Regierungsübereinkommen : "Österreichische Verkehrspolitik beginnt im Ausland"

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© Parlamentsdirektion/Thomas Topf

dispo: Herr Klacska, mit Leonore Gewessler hat Österreich erstmals eine grüne Verkehrsministerin. Was erwarten Sie denn von ihr?

Alexander Klacska: Das Gleiche wie von jeder neuen Ministerin: den Dialog zuzulassen. Ich denke, die Verkehrswirtschaft brachte auch in der Vergangenheit immer wieder ganz gute Argumente ein.

Waren „Farbänderungen“ im Ministerium in der Vergangenheit denn besonders spürbar?

Klacska: In den letzten Jahren und Jahrzehnten haben wir eine gewisse Kontinuität erlebt, das ist richtig. Dazu gehört auch, Verkehrspolitik stark über die Schiene zu definieren. Was in Ordnung ist, denn die Probleme auf der Straße kann man nur mit Hilfe der Schiene lösen.

Aber?

Klacska: Aber man muss genau hinsehen: Was ist machbar? Zu welchen Kosten und in welchen Zeiträumen? Es nützt ja nichts, einen Verkehrsträger teurer zu machen, wenn man beim anderen keine neuen Optionen schafft. Das gilt beim Öffentlichen genauso wie beim Güterverkehr. Und man muss auch auf der Schiene selbst intelligente Modelle finden, beides ausbalanciert betreiben zu können – immerhin teilen sich beide Verkehrsarten ja eine Trasse, und derzeit wird der Personenverkehr priorisiert.

Wir lassen derzeit übrigens eine Studie erstellen, wie viele freie Kapazitäten auf der Schiene auf bestimmten Korridoren tatsächlich verfügbar sind. Wir benötigen Fakten, wir dürfen nicht in die gleiche Falle laufen wie beim Brenner-Basistunnel: Auf der deutschen Zulaufstrecke passiert derzeit fast nichts, auf der italienischen Seite zu wenig. Wir werden um 2028 fertig sein, aber wo die deutsche Trassenführung dann stehen wird, wissen wir nicht. So etwas können wir uns nicht leisten, wenn wir das Thema Klimaschutz ernst nehmen. Dann bleibt nur eine Preis- und Kosten-Spirale – das sollte man dann aber auch ehrlich sagen.

Wie geht es Ihnen denn mit dem Verkehrs- und Infrastruktur-Teil im aktuellen Regierungsübereinkommen?

Klacska: Ich finde einiges, das mir gefällt, auch wenn das Papier nicht immer sehr detailliert ist. Was wir allerdings stark ablehnen, sind Andeutungen in Richtung neuer Fahrverbote. Ich verstehe die Situation in Transit-belasteten Regionen, aber ich sehe das nicht als Freibrief dafür, derartige Maßnahmen flächendeckend umzusetzen. Den freien Warenverkehr massiv einzuschränken und damit auch unsere europäischen Partner vor Probleme zu stellen – die ja meist keine Optionen für Verlagerung haben –, hielte ich für falsch.

Im Papier ist die Rede von „Effizienzsteigerung durch bessere Kooperation im Infrastrukturausbau“. Eine Platitude?

Klacska: Nicht unbedingt. Man kann es auch als Signal interpretieren, die Länder und die Regionen stärker in die Pflicht zu nehmen. Schienengebundene Verkehre bekommt man zum Beispiel stark über das Thema der Anschlussgleise. Aber man kann nicht für jedes Unternehmen, das einmal pro Woche einen Waggon belädt, ein Gleis verlegen. Ich sehe großes Potenzial darin, bei den diversen Businessparks, die entwickelt werden, darauf zu achten, wie man Transport und Logistik besser bündeln kann. Auch in Form von PPP-Projekten. Hier bedarf es nicht höherer Investitionen, nur besser eingesetzter.

Wie denken Sie über die Ankündigung, Ökologisierung über „Mindest- statt Höchstmautsätze“ und „größere Flexibilität bei der Mauttarifgestaltung für Lkw“ zu erreichen?

Klacska: Mindestmautsätze lehnen wir kategorisch ab. Sie machen es den Staaten zu leicht, Mauten willkürlich festzulegen. Würde etwa Österreich die Maut erhöhen, so träfe das die heimische Wirtschaft massiv – denn rund 70 Prozent unserer Lkw sind nur national unterwegs, das aber mit relativ hohem Autobahn-Anteil. Eine Transitfahrt von Rotterdam bis Südosteuropa hingegen führt nur vergleichsweise kurz durch Österreich – höhere Maut auf 200 von 2.000 Kilometern wäre also ein schwacher Hebel, um Transitfahrten zu vermeiden.

Und zur Flexibilität: Eine ökologische Staffelung der Maut gibt es über die externen Kosten bereits. Eine stärkere Staffelung des Infrastruktur-Anteils hatten wir in der Vergangenheit schon, und dabei hat sich gezeigt, dass die schadstoffärmste Fahrzeug-Kategorie bei jeder Valorisierung des Systems tendenziell am stärksten mehrbelastet wurde. Unser Ansatz ist, die geförderten Mautsätze an das einzelne, in Österreich zugelassene Fahrzeug zu knüpfen, also an das Investitionsobjekt selbst. So hätten Staat und Unternehmen bessere Planungssicherheit.

Ist die Maut denn wirklich ein Hebel für Ökologisierung?

Klacska: In meinen Augen nur eingeschränkt. Gerade im Schwerverkehr sind alternative Antriebe noch kaum ein Thema, zumindest nicht in einem betriebswirtschaftlich darstellbaren Rahmen. Die Förderung des individuellen Fahrzeuges wäre ein deutlich stärkerer Hebel.

Im Regierungsübereinkommen wird der Ausbau von intermodalen Verlademöglichkeiten angekündigt. Ihre Wünsche?

Klacska: Konkreter Vorschlag: Österreich sollte in Deutschland ein Terminal bauen, damit man über Tirol im unbegleiteten kombinierten Verkehr fahren kann. Österreichische Verkehrspolitik beginnt im Ausland und endet meist nur im Inland. Dies wäre zudem ein ideales Projekt für den privat gemanagten Infrastruktur-Fonds, den wir uns wünschen.

Ist die internationale Kooperation generell zu schwach ausgebildet?

Klacska: Wenn es etwa darum geht, bestimmte Regionen von Transitverkehr zu entlasten, muss man auf die europäische Ebene gehen. Ähnliches gilt für die technischen Hindernisse, die im internationalen Schienenverkehr immer noch bestehen. Hier hat sich Europa zu weit zurückgenommen, genauer: Die Staaten haben Europa zu wenig Handlungsspielraum gegeben.

Die Regierung will Tanktourismus sowie Ausweich- und Umwegverkehre im internationalen Schwerverkehr „durch Beseitigung von wettbewerbsverzerrenden Privilegien und Berücksichtigung externer Kosten“ bekämpfen. Ihr Kommentar?

Klacska: Tanktourismus ist natürlich ein denkbar sensibles Thema. Hier stehen rund eine Milliarde Euro an Steuereinnahmen den Kosten der Zertifikate gegenüber, und das ergibt unter dem Strich aktuell ein relativ neutrales Ergebnis. Würde man Tanktourismus zu hundert Prozent unterbinden, hätte das für die Österreicher definitiv Mehrkosten zur Folge. Ob man das will oder nicht, ist eine politische Frage. Aus Sicht des gewerblichen Verkehrs ist nur wichtig, dass der Netto-Dieselpreis in Österreich nicht deutlich höher ist als im benachbarten Ausland. Ich denke, ein Problem in der Debatte ist, dass hier immer der getankte Liter und nicht der verfahrene Liter Diesel betrachtet wird. Ökologisch gesehen, könnte das Unterbinden des Tanktourismus sogar leicht negative Folgen haben.

Die Gigaliner werden auch in diesem Programm wieder beerdigt.

Klacska: Für den regulären Einsatz, ja. Aber ich könnte mir ein Modell vorstellen, das dem Schienenersatzverkehr durch Busse entspricht. Solange die Infrastruktur nicht bereit ist, beim Transit-Thema für Erleichterung zu sorgen: Warum soll man nicht darüber nachdenken, hier über Abmessungen und Gewichte – zeitlich beschränkt – für Entlastung zu sorgen?

Bei unserem letzten Gespräch haben Sie gemeint, Sie erwarteten kreativere Ansätze von der Politik. Man müsse auch manchmal radikal Neues probieren. Von einer grünen Regierungsbeteiligung könnte man so etwas doch erwarten?

Klacska: Das wäre natürlich erfreulich. Die Voraussetzung ist allerdings, dass die Verkehrswirtschaft etwa beim angekündigten Mobilitätsmasterplan 2030 mitdiskutieren kann – wie alle anderen Stakeholder. Gut gemeinte Maßnahmen, die nicht ausreichend diskutiert wurden, erreichen bekanntlich oft das Gegenteil. In der Verkehrspolitik werden solche Fehler besonders schnell sichtbar.

Hier finden Sie das komplette Regierungsprogramm 2020 (Download von der Website der ÖVP)