LogServ : Logistiker mit Forschergeist
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Die Dimensionen sind respekteinflößend. Der Portalhubwagen kann Brammen mit einem Gesamtgewicht von rund 100 Tonnen transportieren. Und die sind bis zu 450 Grad Celsius heiß. Wer den riesigen PHW 17 einmal in Aktion gesehen hat, versteht, warum LogServ-Geschäftsführer Christian Janecek ihn nicht als Fahrzeug bezeichnen will: „Wir verstehen den Portalhubwagen als Anlage.“
Eine Anlage, die der Logistiker selbst mitentwickelt hat. Angesichts der relativ beengten Platzverhältnisse des Voestalpine-Werks in Linz ist hier an den Transport der Brammen mit dem Zug nicht zu denken, „aber für Portalhubwagen gibt es nur einen sehr eingeschränkten Anbieterkreis“, sagt Christian Janecek, „und das ist natürlich unbefriedigend. Hinzu kommt, dass deren Produkte nicht genau auf unsere Anwendungen ausgerichtet sind“. Also hat sich die LogServ mit dem deutschen Fahrzeughersteller Nordmeyer SMAG Mining & Drilling Technologies zusammengetan und einen Portalhubwagen entwickelt, wie es ihn bisher nicht gab.
Das Antriebskonzept etwa unterscheidet sich fundamental von dem anderer PHW. Anstelle eines diesel-mechanischen erhielt der PHW 17 einen diesel-elektrischen Antrieb, der die laufenden Instandhaltungskosten drastisch vermindern half. Anstelle der üblichen riesigen Reifen auf wenigen Achsen entschied man sich für mehr Achsen und damit kleinere Reifendimensionierung. Die gemeinsame Entwicklung war eine Sache von vielen Monaten, und sie war auch getriggert vom praktischen Know-how der Fahrer, deren Verbesserungsvorschläge permanent einflossen.
Dass die LogServ den Portalhubwagen als Anlage begreift, zeigt auch der Einsatz von Condition Monitoring. Der Status des PHW wird in regelmäßigen Zyklen erfasst, die relevanten physikalischen Parameter werden gemessen und analysiert, Sensoren reagieren mit Warnungen auf Anzeichen von Überbelastung. „Wir betreiben hier echte vorbeugende Instandhaltung“, sagt Christian Janecek, „und das hat zur Folge, dass wir kritische Komponenten nicht nach zuvor definierten Intervallen tauschen, sondern dann, wenn es notwendig ist.“ Neben dem PHW werden auch alle anderen Schwer- und Sonderfahrzeuge am Standort über das Condition Monitoring überwacht.
Ein Logistikdienstleister, der sein schweres Gerät selbst mitentwickelt, ist eher ungewöhnlich. Aber die Linzer Logistik Service ist das in verschiedener Hinsicht.
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Linzer DNA
Gegründet wurde die LogServ im Jahr 2001 als Tochter der Voestalpine Stahl GmbH, und der Linzer Technologie- und Industriegüterkonzern ist bis heute das prägende Element. Am Voestalpine-Standort in Linz betreibt die LogServ die größte Anschlussbahn Österreichs und den eigenen Donauhafen mit leistungsfähigen Umschlaganlagen. Der LogServ kommt in diesem Verbund eine Doppelrolle zu: Einerseits ist das Unternehmen für die interne Logistik am Standort Linz zuständig. Und die erreicht gewaltige Dimensionen: Fast 67 Millionen Gütertonnen wurden hier im abgelaufenen Geschäftsjahr bewegt, davon rund 60 Prozent per Lkw und ein Drittel per Bahn.
Dazu kommen rund 13 Millionen Tonnen Rohstoffe wie Erze und Kohle, die – überwiegend per Bahn und Binnenschiff – aus Europa und Übersee eingehen und von LogServ übernommen und ins System eingeschleust werden. Andererseits obliegt der LogServ auch Versand und Distribution für die gesamte Steel Division der Voestalpine. Outbound – also Fertigware und Nebenprodukte – verließen rund 6,2 Millionen Tonnen den Standort, davon immerhin 16 Prozent mit dem Schiff. Fertigprodukte sind hauptsächlich Stahlcoils und Grobbleche, die an die weltweiten Kunden unter anderem in der Automobilindustrie und im Energiesektor gehen. Ein Teil dieser Transporte – sowohl im Zulauf von Rohstoffen als auch im Versand von Fertigware – wird in Eigenregie über das LogServ-Tochterunternehmen CargoServ durchgeführt. Den Tonnagen entsprechen auch die Umsätze: Im Wirtschaftsjahr 2016/17 erzielte die LogServ mit ihren 900 Mitarbeitern einen Umsatz von knapp 350 Millionen Euro. Rund zwei Drittel davon entfallen auf die Steel Division der voestalpine. (Anmerkung: Die Daten für 2017/18 werden erst kurz nach Erscheinen dieser Ausgabe kommuniziert.)
Forschergeist
Rund ein Drittel des Umsatzes stammt aus dem dritten Standbein der LogServ: der Betreuung externer Kunden, überwiegend aus der heimischen Großindustrie. Dazu zählen neben Kontrakt- und Projektlogistik auch private Eisenbahntransporte, Fuhrparkmanagement, eine eigene Verkehrsakademie, Zolldienstleistungen und umfassende Werkstättenleistungen für Eisenbahninfrastrukur und -fahrzeuge sowie Schwerfahrzeuge.
Womit die LogServ zudem immer wieder auffällt, ist ihre Neigung zu F&E. Der Portalhubwagen ist diesbezüglich wohl die prominenteste Entwicklung, aber es geht in viele Richtungen: etwa ein gemeinsames Projekt mit der Rail Cargo Austria zur Entwicklung eines Güterwaggons in Leichtbauweise. Einen Schwerpunkt setzt LogServ auch auf die Entwicklung von fahrerlosen Transportsystemen. Vor allem die Logistik auf dem Werksgelände soll davon profitieren.
Im März dieses Jahres entwickelte LogServ sogar eine Schneefräse für den Bahnbetrieb. Der „Snow Thrower“ ist in der Anschlussbahn des Kunden RHI Veitsch-Radex im Tiroler Hochfilzen im Einsatz. Die nicht selbstfahrende Schneefräse wurde nach Vorgaben des Kunden zur Gänze von den Experten in der hauseigenen Waggonwerkstätte entwickelt.
„Logistik ist der Enabler“
LogServ-Geschäftsführer Christian Janecek über Steine im Weg der Innovation und die Frage, ob das Image der Logistik mit ihrer wachsenden Bedeutung mithält.
dispo: Herr Janecek, wenn von Innovation im Güterverkehr die Rede ist, dann geht es meist um Straßentransport oder Umschlag. Vom Bahnbereich hört man hier viel seltener.
Christian Janecek: Ja, leider. Obwohl dieses Bild überhaupt nicht stimmt. Theoretisch wäre hier schon vieles umsetzbar. Prinzipiell wären sogar fahrerlose Loks bereits möglich. Ich denke, dass der europäische Bahnbereich immer noch massiv von den Befindlichkeiten der einzelnen Staaten geprägt ist, von echter Interoperabilität sind wir noch weit entfernt. Die nationalen Bestrebungen, sich von den anderen abzuschotten, hören leider nicht auf. Und das hemmt alle übergreifenden Thematiken: Irgendwie scheint jedem egal zu sein, was der Nachbar tut.
In anderen Bereichen der Automatisierung ist das besser?
Janecek: Dort gibt es eher rechtliche Restriktionen. Nehmen Sie etwa die autonomen Fahrzeuge im Bereich des Verschubs: Autonome Verschubroboter sind technisch gesehen kein Problem mehr – in der Praxis aber scheitert es oft an Schutzbestimmungen, die im Vergleich zum klassischen Modell mit Fahrer fragwürdig erscheinen. Eine bemannte Werksbahnlok mit voll beladenen Waggons kann auch nicht auf Knopfdruck anhalten, das ist nicht minder gefährlich, wenn jemand die Sicherheitsvorschriften nicht einhält – hier setzt die Gesetzgebung auf den gesunden Menschenverstand. Wäre ein FTS im Spiel, müsste das Einsatzgebiet durch zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen abgeschirmt werden. Man muss doch so ehrlich sein zu sagen: Sie können Menschen nicht zu hundert Prozent vor Fehlverhalten schützen. Sicherheitszonen und ähnliches sind ja auch heute schon vorgeschrieben, und die erfüllen ja auch ihren Zweck.
Digitalisierung bleibt aber trotz diverser Hindernisse der Königsweg?
Janecek: Ja, auch wenn der Begriff natürlich ein schwammiger ist. Wie übrigens auch „Industrie 4.0“. Aber selbstverständlich ist der Einsatz von IT das zentrale Zukunftsthema für uns wie für die gesamte Branche. Die IT ist das stärkste Werkzeug, um Geschäftsprozesse zu streamlinen.
Mit der Voestalpine als Eigentümer und der Automobilbranche als Hauptkunde ist der Innovationsdruck auf die LogServ wohl nicht unbedingt gering?
Janecek: In gewissem Sinne müssen wir zwei Erwartungen erfüllen. Die Steel Division der Voestalpine setzt bei ihren Produkten und Dienstleistungen massiv auf das Thema Qualität und Innovation, und das ist auch bestimmt der richtige Weg. Dieses Bild müssen natürlich auch wir erfüllen. Aber auf Kundenseite gilt anderes: Wenn man etwa Automotive-Kunden beliefert, dann braucht man ordentliche Versorgungsketten, hier gelten höchste Anforderungen an die Logistiker. Bei OEM punktet man ausschließlich mit Versorgungssicherheit.
Für die industrielle Logistik gilt ja das Gleiche wie für die Industrie selbst: Der Faktor Innovation gewinnt stark an Bedeutung, es ist im Grunde der einzige Weg, die Wertschöpfung weiter zu heben. Deshalb sind wir ja so aktiv in Bereichen wie der Fahrzeugentwicklung mit ausgewählten Partnern oder dem immer wichtigeren Thema des Condition Monitoring. Hinzu kommt, dass die Logistik in der Industrie generell an Bedeutung gewinnt. Sie wird immer mehr zum Enabler für die Geschäftsmodelle des Kunden. Das gilt für die Steel Division des Voestalpine-Konzerns, aber es gilt genauso im Handel: Sehen Sie sich Amazon an! Im Grunde ist das doch ein ganz normaler Händler wie das Kaufhaus Steffl in Wien. Der Grund, warum die ganze Welt über Amazon spricht, ist einzig und allein die Tatsache, dass sie ein optimales Logistikkonzept erarbeitet haben.
In der allgemeinen Wahrnehmung der Logistik spiegelt sich das aber nicht immer?
Janecek: Ja, die Bedeutung der Logistik ist in Österreich noch nicht so recht angekommen. Viele denken immer noch, „wer nichts gelernt hat, der arbeitet eben im Lager“. Das hat natürlich Auswirkungen auf die Attraktivität der Logistik als Berufsfeld, und die Folgen sind ja bekannt. Die LogServ hat den Vorteil, das Logistikum in Steyr gewissermaßen vor der Nase zu haben, aber auch wir haben Probleme, ausreichend qualifizierte Mitarbeiter anzuziehen. Dieses Thema wird uns wohl noch eine ganze Weile begleiten. Und angesichts der wachsenden Bedeutung des Logistik-Sektors wird das Problem eher noch zunehmen.