Interview : „Langfristig wird Elektromobilität die Zukunft sein.“
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Was genau ist Ihr Aufgabengebiet als Project Manager bei AIT?
Das ist relativ vielfältig und hängt von der Projektphase ab. Als Project Manager ist meine Hauptaufgabe die inhaltliche Koordination des Projekts. Aber ich kümmere mich auch um die formellen Aspekte wie die vertraglichen und finanziellen Verpflichtungen sowie die Verfolgung der Zielerreichung und die Berichtslegung. Darüber hinaus sind auch die Kommunikation im Projektteam, mit dem Fördergeber und die Abstimmung mit anderen interessierten Stakeholdern von zentraler Bedeutung. Dabei geht es um die Vermittlung der Projektziele und Inhalte sowie – im Fall von EMILIA - der breiteren Thematik der urbanen Güterlogistik, und um das Beantworten von Anfragen zum Projekt selbst.
Was ist Ihre Vorgehensweise bei der Erstellung eines neuen Logistikkonzepts?
Im Projekt EMILIA startete das Team mit einer Desktoprecherche, welche Trends sich derzeit im Logistikbereich abzeichnen und welche Herausforderungen es für Dienstleister in der Branche gibt. Als nächstes haben wir mögliche Konzepte oder Konzeptideen erarbeitet. Es wurden die Randbedingungen bei den Projektpartnern erhoben, das bedeutet z.B., dass herausgefunden wurde, welche Infrastruktur bei den Anwendungspartnern vorhanden ist. Weitere Fragen waren: Welche Fahrzeuge sind vorhanden, welche Routen werden gefahren? Welche Paketgrößen und Volumina werden zugestellt? Es ging darum, den Ist-Zustand zu erfassen und dann zu sehen, welche von den angedachten Konzepten einsetzbar und sinnvoll wären. Danach wurden aus der Liste an möglichen Konzepten die vielversprechendsten in die engere Auswahl gezogen und operativ ausgearbeitet. Sprich: Wie kann es in der Praxis wirklich funktionieren, wenn wir eine spezielle Route oder einen Prozess auf Elektromobilität umstellen.
Wie lange dauert der Prozess vom Beginn der Erstellung eines Konzepts bis zum Zeitpunkt der Fertigstellung?
Das kann vollkommen verschieden sein. Es kann seine Zeit dauern, vor allem, wenn man versucht, umfassend Input einzuholen – auch von externen Quellen. Die Erstellung der EMILIA Konzepte hat über ein Jahr gedauert.
EMILIA soll zeigen, dass der Einsatz von E-Fahrzeugen in der urbanen Güterlogistik technisch möglich ist. Welche Ziele verfolgt das Projekt noch?
Einerseits will EMILIA zeigen, dass Konzepte mit Elektromobilität funktionieren, d.h. dass die Fahrzeuge ausreichende Reichweite und ausreichendes Ladevermögen haben, und die im Projekt optimierten technischen Komponenten (elektrische Motoren, Umrichter) funktionell und zwecktauglich sind. Es sollen auch die eventuell notwendigen Umstellungen bei den Prozessen aufgezeigt werden. Zweitens soll die Wirtschaftlichkeit analysiert werden, das heißt, ob und unter welchen Voraussetzungen sich neue Konzepte im Vergleich zum Status Quo rechnen können. In puncto Analyse wird auch eine ökologische Bewertung durchgeführt, denn letztendlich soll der Umstieg auf Elektromobilität – auch in der städtischen Logistik - dazu beitragen, den Energieverbrauch sowie CO2-Emissionen zu senken. Der dritte wichtige Punkt ist, dass alles auch real demonstriert werden soll. Dass sich das Projekt also nicht nur auf eine Desktoprecherche oder Simulation am Computer beschränkt, sondern die erarbeiteten Konzepte auch wirklich in einer Demonstrationsphase umgesetzt werden. Dafür werden die Konzepte, die Fahrzeuge mit optimierten Antriebsstrangkomponenten und die entwickelte Software, die den gesamten Prozess unterstützt, in Kombination eingesetzt. Diese Phase ist sehr wichtig, um das Erreichte sichtbar zu machen, vor allem für Endnutzer und Interessenten.
Wie sieht das erste Feedback von Zulieferern wie Billa oder DPD aus?
Zu diesem Zeitpunkt sind die Demophasen mit Billa oder DPD schon abgeschlossen. Das Feedback war sehr positiv, alle Zustellungen wurden innerhalb der geplanten Zeitfenster geschafft. Besonders Billa zeigt sich interessiert, das Konzept weiterzuentwickeln, denn es unterstützt einen möglichen zukünftigen Geschäftsprozess, welcher zur Geschäftsentwicklung und dem Online-Einkauf passt. DPD hat im Rahmen des Projekts den sogenannten City-Hub in der Seestadt Aspern eröffnet. Das ist ein Standort, der einerseits als Umschlagplatz für die Lieferungen dient, d.h. die Lieferungen werden mit Elektrotransportern angeliefert, abgelagert und auf dem letzten Wegstück mit Lastenfahrrädern verteilt. Der Standort fungiert andererseits auch als eine Paket-Abhol- und Abgabestation. So hat DPD zusätzlich auch eine Präsenz in Aspern und der Standort erfüllt somit eine doppelte Funktion – hier ist das Feedback ebenfalls sehr positiv gewesen.
Gibt es bereits andere Zulieferer, die Interesse am Projekt geäußert haben?
Wir haben schon Anfragen aus dem akademischen Bereich erhalten, ob es beispielsweise wissenschaftliche Papers zu den erarbeiteten Konzepten gibt. Zudem haben wir auch eine Anfrage von einem Möbelhersteller gehabt, hier hat sich dann herausgestellt, dass die Fahrzeuggröße nicht passend war (lacht). Aber man hat gemerkt, dass das grundsätzliche Interesse an der elektrischen Auslieferung von Paketen und Gütern bei vielen Logistikern da ist.
Am AIT wurde für EMILIA ein Planungstool entwickelt, welches die bestmögliche Auslastung der Lastenräder und eine Minimierung der Wegzeiten gewährleisten soll. Wie funktioniert dieses Tool?
Der Knackpunkt waren die unterschiedlichen Anforderungen der im Projekt involvierten Logistikanbieter an ihre jeweiligen Logistik-Konzepte. Das Tool sollte beispielsweise bei der Auslieferung von Lebensmitteln via Fahrrad die Ladekapazität des Fahrzeugs, die Dauer der Zustell-Zeitfenster, die Standorte der Filialen oder auch die durchschnittliche Geschwindigkeit, die gefahren wird, berücksichtigen. Aus diesen und anderen Informationen berechnet das Tool dann, welches Fahrrad zu welchem Zeitpunkt wo sein soll. Auf der Smartphone-App wird dem Fahrer das Routing sichtbar gemacht, sprich, wann, beziehungsweise wo der nächste Halt ist, und wo er welche Pakete abliefern muss. Das Tool selbst ist ein Algorithmus im Computer, der optisch nicht viel hergibt. Erst in der App wird das Ganze „lebendig“.
Wird auch die aktuelle Verkehrssituation miteinbezogen?
Es ist im Prinzip ein Routing, wie man es von einem Navigationssystem oder von Google Maps kennt. Momentan bezieht es noch keine Echtzeit-Verkehrsinformationen mit ein. Darauf lag im Projekt auch nicht der Fokus. Sondern eher auf einer Optimierung hinsichtlich der Nutzung von Radwegen, dass man als Radfahrer beispielsweise dort, wo es erlaubt ist, auch gegen Einbahnen fahren kann. Für einen Zulieferer war beispielsweise wichtig, dass dieselben Kunden regelmäßig zur selben Uhrzeit mit dem gleichen Fahrer beliefert werden - solche spezifischen Bedingungen werden dann ebenfalls vom Algorithmus miteinbezogen.
Elektrofahrzeugen kreidet man häufig negativ an, dass diese eine zu kurze Reichweite aufweisen. Mit einem neuartigen Motor und Antriebsumrichter konnten Sie beim Emilia-Projekt die Fahrzeugreichweite um 15 % erhöhen. Ist in naher Zukunft eine noch höhere Reichweite möglich?
Die 15 % Reichweitensteigerung im Speziellen sind auf eines der beiden EMILIA-Fahrzeuge bezogen, für das ein Motor und ein Umrichter entwickelt wurden. Die erzielten Steigerungen wurden rein durch die verbesserten Wirkungsgrade der neuen Komponenten bewerkstelligt. Die im Fahrzeuge bereits vorhandene Batterie bleibt unangetastet. Allgemein, was die Reichweite von Elektrofahrzeugen angeht, würde ich die Frage mit einem klaren „Ja“ beantworten. Reichweitenerhöhung ist auf jeden Fall noch möglich. Da gibt es zwei oder drei Hebel: Erstens durch die Batterie selbst. Die Energiedichte, also wieviel Energie in ein gewisses Volumen reingepackt werden kann, bessert sich von Jahr zu Jahr. So gut wie alle großen Automobilhersteller haben außerdem elektrische Modelle angekündigt, die in naher Zukunft auf den Markt kommen. So langsam fängt die Elektromobilität also (wieder!) an, Fuß zu fassen, wie das vor über einhundert Jahren schon einmal der Fall war (lacht). Die Energieeffizienz, etwa über Leistungselektronik und Motoren, aber auch Heiz- und Kühlkonzepte, sind Punkt 2. Der dritte Punkt wäre schließlich noch der „Leichtbau“. Leichtere Fahrzeuge benötigen weniger Energie im Fahrbetrieb, trotzdem sollen sie robust und sicher im Straßenverkehr sein.
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Sind Elektrofahrzeuge die Zukunft der Mobilität? Ein anderer Kandidat sind die Brennstoffzellenfahrzeuge, was wird sich durchsetzen?
Brennstoffzellenfahrzeuge gehören grundsätzlich zur Familie der Elektrofahrzeuge: Sie besitzen nämlich auch einen Elektromotor, der Energieträger ist nur ein anderer – Wasserstoff anstatt eines chemischen Batteriespeichers. Meiner Meinung nach wird die Elektromobilität langfristig die Zukunft sein, und zwar aus zwei Gründen. Erstens weil der Wirkungsgrad, sprich die Energieeffizienz im Fahrzeug, weitaus höher ist, als jener von Verbrennungsmotoren. Zweitens sind sie lokal emissionsfrei, es gibt keine Schadstoffe die abgegeben werden. Es stellt sich natürlich immer die Frage, welchen Strom-Mix man verwendet, um die Batterie aufzuladen. Je nachdem kann es klimafreundlich sein – oder auch nicht.
Sie haben den VCÖ-Mobilitätspreis für das EMILIA-Projekt erhalten, was bedeutet der Preis für Sie?
Wir freuen uns natürlich sehr über den Preis und die damit verbundene Anerkennung für die Arbeit des gesamten Projektteams - 14 Unternehmen und dutzende Projektmitarbeiter. Gemeinsam mit den beiden anderen Sieger-Projekten wirft der Preis wirft aber auch ein Licht auf die Thematik der urbanen Güterlogistik. Das zeigt, dass es aktuell ein wichtiges Thema ist, weil es uns alle, vor allem uns Stadtbewohner, betrifft. Wir lösen täglich Bestellungen, Lieferungen, Umschläge und damit verbunden eine ganze Prozesskette in der Logistik aus – es passiert also ganz viel, wenn wir mal auf „bestellen“ klicken. Insofern finde ich es gut, dass das mit dem VCÖ-Mobilitätspreis 2017 ins Bewusstsein der Menschen rückt und man sich vielleicht gedanklich mit den verschiedenen Möglichkeiten der Zustellung auseinandersetzt. Denn in Zukunft kann es gut möglich sein, dass man sein Paket regelmäßig mit dem Lastenrad bekommt, anstatt mit dem Dieseltransporter.