Wirtschaftspolitik : Neuwahl: Das fordern Logistiker von der nächsten Regierung
Aktive Mitgliedschaft erforderlich
Das WEKA PRIME Digital-Jahresabo gewährt Ihnen exklusive Vorteile. Jetzt WEKA PRIME Mitglied werden!
Sie haben bereits eine PRIME Mitgliedschaft?
Bitte melden Sie sich hier an.
dispo: Wo behindert die Politik die Branche - etwa mit gesetzlichen Regelungen?
Franz Staberhofer: Eigentlich behindert die Politik die Branche nicht, sie fördert das Thema Logistik z.B. mit dem Logistik-Beauftragten Franz Schwammenhöfer (bmvit). Das Thema Logistik könnte noch viel besser gefördert werden, wenn Logistik als gesamthafte Disziplin gesehen würde. Aber: es liegt an allen Beteiligten in der Logistik, dieses Bild der Politik zu kommunizieren.
Was müsste aus Sicht des VNL unbedingt in ein neues Regierungsprogramm - natürlich nur branchenbezogen?
Die österreichweite Arbeitsgruppe Logistik im bmvit hat beschlossen, Logistik nicht als Branche zu betrachten, sondern Logistik als gesamthafte Disziplin zu sehen. Die notwendige übergreifende Innovationskraft des bmvit muss besser genutzt werden.
Wie bewerten Sie die jeweilige Wirtschaftspolitik der derzeitigen Regierung?
Sehr gute Ansätze, zu wenig Mut, die egoistischen Interessen der Einzelvertretungen und –gruppierungen zu ignorieren.
Was fördert die Branchenkonjunktur, was bremst sie?
Der Umsatz der verladenden Wirtschaft, also der Auftraggeber und die eigenen Fähigkeiten, ein adäquates Angebotsspektrum zu gestalten.
Was wäre die wichtigste Maßnahme aus ihrer Sicht, um die Branchenkonjunktur anzuschieben?
Die Konjunkutur der Transport- und Dienstleistungswirtschaft hängt vom Umsatz von Industrie und Handel ab. Desweiteren soll sich die Branche nicht als Branche, sondern als Teil der Disziplin Logistik sehen und mit innovativen Lösungen zur Supply-Chain-Exzellenz von Industrie und Handel beitragen.
dispo: Wo behindert die Politik die Branche – etwa mit gesetzlichen Regelungen?
Rainer Will: Ein großer Hemmschuh für die Branche ist die überbordende Bürokratie. Eines von zahlreichen Beispielen: Der überregulierte Arbeitnehmerschutz. Selbstverständlich hat der Schutz der Arbeitnehmer eine sehr hohe Priorität – immerhin ist der Handel mit 22% der unselbständig Beschäftigten der zweitgrößte österreichische Arbeitgeber, seine Mitarbeiter machen ihn aus. Dass jedoch zum Beispiel für die Evaluierung der psychischen Belastungen am Arbeitsplatz ein 5-7-seitiger Bericht pro Filiale erstellt werden muss, steht in keinem Verhältnis: Bei einem filialisierten Unternehmen mit 150 Filialen wird die Redaktion eines über 1.000-seitigen Dokuments verlangt, bei Unternehmen aus dem LEH über 10.000 Seiten. Auch vorgeschriebene bauliche Maßnahmen wie etwa eigens belüftete Toiletten-VOR-Räume machen es dem Handel schwer. Wir fordern hier schon lange den Einbezug von Praktikern, um zukünftig zu zielführenden und zugleich praxisnahen Lösungen zu kommen.
Was müsste aus Sicht des Handelsverbandes unbedingt in ein neues Regierungsprogramm – natürlich nur branchenbezogen?
An oberster Stelle müssten die großen strategischen Themen stehen, das große Ganze, eine Vision für 2022, dem voraussichtlichen Ende der neuen Legislaturperiode. Große gemeinsame Ziele müssen auf kleine verbindliche Maßnahmen heruntergebrochen werden, mit verbindlichen Umsetzungsfristigkeiten – bevor die Koalition entsteht, um Stillstand aus machtpolitischen Gründen zu verhindern.
Wir brauchen das Bekenntnis, dass die Wirtschaft der Motor für die Volkswirtschaft ist. Dazu gehört, unternehmerische Freiheit wieder real werden zu lassen – durch Deregulierung. Ganz konkret: Eine umfassende Strukturreform und Förderalismusreform. Regulative müssen vereinfacht werden, für ein neues Gesetz sind zwei zu streichen (one in – two out). In allen Bereichen, wo Qualität, Soziales und Systemisches nicht gefährdet ist, darf kein Golden Plating betrieben werden: EU-Gesetze sind anzuwenden, aber hierzulande nicht weiter zu verschärfen, damit wir innerhalb der EU konkurrenzfähig bleiben. Darüber hinaus sollten konkrete operativ umsetzbare Themen mit verbindlichen Umsetzungsfristen ins Programm: Im Bereich Arbeitszeitflexibilisierung braucht es Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseitig in manchen Bereichen noch Anpassungen.
Wie bewerten Sie die jeweilige Wirtschaftspolitik der derzeitigen Regierung?
Wir sehen große Bemühungen und zahlreiche kleine Erfolge. So wurde zuletzt unser Anliegen berücksichtigt, eine eCommerce-Lehre zu schaffen. Auch Überlegungen zur Deregulierung etwa im Arbeitnehmerschutz werden getätigt. Leider gehen diese Dinge nur sehr langsam voran. Grundsätzlich freuen wir uns aber über das hohe Maß an Gehör, das dem Handel als umsatzstärkstem Wirtschaftssektor in Österreich geschenkt wird.
Entdecken Sie jetzt
- Lesen
- Videos
Was fördert die Branchenkonjunktur, was bremst sie?
Mehr Konsum durch mehr Kaufkraft. Die Ankurbelung dieser ist für den Erfolg unserer Branche entscheidend. Wir sehen Wege etwa in der Abschaffung der kalten Progression, die den ÖsterreicherInnen von Jahr zu Jahr mehr vom Lohn wegfrisst. Durch Einsparungen in der Verwaltung mittels umfassender Strukturreformen könnte eine inflationsberücksichtigende Anpassung der Steuerstufen finanziert werden - für mehr Fairness und Kaufkraft im Land!
Wichtig wäre auch eine Senkung der Lohnnebenkosten, wodurch die Unternehmen wieder mehr Investitionen in die Zukunft (Digitales) tätigen und einstellen könnten.
Was wäre die wichtigste Maßnahme aus ihrer Sicht, um die Branchenkonjunktur anzuschieben?
Wie gesagt, eine wichtige kurzfristig umsetzbare Maßnahme in der Phase des „freien Spiels der Kräfte“ wäre die Abschaffung der „kalten Progression“. Darüber hinaus sollten die Arbeitszeitflexibilisierung, Entbürokratisierungsmaßnahmen und der akkordierte Beschäftigungsbonus bis zum Sommer abgearbeitet werden.
Au EU-politischer Ebene hoffen wir auf Einschränkungen der Regulierungsdichte und mittelstandsfreundliche Entscheidungen. Problematisch sehen wir etwa die Geoblocking Verordnung. Wird sie in dieser Form umgesetzt, kommen insbesondere KMU in die Bedrängnis unverhältnismäßig komplexe Verbraucherechte, Gewährleistungsrechte und Zahlungsausfälle in unterschiedlichen Ländern managen zu müssen.
Enorm wichtig ist auch die Beseitigung legaler Steuervorteile für Nicht-EU-Länder, indem zum Beispiel der Einzelpaketversand in die EU „ab dem ersten Euro“ versteuert wird oder indem legale Konstrukte zur Vermeidung von Mehrwert- oder Körperschaftssteuer unterbunden werden.
Diese Maßnahmen würden einerseits die Wettbewerbssituation verbessern, andererseits könnten die steuerlichen Mehreinnahmen eine Reduktion der Abgaben- und Steuerquote im Ländervergleich finanzieren.
Unabhängig von den aktuellen politischen, parteiinternen Veränderungen hoffen die Händler auf bestmögliche Fortführung der Regierungsarbeit, damit drängende Beschlüsse noch in die Umsetzung gelangen können.
Was müsste aus Ihrer Sicht unbedingt in ein neues Regierungsprogramm - natürlich nur branchenbezogen?
Oliver Wagner: „Ein großes Thema war schon beim letzten Regierungsprogramm der Logistikstandort Österreich. Dieser muss in der Region gestärkt und als Handelsdrehscheibe ausgebaut werden. Beim letzten Mal wurde die Thematik zwar lobbyiert, aber wieder aus dem Programm herausgestrichen.
Wo behindert die Politik die Branche?
Der überbordende Föderalismus in Österreich erschwert die Arbeit einer internationalen Branche, wie der Logistik. Themen wie Flächenwidmung für Logistik müssen zentral geplant werden. Der Online-Handel geht heute vermehrt von Deutschland aus, das ist ein Problem für die lokalen, österreichischen Händler.
Aus unserer Sicht sehr relevant ist außerdem die „Neue Seidenstraße“ (Anm.: Es sollen Häfen, Straßen und Bahnstrecken entlang der alten Seidenstraße gebaut werden, um neue Handelskorridore zwischen Asien, Afrika und Europa zu schaffen). Österreich hat daran teilzunehmen. Die Chinesen werden das so oder so machen.“
Axel Spörl: "Generell möchte ich herausstellen, dass die Politik und ihre Akteure sehr darum bemüht sind, die Wirtschaft unseres Landes nach Kräften zu unterstützen. Dies stellen wir immer wieder auf vielen verschiedenen Ebenen fest und sind dafür sehr dankbar.
Aus meiner Sicht ist für die Wirtschaft eines besonders wichtig: Die Klarheit darüber, wie es in unserem Land weitergehen wird. Dafür wäre ein kurzer und fairer Wahlkampf wünschenswert, weiters anschließend konstruktive Koalitionsverhandlungen, die dann so schnell wie möglich in den politischen Regelbetrieb übergehen."