Verteilzentren : Ist der Wiener Leerstand gut für die KEP-Logistik?

Was tun, wenn sich eine Räumlichkeit nicht wirklich für ihren ursprünglichen Nutzen eignet? Sich nach Alternativen umsehen. Erdgeschoßwohnungen in Großstädten sind verständlicherweise nicht sehr beliebt, viele Leerstände sind daher speziell auf dieser Ebene zu verzeichnen.

Wie hoch der Leerstand in Wien – oder jeder anderen Großstadt – ist, kann nicht annähernd genau gesagt werden. Vor knapp einem lagen die Schätzungen zwischen 30.000 und 100.000 leerstehenden Wohnungen in Wien. 2015 sprach die Stadt selbst anhand eines Rechenmodells von 25.000 Wohnungen, die bis zu zweieinhalb Jahre keine Wohnsitzmeldung aufwiesen, und weiteren 10.000 Wohnungen, die bereits noch länger leer standen.

Die Gründe für solche Nichtnutzungen sind etliche. Oft ist es aber tatsächlich die Unzumutbarkeit als Wohnplatz. Erd- und Kellergeschoße bieten den meisten Menschen zu wenig Tageslicht, eine zu hohe Lärm- und Staubbelastung durch direkt vorbeiziehende Autos, und sind schwerer zu heizen.

Diesen Fakten gegenüber steht eine ganz andere Situation in einer ganz anderen Branche: die Logistik in der KEP-Industrie. Mehr als 62 Millionen Pakete werden pro Jahr alleine in Wien zugestellt – das sind 170.000 täglich, Stand 2016 –, und die Tendenz ist bekanntlich steigend. „Wir rechnen mit einem Anstieg von 18 Prozent jährlich“, sagte kürzlich Davor Sertic, Obmann der Sparte Transport und Verkehr bei der WKO.

Um durch so klar und stark steigendende Paketaufkommen nicht den Verkehr in der Stadt noch mehr zu belasten – zumal die Zusteller selbst unter den Staus zu leiden hätten und an Verlässlichkeit einbüßen müssten –, braucht es neue Logistikkonzepte und Tourenplanungen.

Eine bereits bei vielen Experten Anklang findende Idee ist, große Verteilzentren am Stadtrand anzusiedeln und kleiner in der Stadt. Extra große Fahrzeuge verkehren zwischen diesen beiden Punkten und minimieren somit die Häufigkeit der Fahrten. Von den kleineren Verteilzentren fahren dann auch nur mehr kleinere Vehikel auf Endzustellung – also etwa Lastenfahrräder oder kleine E-Fahrzeuge.

Genau beim Punkt der kleinen Verteilzentren in der Stadt treffen wir wieder auf das Thema Leerstand. Leer stehende Geschäftslokale oder Erdgeschoßwohnungen könnten als solche Mini-Drehscheiben – oder Grätzel-Pakethubs, wie sie auch gerne genannt werden – herhalten. Ein mögliches Problem bei dieser Idee könnten allerdings die Mietkosten werden, so Sertic, die ja in der Stadt bekanntlich nicht so niedrig sind – selbst nicht bei solchen Flächen, die ansonsten Jahre lang unvermietet bleiben.

Wien wäre freilich nicht die erste Stadt mit dieser oder einer ähnlichen Idee. In New York gibt es schon seit Jahren Bemühungen, die steigende Zahl an leerstehenden erdgeschoßigen Geschäftslokalen als Lager und Logistikzentren zu nutzen. Auch hier zeigt sich allerdings oft das Schreckgespenst Miethöhe. Wie Edward Helmore vom Guardian schreibt, sei nicht Amazon, wie oft vermutet, der Grund für den wachsenden Leerstand, sondern die satten Mietpreise.

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