IoT und AI : „Jetzt fangen die Probleme erst an“

Auf der Sigfox Connect, einer Expo in Berlin ganz im Zeichen von IoT, kann im fahlen Licht der zum Abendessen angebotene Tintentisch schon einmal aussehen wie Hühnerfilet – und für einen Moment kann die üppige Kräutermarinade auch darüber hinwegtäuschen, dass man sich gerade etwas auf den Teller geschaufelt hat, das man eigentlich gar nicht wollte. Aber eben nur für einen Moment.

Dann bricht der zweite Tag der Messe in der Arena Berlin an und bei anderem Licht stellt sich eine verwandte Frage: Ist das Gute noch zu unterscheiden vom Bösen – können wir den Nutzen von IoT und AI vom möglichen Schaden trennen? Oder haben wir uns etwa einen Tintenfisch aufgeladen, den wir für Hühnchen hielten und den wir jetzt nicht mehr loswerden können?

Geht es nach dem Futurismus-Experten Gerd Leonhard, ist bei IoT und AI das Gute unweigerlich mit dem Bösen verknüpft – wenn wir nicht aufpassen. „Es könnte der Himmel sein – oder aber die Hölle.“ Er nimmt dabei keine ernste Stimme an wie ein alle Technologie verdammender Prediger, sondern grinst vielmehr ins Publikum. Denn es ist dieses zum größten Teil aus Fachleuten bestehende Publikum, an das Leonhard hier in Berlin appelliert. „Wir alle sind im Begriff, eine neue Meta-Intelligenz mit IoT und Künstlicher Intelligenz zu bauen. Wir sind wahrscheinlich sogar die letzten Menschen jemals, die noch wissen, was es bedeutet, offline zu sein. Aber wenn alles online ist, alle Daten, wer ist dann dafür verantwortlich?“

Es ginge nicht mehr darum, ob IoT funktioniert, sondern darum, was nach dem Funktionieren kommt. Leonhard schlägt Facebook als Beispiel vor – Facebook als Algorithmus. „Jetzt, wo Facebook so funktioniert wie es funktionieren soll – jetzt fangen die Probleme damit erst an.“ Denn bisher habe sich niemand verantwortlich dafür gefühlt, einen ethischen Umgang mit Daten zu gewährleisten – am allerwenigsten die Genies, die das einfache Datensammeln online überhaupt erst möglich gemacht haben. Doch damit müsse nun Schluss sein. „Weil“, so Leonhard, „es geht immer mehr um Vertrauen. Denn auch die Daten, die Menschen preisgeben, werden immer vertraulicher.“ Der Experte für IoT meint speziell Gesundheits- und Finanzdaten. Und genau hier – beim Vertrauen – kämen Internet-Unternehmen ins Spiel. Die Positionierung eines Unternehmens in der Frage von digitaler Ethik werde ab nun entscheidend sein und ein Schlüsselfaktor im Wettbewerb.

„Wenn wir alles vernetzen, müssen wir uns in unseren Geschäftsmodellen auch um die Externalitäten der Vernetzung, um die Konsequenzen kümmern.“ Also Datensicherheit, Kontrolle, digitale Rechte, Privatsphäre, die Frage der Verantwortlichkeit und Haftung, um nur ein paar zu nennen. Und es würde sicher auch keinen Sinn machen, sich aufgrund dieser Herausforderungen ganz aus dem Spiel herauszuhalten. „Denn Daten sind das neue Öl, AI ist die neue Elektrizität und IoT das neue Nervensystem“, erklärt Leonhard plakativ und ohne einen Anflug von Zweifel an seinen eigenen Worten. „Und Big Data, Clouds, IoT, AI, Quantum-Computing, Blockchain, 3D-Druck, und Virtual, Augmented und Mixed Reality sind die Gamechanger. Hier sehe ich ganz große Veränderungen in den herrschenden Geschäftsmodellen.“

Auch wenn er größtenteils optimistisch klingt – „wo auf der einen Seite Jobs wegfallen, entstehen auf der anderen Seite ganz neue Jobs“ –,spart Leonhard nicht mit Warnungen. „Bis 2030 werden Nordamerika und China die größten Gewinne durch AI erzielen.“ Die Situation sei wie ein Goldrausch. Und wer kümmert sich um Datenethik? „Momentan vor allem das Silicon Valley und in einem gewissen Ausmaß China. Das kann für uns hier in Europa nicht gut sein. Wir brauchen unsere eigene Mission Control.“

Datensicherheit und die Verantwortung dafür werden auch und gerade beim Supply Chain Management, das vermehrt auf Tracking und Datensammeln setzt – auch darum geht es hier auf der Sigfoxconnect – eine Rolle spielen. Gerd Leonhard ist bei weitem nicht alleine mit derlei Ankündigungen und Aufforderungen. Erst gestern, Mittwoch, beschuldigte Tim Cook, CEO von Apple, auf einer Konferenz in Brüssel verschiedene Silicon Valley-Technologiegiganten, die Daten ihrer Kunden nicht richtig zu behandeln und forderte gleichzeitig Internet-Unternehmen auf, Verantwortung für solch heikles Gut wie persönliche Daten zu übernehmen. „Beschönigen wir die Sache nicht“, so Cook. „Unkontrollierte Nutzerdaten sind Überwachung. Und hier sollte uns wirklich unwohl werden.“ Mindestens so unwohl wie nach Tintenfisch-Huhn.

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