Interview : „Ich erwarte von der Politik schon etwas kreativere Ansätze“
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dispo: Herr Klacska, wenn wir demnächst wieder eine Bundesregierung haben, die auch politische Entscheidungen treffen kann – mit welchen Themen werden Sie denn vor der Türe stehen?
Alexander Klacska: Da fällt uns schon einiges ein. Zunächst geht es um die Einlösung eines Versprechens, das bereits Bundesminister Stöger gegeben hat: Mittel aus den Einnahmen von externen Kosten der Branche wieder zuzuführen. Und zwar zweckgebunden für Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen. In dieses Thema haben wir viel Expertise gesteckt und gute Konzepte vorgelegt. Und es gab das Commitment seitens des Verkehrsministeriums, des Finanzministeriums und des Bundeskanzleramts, dass diese Förderung in der zweiten Jahreshälfte 2019 ins Leben gerufen werden soll. Dieses Thema brennt wirklich unter den Nägeln. Aus- und Weiterbildung ist einer der zentralen Hebel bei der Bekämpfung von Fach- und Arbeitskräftemangel.
Ein noch größeres Projekt ist in meinen Augen die Weiterentwicklung des Lehrberufs Lkw-Lenker hin zum „Truck Operator“. Wir haben ja die absurde Situation, dass man zwar mit 15 Jahren in die Lehre einsteigen kann, aber bis zum Abschluss keinen Führerschein machen darf. Wir wollen einen zweijährigen Lehrberuf ab 16, und innerhalb des zweiten Lehrjahres wird die Führerscheinausbildung gemacht – ein „Lkw17“ ähnlich dem L17. Eine klassisches Duale Ausbildung also.
Das geht auch in Richtung neuer Zielgruppen?
Klacska: Natürlich wäre das auch ein Signal etwa in Richtung unbegleiteter Jugendlicher mit Aufenthaltsstatus, die in den Arbeitsprozess zu integrieren teilweise sehr schwierig ist. Und selbstverständlich ein Signal in Richtung der Hälfte der Gesellschaft, die für diesen Beruf fast gar nicht zu gewinnen ist. Hier müssen wir wirklich sehr schnell handeln: Auf der einen Seite kommen fast keine Jugendlichen mehr nach, auf der anderen Seite werden wir in den nächsten zehn Jahren bis zu 30 Prozent unserer Mitarbeiter durch Pensionierung verlieren. Das ist übrigens ein Problem der gesamten Mobiltätsbranche: Es betrifft genauso Zugführer, Staplerfahrer, Busfahrer.
Das Image des harten und relativ schlecht bezahlten Jobs bleibt aber ein Problem?
Klacska: Unser Sozialpartner wirft uns ja gerne die schlechte Bezahlung vor. Wir sehen aber an den Lebensläufen, dass viele Menschen zu uns kommen, die etwas ganz anderes gelernt haben und gerade wegen der Arbeitsbedingungen und der Bezahlung kommen. Und die bei uns auch in Pension gehen. So schlecht kann das Gesamtpaket also nicht sein. Zudem sind rund 80 Prozent der Transporte innerhalb Österreichs Regionalverkehre, es geht also um ganz normale, geregelte Jobs, bei denen auch Teilzeitlösungen möglich sind.
Ihre Branche steht auch mitten in der Klima-Diskussion. Vor allem die CO2-Steuer wird immer wieder ins Spiel gebracht.
Klacska: Ja, und die meisten meinen damit eine Erhöhung der Mineralölsteuer. Aus meiner Sicht wäre das ziemlich wirkungslos – wenn das Rindfleisch per Schiff oder Flugzeug aus Brasilien kommt, ist die Höhe unserer MÖSt ziemlich egal. Da erwarte ich von der Politik schon etwas kreativere Ansätze. Die Bundessparte Transport und Verkehr hat dazu einen detaillierten Maßnahmenkatalog erstellt, und die Wirksamkeit der einzelnen Maßnahmen wurde vom Umweltbundesamt gerechnet. Die österreichische Klima- und Energiestrategie #mission2030 sieht für den Verkehrssektor ja einen CO2-Reduktionsbedarf von 7,2 Millionen Tonnen – mit unseren Maßnahmen halten wir bereits bei 6,6 Millionen Tonnen, und dabei sind noch gar nicht alle quantifiziert. Ich glaube allerdings, dass wir weiter in die Zukunft blicken sollten.
Inwiefern?
Klacska: Alle diskutieren jetzt die Klimaziele 2030, aber wir blicken eher in Richtung 2050. Natürlich wollen auch wir die 2030er-Ziele erreichen, aber uns ist wichtig, dass die Planungssicherheit erhalten bleibt. Bei gasbetriebenen Fahrzeugen brauchen wir als Unternehmer mindestens einen Investitionszyklus Sicherheit. Bei wasserstoffbetriebenen mindestens zwei. Hier sind die Betriebskosten entscheidend. Ich muss also wissen, ob etwa gasbetriebene Fahrzeuge von der Maut befreit werden – und welcher Korridor für eine schrittweise Angleichung danach geplant ist. Ich will als Frächter spätestens 2023 wissen, wie mein Fuhrparkmix 2030 aussehen wird. Das sage ich auch jedem Politiker, ob er es hören will oder nicht. Die Diskussion ist leider auch immer wieder von Un- und Halbwissen geprägt.
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Zum Beispiel?
Klacska: Nehmen Sie etwa das Märchen vom Dieselprivileg. Für den gewerblichen Verkehr gibt es das ganz einfach nicht, auch wenn es immer wieder behauptet wird. In fast allen Ländern rund um Österreich erhält der gewerblich tankende Unternehmer pro Liter Diesel bis zu 20 Cent von der Mineralölsteuer refundiert – und landet damit ungefähr beim österreichischen Netto-Preis. Diese Rückvergütungssysteme gibt es, weil wir in Europa durchaus einen Wettbewerb der Mineralölsteuer-Einnahmen haben. Und auf diese Milliarden will niemand verzichten. Wie man die CO2-Steuer – sprich: MÖSt-Erhöhung – für das Alleinheilmittel halten kann, erschließt sich mir also nicht.
Kann es sein, dass in der gesamten Maßnahmen-Diskussion generell nicht besonders mutig gedacht wird? Bräuchte es nicht grundlegendere Ansätze?
Klacska: Davon bin ich überzeugt. Nehmen Sie etwa das Thema Platooning. Will man dessen Potenzial wirklich nutzen, muss man sehr weit über den eigenen Schatten springen. Ich glaube nicht daran, dass Platoons auf der rechten Spur unserer Autobahnen sinnvoll eingesetzt werden können, dafür liegen etwa die Auf- und Abfahrten viel zu nahe beieinander. Platoons gehören auf die linke Spur, auf eine reine Lkw-Spur. Wenn wir solche Rahmenbedingungen bekommen, dann haben wir in einem halben Jahr Platoons in Österreich. Ähnliches gilt für die Transitverkehre zum Beispiel in Tirol: Warum kann man die nicht auf der linken Spur hindurchleiten?
Die Diskussion könnte aber lustig werden.
Klacska: Die Aufgabe der Politik besteht auch darin, den Menschen zu erklären: Gewisse Vorteile kann man nur nutzen, wenn man radikal Neues zulässt.
Beinhaltet das auch eine Diskussion über Gigaliner?
Klacska: Damit haben Sie jetzt angefangen. Aber ja: Beim Transit-Thema können auch Gigaliner sinnvoll sein. Wir müssen wirklich jede Chance ergreifen, um das Problem der wachsenden Güterverkehre, auch der alpenquerenden, zu entschärfen. Dazu gehört, dass wir möglichst viel Fracht auf die Schiene bekommen. Wir müssen uns auch der Diskussion stellen, ob wir nicht reine Güterbahn-Trassen brauchen. Die Zeitfenster, in denen Güter auf diesem hochkomplexen System befördert werden können, werden tendenziell eingeschränkt. Nebenbei: Auch der Bahnstrom ist in Österreich eindeutig zu teuer.
Der Chef der bösen Frächterlobby will die Bahn fördern?
Klacska: Natürlich, ohne Bahn geht es nicht. Gerade die Situation in Tirol ist doch der Paradefall. Tirol hat ja kein Umwelt- sondern ein Mengenproblem. Ich gehe so weit zu sagen: Nur die Bahn kann die Probleme der österreichischen Frächter lösen. Dazu gehören allerdings auch neue Kapazitäten, um Güter umschlagen zu können. Deshalb predige ich ja auch seit Jahren den Infrastruktur-Fonds für kritische Infrastrukturen in Österreich und in Europa – denn gerade der Schienengüterverkehr benötigt auch Verbesserungen außerhalb Österreichs.
Zeigt Ihr Predigen Wirkung?
Klacska: Unsere Konzeption ist abgeschlossen. Wir haben das Konzept auch Banken vorgelegt, und die haben sich durchaus interessiert gezeigt. Mit der neuen Bundesregierung werden wir in die intensiveren Diskussionen darüber einsteigen.