Wenn man sich Videos Ihrer Roboter beim Picken ansieht, drängt sich die Frage nach der Geschwindigkeit auf. Ist die auf bestimmte Anforderungen abgestimmt, auf die der jeweiligen Einsatzorte? Oder ist das einfach die Maximalgeschwindigkeit, die Sie derzeit aus den Maschinen herausholen können?
Yaro Tenzer: Das ist eine gute Frage. Lassen Sie mich sie so beantworten: Die größte Herausforderung eines Händlers ist die Auftragsabwicklung, die wichtigste Frage eines jeden Lagerhauses, welche Mengen kann es verarbeiten. Jede Technologie in der Logistikbranche wird versuchen, diese Mengen zu steigern. Bei RightHand Robotics konzentrieren wir uns bei den Fähigkeiten unserer Roboter immer auf die drei R: Range of Objects [Bandbreite], Reliability [Zuverlässigkeit] und High Rate [hohes Maß]. Sehen wir uns das anhand eines Beispiels an. Ein Gummiball ist leicht zu picken, der Roboter arbeitet also schnell und zuverlässig. Aber wie wird das beim Picken von Eiswürfeln aussehen? Nicht so schnell und weniger zuverlässig. Die Objekte bestimmen also die Kapazitäten des Roboters.
In anderen Fällen ist es wohl auch der Workflow des Roboters, der seine Geschwindigkeit mitbestimmt?
Yaro Tenzer: Auf jeden Fall. Ein Roboter könnte zum Beispiel den Auftrag haben, einmal von hier zu picken und dann von dort. Es gibt einfach physische Grenzen, die die Geschwindigkeit eines Roboters ausmachen. Wir sind mit unserer Technologie sehr früh dran – doch bald wird es aus der Industrie heißen: Wir brauchen Roboter! Unser Lager braucht Platz für Roboter! Momentan sind alle Lager noch für Menschen optimiert, aber der nächste Schritt wird das Umstrukturieren für Roboter sein. Und diese werden dann auch schneller sein können.
Umstrukturieren kostet natürlich auch Geld. RightHand Robotics versichert eine hohe Investmentrendite, mit der Begründung, dass mit Ihren Robotern mehr Bestellungen schneller abgewickelt werden können. Müssen Sie die Leute erst überzeugen, das Investment zu wagen? Ist die Skepsis noch so hoch?
Yaro Tenzer: Nein, die Leute kommen zu uns. Leider – oder zum Glück, wie man es eben betrachtet – haben viele Betriebe Probleme, Arbeiter für ihre Lager zu finden. Die jüngeren Generationen interessieren diese Jobs nicht mehr und die älteren Generationen passen mit ihrer Denkweise nicht mehr hinein. Zusätzlich wächst der elektronische Handel stark. Die Betriebe brauchen und wollen also Roboter ganz von selbst. Natürlich müssen sie ihren Finanzvorständen gegenüber auch die Ausgaben rechtfertigen, doch das ist nicht schwer. Die Frage, ob Roboter wirtschaftlicher sind oder nicht, stellt sich nicht. Natürlich sind sie es.
Kommen die Leute also auf Sie zu, weil sie keine Arbeitskräfte finden oder weil Roboter auf lange Sicht billiger sind als Menschen?
Yaro Tenzer: Wer einen Menschen anheuert, muss eine ergonomischen, sicheren Arbeitsplatz schaffen, der geheizt und beleuchtet ist. Der Lohn macht nicht die Kosten für menschliche Arbeitskräfte aus, sondern das ganze Drumherum. Und dann denken Sie mal an die Lagerfläche. Für Menschen braucht es Platz, damit sie umher gehen und arbeiten können. Wenn aber keine Menschen in den Lagern arbeiten, gewinnt man plötzlich all diese Bodenfläche als Lagerfläche. Denn Roboter können auch auf Bühnen arbeiten. Ausliefernde Lager können im Grunde in Kellern untergebracht werden, wo Menschen nicht arbeiten können.
„Sind Roboter wirtschaftlicher als Menschen? Natürlich!“
Trotzdem kann man keinen Stein werfen, ohne eine Person zu treffen, die sagt: Roboter stehlen Menschen ihre Jobs.
Yaro Tenzer: Die irren sich aber. Ein gutes Beispiel ist der Traktor. Seine Erfindung hat vielen Feldarbeitern die Arbeit gekostet. Aber irgendwer musste auch die Traktoren bauen, irgendwer sie verkaufen, irgendwer sie warten. Es gibt ein ganzes Ökosystem um den Traktor, genauso wie um unsere Roboter. Und wir haben noch nicht einmal all die Leute, die Roboter entwerfen und bauen können. Warum sollte also irgendwer wollen, dass seine Kinder in einem Lager arbeiten, wenn sie stattdessen einen anderen Beruf lernen können, der auch etwas bedeutsamer ist? Daher ist die Verantwortung unserer Gesellschaft, in Ausbildung zu investieren, auch mit Steuergeldern von Unternehmen. Wir als Gesellschaft müssen es schaffen, dass Roboter eben nicht den Menschen die Jobs stehlen. Denn Innovation wird sich nicht aufhalten lassen.
Roboter kreieren also neue Jobs.
Yaro Tenzer: Sehen Sie sich Deutschland an. Was ist die Arbeitslosenquote dort, zwei Prozent? [3,5 Prozent, Stand Februar 2018] Die niedrigste im Euroraum! [Malta und Tschechien schneiden noch besser ab.] Und gleichzeitig das automatisierteste Land Europas.
„Menschen brauchen Platz, Roboter nicht. Ohne Menschen also mehr Lagerraum.“
https://youtu.be/87mByHIJVDg
Auch die Jugendarbeitslosigkeit ist in Deutschland mit sechs Prozent vergleichsweise niedrig – doch auch hier ist noch einiges zu tun. Dabei ist genau das die Generation, die für die Entwicklung der Robotik der nächsten 50 Jahre verantwortlich sein wird.
Yaro Tenzer: Vielleicht haben die jungen Leute kein Interesse an den Jobmöglichkeiten, die sich derzeit auftun. Das ist zumindest meine Vermutung. Die Jobs haben könnten sie ja.
RHR behauptet, im Vergleich zu traditionellen Fabrikrobotern leichter integrierbar zu sein. Was macht die Integration leichter?
Yaro Tenzer: Die Software und die Intelligenz dahinter. Sie ist sichtbasiert. Mittels Kameras können wir die Umgebung verstehen und die Bestellungen sehen. Das macht es sehr leicht, dem Roboter Befehle zu erteilen. Bei traditionellen Lagerrobotern geht es vor allem darum, die Produktion fehlerfrei zu gestalten. In der Manufaktur eingesetzte Roboter bewegen sich außerdem meist recht schnell, was den Sicherheitsaufwand erhöht. Moderne Automation hat hier einen niedrigeren Aufwand. Sie ist, wie soll man das sagen, nicht menschenfreundlich, aber menschensicher.
„Deutschland hat die niedrigste Arbeitslosenquote und ist gleichzeitig das automatisierteste Land.“
Machine Learning spielt ebenso eine große Rolle bei RightHand Robotics.
Yaro Tenzer: Das ist korrekt. Machine Learning ist im Prinzip eine Möglichkeit, viele Daten zu verarbeiten und Verbesserungspotentiale zu identifizieren. Maschinen verstehen und lernen also, wie sie sich selbst verbessern können.
Wie sieht das bei der Auftragsabwicklung aus?
Yaro Tenzer: Wenn der Roboter sehr schnell pickt, wird er manchmal einen Fehler machen. Er wird daneben greifen oder etwas fallen lassen. Machine Learning ist in diesem Fall: Wenn ich etwas sehr oft picke, was lerne ich daraus? Wie lässt sich das System verlässlicher gestalten? Unser Machine Learning basiert auf Big Data – wir lernen von verschiedenen Robotern gleichzeitig. Ein Roboter arbeitet hier, der andere in einem anderen Lager und so weiter. Sie alle tauschen Daten aus. So lassen sich mehr Trends, ergo Verbesserungspotential herauslesen. Unterm Strich interessiert unsere Kunden ja kein Machine Learning, sondern ihre eigene Leistung. Aber durch Machine Learning lässt sich eben diese Leistung steigern.
Im Endeffekt ist es also die Verbindung der lernenden Roboter, die sie zu besseren Lernern denn Menschen macht?
Yaro Tenzer: Maschinen können mehr Daten als Menschen verarbeiten. Ihre Erkenntnisse daraus sind also, denke ich, solche, die Menschen schwerfallen würden. Ich bin aber immer wieder überrascht, wie schnell wir Menschen lernen. Wenn wir aber in Datenmengen rechnen, lernen wir Menschen sehr langsam. Außerdem können Maschinen das Gelernte sofort speichern und an andere Roboter weitergeben. Wenn hingegen Sie mir etwas beibringen, wird der Lernprozess langsamer aussehen.
Auf der Website von RHR heißt es, Ihre Roboter stehen für gesicherte Auftragsqualität. Meinen Sie damit eine Qualität, die Menschen nicht erreichen können? Oder zielen Sie in erster Linie darauf ab, so gut wie Menschen zu sein?
Yaro Tenzer: Wow, Sie haben die Website gelesen? Das ist cool. Steht das wirklich dort? Also, ein Händler will am Ende des Tages einfach nur, dass die Bestellungen erfüllt wurden. Er will keine leeren Kartons versenden und auch kein falsches Produkt. Teil der Aufgabe unserer Roboter ist es also, sicherzugehen und zu bestätigen, dass eine Bestellung in der richtigen Box landet. Menschen aber sind weniger zuverlässig. Sie können abgelenkt werden. Sie machen Fehler, einfach nur, weil sie Menschen sind. Was wir mit unseren Automatisierungen bieten wollen, ist also eine Verbesserung – höhere Zuverlässigkeit und weniger Fehler.
„Die Erkenntnisse von Maschinen fallen Menschen schwer. Sie sind bessere Lerner als wir.“
Wo sehen Sie Ihre Konkurrenz?
Yaro Tenzer: Es gibt verschiedene Unternehmen, die ähnliches machen wie wir. Ich glaube aber nicht, dass irgendwer so fokussiert ist wie wir – also auf die drei R’s. Wir sind so fokussiert auf das Picken, es ist sogar in unserem Logo zu sehen. Das ist das einzige, worauf es ankommt – Roboter zu bauen, die picken können. Andere Unternehmen bieten das eher als Teil mehrerer Lösungen an. Sie machen zu viel auf einmal.
https://youtu.be/y1leUdXVy2M
Wird es irgendwann eine nostalgische Gegenreaktion geben – also weniger Roboter?
Yaro Tenzer: Werden die Menschen E-Commerce aufgeben? Ich glaube nicht. Ich mag E-Commerce selbst. Und nicht, weil ich faul bin, sondern weil ich vielbeschäftigt bin und es nervt, wenn sie nicht das im Laden haben, was ich will. Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir uns in diesem Bezug ändern. Kleine technologieverneinende Zonen auf der Welt wird es aber immer geben.
Sie haben derzeit Pionierprojekte laufen – einzelne Lösungen für einige wenige Kunden. Wie sind die Rückmeldungen?
Yaro Tenzer: Dass die Kundenerfahrungen viel besser sind. Bestellungen werden schneller und verlässlicher erfüllt. Und über das Finden von Arbeitskräften müssen sie sich auch nicht sorgen.
Wo sehen Sie RHR in der nahen Zukunft? Was sind die Herausforderungen?
Yaro Tenzer: Die größte Herausforderung ist wohl das Vermitteln des Wissens an den Markt, dass die Technologie wirklich bereit ist. Denn alle sind immer noch sehr skeptisch und wollen kein Risiko eingehen. Wir als Unternehmen müssen den Leuten erklären: Wenn ihr in eurem nächsten Lager nicht diese Technologie verwendet, habt ihr bald kein Lager mehr.