Case Study : Sally und die Leiterplatten
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Die Konzentration hat Vorteile – die allerdings mit langen Wegen erkauft werden. Am Hauptsitz eines führenden Leiterplattenherstellers werden die Kernlagen in zwei ehemals getrennten Werken produziert. Das Verpressen findet nur an einer Stelle statt, denn die Pressen sind ausreichend leistungsfähig, um den Bedarf beider Werke zu decken. Eine Folge dieser Konzentration der Pressen auf eine Stelle im weitläufigen Werksgelände ist, dass die Kernlagen dorthin einen langen Weg zurücklegen müssen. Von der Stelle, an der sie paketweise in eigenen Magazinen auf Transportwagen verladen werden, bis zu dem Raum, in dem die Pressen arbeiten, sind es rund 230 Meter. Hinzu kommt: Die beiden Stationen befinden sich auf unterschiedlichen Stockwerken.
Die Situation war auch im Hinblick auf Personaleinsatz und Prozesssicherheit unbefriedigend. Hatte ein Produktionsmitarbeiter eine fertiggestellte Charge geprüft, musste er diese per Handwagen zum Verpressen bringen. Das stelle eine Einschränkung der Produktivität dar, denn während der Transportvorgänge ruhte jedes Mal 20 Minuten lang die Inspektion der fertiggestellten Teile, und die Produktionsmaschinen blieben unbeaufsichtigt.
Flexibles Bindeglied
Das ließ den Wunsch nach einem hauptzeitparallelen Transport reifen, um die Produktivität zu steigern. Angesichts der großen Entfernung kam keine fix installierte Förderanlage in Frage. Der Transport der gefüllten Magazine musste auf den vorhandenen Gängen erfolgen. Der Leiterplattenhersteller stellte fest, dass es in einem ausländischen Schwesterunternehmen bereits positive Erfahrungen mit einem Fahrerlosen Transportsystem des österreichischen Herstellers DS Automotion gab.
Als man neben anderen Herstellern von Intralogistik-Lösungen auch die Linzer FTS-Spezialisten einlud, für die spezifische Aufgabenstellung eine passende Lösung anzubieten, war das Problem des Stockwerkswechsels noch ungeklärt. Die einzige Möglichkeit ist ein Aufzug, der ebenso wie die Gänge auch von Personen zu Fuß und von bemannten Staplern benutzt wird.
„Zu dieser Zeit hatten wir mit Sally gerade die neue Kompaktklasse frei navigierender fahrerloser Transportfahrzeuge für kleinere Lasten bis 100 kg vorgestellt“, erzählt Eva Hertel, Produktmanagerin bei DS Automotion. „Sie wurde als flexibles Bindeglied zwischen unterschiedlichen Maschinen und Arbeitsstationen geschaffen, um der Gesamtanlage die Tauglichkeit für die Herausforderungen von Industrie 4.0 zu verleihen.“
Die Größe von Sally passt zu den Anforderungen an den Materialtransport und gestattet die Verwendung in den Korridoren, auch im Gegenverkehr und gemeinsam mit Menschen und bemannten Fahrzeugen. Ihre von anderen Systemen des Herstellers übernommene ausgereifte Sicherheitstechnik verhindert Kollisionen und sorgt für ein sicheres Anhalten vor Hindernissen.
Für Sally sprach zusätzlich, dass sie anhand der Gebäudekonturen per SLAM-Technologie navigiert, sodass entlang des sehr langen Weges keine zusätzlichen Einbauten erforderlich sind. Zudem können FTS von DS Automotion im Standard Rolltore öffnen oder einen Aufzug anfordern.
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Langsame Annäherung
Auch, dass sich Sally mittels mechatronischer Schnittstellen flexibel an unterschiedliche Transportaufgaben anpassen lässt, kam den Prozessentwicklern entgegen. „Die Fahrzeuge wurden mit Rollenbahnen und mit Kupplungen zum direkten Andocken an ortsfeste Förderanlagen ausgestattet“, sagt Eva Hertel. „Zum exakten Positionieren an diesen nutzen sie Magnete im Boden.“
Das Erteilen des Fahrauftrages nach dem Be- oder Entladen erfolgt über Bedienterminals an den Übergabestationen. Obwohl DS Automotion auch die Möglichkeit einer vollautomatischen Materialübergabe anbietet, wurde vom Kunden bewusst kein höherer Automatisierungsgrad gewählt. Die Prozessentwickler wollten sich der für sie neuen Thematik langsam nähern, um vor weiteren Schritten eigene Erfahrungen zu sammeln. Obwohl es im Haus viele weitere ähnliche Transportaufgaben gibt, haben sie sich deshalb auch zunächst auf den Transport der Kernlagen zu den Pressen mit drei Sallys und manueller Materialübergabe beschränkt.
Begegnung beim Aufzug
Das Leitsystem DS Navios FreeGuide wurde, eingebettet in die bestehende IT-Infrastruktur, auf einem Kundenrechner installiert. Um auf ihrem über zwei Ebenen gehenden Kurs bei Bedarf den Aufzug anzufordern, ist das Leitsystem mittels Buskoppler mit der Liftsteuerung verbunden. Im Gegenverkehr kann es vorkommen, dass eine der Sallys Lift fährt, während eine andere auf diesen wartet. In einem solchen Fall muss das einsteigende Fahrzeug das Aussteigen des anderen abwarten.
Obwohl die Kommunikation mit dem Aufzug eine Abstimmung mit dessen Hersteller erforderlich machte und softwareseitig der Umgang mit mehreren Rolltoren und Brandabschnittstüren berücksichtigt werden musste, war die Anlage innerhalb weniger Wochen betriebsbereit.
Erweiterung des Streckennetzes
Bereits kurz nach der Inbetriebnahme des FTS wurden Modifikationen erforderlich. Um die Anwesenheit unbefugter Personen zu verhindern und so die Sicherheit im Werk zu erhöhen, wurde am Übergang in einen kritischen Bereich eine Personensperre installiert. Auch die Sallys müssen diese Sperre passieren, was eine Kommunikation des FTS auch mit der Personenkontrolle erforderlich machte.
Nachdem die FTS-Anlage seit eineinhalb Jahren gelaufen war, fiel der Startschuss für Erweiterungen des Systems. Im ersten Schritt wird der Weitertransport der verpressten Platinen an zwei verschiedene Bearbeitungsstationen in das bestehende System integriert. Das wird das Streckennetz um etwa 200 Meter und einen zweiten Lift in ein zusätzliches Stockwerk erweitern. Im Zuge dieser Erweiterung erfolgt auch die Umstellung auf aktive Rollenförderer. Sie ermöglicht die automatische Materialübergabe an den Be- und Entladestationen.
In weiterer Folge ist auch die Einbeziehung anderer Bereiche angedacht, aus Gewichtsgründen allerdings mit größeren Fahrzeugen. „Die vorhandene Leitsteuerung DS Navios FreeGuide kann unterschiedliche Fahrzeugtypen in einem FTS-Gesamtsystem vereinen“, sagt Eva Hertel. „So lässt sich auch diese Anforderung im bestehenden System mit abbilden.“
Auftragnehmer
DS Automotion (Linz) ist ein weltweit tätiger Anbieter fahrerloser Transportsysteme. Das Unternehmen ist seit 1984 auf die Entwicklung und Produktion von Automatisierungslösungen für unterschiedlichste Anwendungen und Branchen spezialisiert.