Vor einigen Tagen kam wieder Bewegung in das Mammutprojekt der Tren bioceánico-Zugstrecke, welche quer durch den südamerikanischen Kontinent vom Atlantik zum Pazifik verlaufen soll. Dispo hat darüber berichtet.
Nun stellt sich die Frage: Lohnt sich die Investition in das 13 Mrd. Euro schwere Projekt? Ist eine verkürzte Handelsroute nach China diese hohe Summe wert, obwohl der größte Exporterlös für Bolivien bei seinen direkten Nachbarländern zu holen ist? Wir haben beim Südamerika-Experten und österreichischen Wirtschaftsdelegierten Stv. Wolfgang Köstinger in Santiago nachgefragt.
dispo: Glauben Sie, würde Bolivien wirtschaftlich stark von der neuen Zugstrecke profitieren? Lohnt sich der Aufwand?
Wolfgang Köstinger: Wenn man es sehr langfristig betrachtet ist diese gewaltige Investitionen in die – bislang kaum vorhandene – Eisenbahninfrastruktur wohl durchaus lohnend. Bolivien hat eine wichtige Agrarindustrie (vor allem Soja) sowie viele weitgehend ungehobene Rohstoffe (etwa gewaltige Eisenerzvorkommen in der Region Mutún). Das Projekt Mutún leidet etwa darunter, dass die Infrastruktur zum Abtransport der Erze völlig unzureichend ist. Mit der Bahnverbindung können völlig neue Märkte erschlossen werden. Hinzu kommt, dass gerade im Tiefland um Santa Cruz sowohl Bevölkerung als auch Wirtschaft stark wachsen – Santa Cruz verzeichnet mittlerweile rund 2 Millionen Einwohner, während es vor 30 Jahren eine Kleinstadt war.
Laut offizieller Statistik belegt China nur Platz 5 der Exportländer Boliviens (ungefähr 5 Prozent) – warum wird für dieses Projekt womöglich trotzdem so viel Geld in die Hand genommen?
Hauptexportgut Boliviens ist Erdgas, das naturgemäß nur in die Nachbarländer Brasilien und Argentinien (welche somit Haupthandelspartner Boliviens sind) exportiert wird. China ist vor allem am Zugang zu Rohstoffen wie Lithium (Salar de Uyuni) und Eisen (Mutún), interessiert und sieht das Projekt als willkommene Gelegenheit, die Präsenz in Bolivien zu verstärken.
Können österreichische Unternehmen in irgendeiner Form davon partizipieren?
Österreichische Unternehmen können in folgender Weise vom Projekt profitieren: Planungsarbeiten für den Streckenverlauf (Zivilingenieurbüros); Bauüberwachung (ebenfalls Zivilingenieurbüros); Lieferung von Schienen und Weichen; Ausstattung des Netzes mit Verkehrsleiteinrichtungen. Da ein bedeutender Teil der Zugverbindung über die Anden führt mit einem Niveauunterschied von mehr als 3.000 Höhenmetern könnten österreichische Unternehmen ihre Expertise in den Bereichen Tunnelbau und Hangsicherung einbringen.