in Brüssel hat uns eigentlich jeder recht gegeben. Ich habe auch ein wenig das Gefühl, dass die Gewerkschaften vergessen haben, wen sie vertreten. Sie befürworten Maßnahmen, die die Situation für ihre Mitglieder nicht verbessern. Die Unternehmen tun wirklich viel in dieser Hinsicht – aber ich frage mich zunehmend, was die Arbeitnehmervertretungen hier vorzuweisen haben.

Sie wurden im Sommer für eine dritte Amtszeit als Bundesspartenobmann gewählt – statutengemäß die letzte. Manche Politiker nutzen letzte Amtszeiten, um endlich zu sagen, was sie denken.

Klacska: Wie Sie wissen, hatte ich damit noch nie ein Problem. Was allerdings passieren kann, ist, dass sich die Wege der Kommunikation ein wenig verändern. Ich war immer jemand, der zunächst hinter verschlossenen Türen – lösungsorientiert – diskutiert hat und der Forderungen eher nicht über die Medien ausgerichtet hat. Und das hat in den vergangenen Jahren auch wirklich gut funktioniert. Ich habe allerdings keine Lust mehr darauf, Selbstgespräche zu führen. Vielleicht werden wir gezwungen sein, etwas öffentlicher mit Partnern und mit Medien zu diskutieren.