Kommentar : Resilienz und Ökologie in der Lieferkette sind kein Widerspruch

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© NicoElNino - stock.adobe.com

Bei der Optimierung von Lieferketten gibt es zwei wichtige Stoßrichtungen, die durch Kunden, Investoren und auch Gesetzgeber eine wachsende Bedeutung haben: Resilienz gegen Störungen jeder Art und eine stärkere Ausrichtung in Richtung Nachhaltigkeit. Auf den ersten Blick scheinen das Gegensätze zu sein, denn vielfach wird eine verbesserte Resilienz mit einer größeren Bevorratung und damit höheren Aufwänden für Kühlsysteme, Produktion und längere Transportwege in Verbindung gebracht – was wenig ökologisch nachhaltig wäre.

Zu erwarten ist daher, dass Unternehmen sich im Zweifel für die Optimierung einer Variante entscheiden – vorzugsweise der Resilienz, um möglichst geringe finanzielle Einbußen hinnehmen zu müssen. Aus der Studie State of Supply Chain Sustainability 2021 geht jedoch hervor, dass Firmen ihre Bemühungen um mehr Nachhaltigkeit in ihren Lieferketten auch während der Pandemie mit voller Kraft vorantreiben und trotzdem die Notwendigkeit widerstandsfähigerer Lieferketten sehen und angehen.

Das Thema Nachhaltigkeit hat viele Dimensionen: ökologische, wirtschaftliche, menschliche und soziale. Die genannte Studie belegt, dass Fragen zu Menschenrechten, Arbeitsbedingungen, Energieeinsparung und erneuerbaren Energien von 2019 bis 2020 deutlich zunehmen. Dies wirkt sich vor allem auf die Lieferantenentwicklung, Verringerung der Umweltbelastungen und erhöhte Lieferkettentransparenz aus.

Portrait Gabriel Werner, Vice President DACH Manufacturing Blue Yonder
Gabriel Werner ist Vice President Manufacturing DACH bei Blue Yonder. - © Blue Yonder

Geringeres Risiko, höhere Umweltbelastung?

Doch wie passt das zu einer höheren Robustheit der Lieferketten? Viele Unternehmen greifen zu althergebrachten Lösungen: Nearshoring, höhere Lagerbestände und Investitionen in digitale Lösungen für eine bessere Sichtbarkeit in der Lieferkette. All dies dient dazu, die Lieferfähigkeit und letztlich das Überleben des Unternehmens zu sichern. Das geht aber zu Lasten des Klimas – weil beispielsweise mehr Waren produziert und gelagert werden.

Auch wenn Nachhaltigkeitsfragen auf höchster Ebene priorisiert werden, ist nicht zu erkennen, dass Unternehmen ihre Finanzprioritäten zugunsten größerer Nachhaltigkeit aufgeben wollen. Denn beim Lieferketten-Management geht es in erster Linie um Kosten, Service und Rentabilität. Eine Ausnahme bilden die Unternehmen, die in ihrer Branche führend in Sachen Nachhaltigkeit sein wollen und diesem Ziel die Rentabilität unterordnen.

Transparenz und Sichtbarkeit

Um auf die Überschrift zurückzukommen: Wie lassen sich höhere Resilienz und Nachhaltigkeit gleichzeitig erreichen? Der Ansatz ist eine Verminderung der Unsicherheit und Erhöhung der Transparenz. Lagerhaltung ist eine Maßnahme für die Fälle, bei denen man nicht weiß, was kommt. Das Thema ist: „Wenn ich nicht weit genug in die Zukunft schauen kann, sorge ich besser vor.“ Wenn ich aber weiß, was mir die Zukunft bringt, wenn ich den Durchblick habe, ist Lagerhaltung unnötig – bei hoher Resilienz.

Die Schlüssel sind digitale Werkzeuge und Plattformen für mehr Sichtbarkeit, Transparenz, Zusammenarbeit und Optimierung. Sie erhöhen die Widerstandsfähigkeit, ohne mehr Kapazitäten zu Lasten von Umwelt und Klima aufzubauen. Diese Technologien und Tools verschaffen Unternehmen frühzeitig einen Überblick über veränderte Kundenbedürfnisse und ‚unvorhersehbare‘ Ereignisse. Sie können Schwankungen und Engpässe vorhersehen und sich proaktiv darauf einstellen.

Den entscheidenden Unterschied macht die umfassende digitale Vernetzung aller Teilnehmer in der Lieferkette. Stellt sich dann heraus, dass eine Prognose nicht zu halten ist, sorgt die Plattform dafür, dass alle betroffenen Teilnehmer informiert werden und sie Produktions- und Transportpläne sofort anpassen.

Ein solches System kann bei der Optimierung der Lieferkette verschiedene Alternativen entwickeln und dabei die jeweiligen Auswirkungen auf die Nachhaltigkeit sichtbar machen. Dies erleichtert umweltbewusste Entscheidungen.

Eine solche digitale Vernetzung kann Einblicke in die täglichen Abläufe eines Lieferanten geben und auf dieser Basis zusätzliche Anforderungen an dessen Nachhaltigkeit stellen. Software für Einkauf, Planung und Transport kann ebenfalls zu mehr Nachhaltigkeit beitragen, indem sie die Leistung verschiedener Lieferanten vergleicht.

Widerstandsfähigkeit bei unterschiedlichen Zeitrahmen

Um kurzfristig Resilienz und Nachhaltigkeit einer Lieferkette zu verbessern, sind digitale Transparenz und Agilität notwendig, um die ‚Zukunft kommen zu sehen‘ und darauf schnell reagieren zu können.

Mittel und langfristig ist eine Ausrichtung des Unternehmens auf mögliche Szenarien und Veränderungen bei Angebot und Nachfrage notwendig. Hierbei können Lösungen unterstützen, die mittels Künstlicher Intelligenz Entwicklungen früher wahrnehmen, als dies selbst erfahrenen Logistikern möglich ist.

Gabriel Werner ist Vice President Manufacturing DACH bei Blue Yonder.