Case Study : So emotional kann ein Lager-Projekt werden
Aktive Mitgliedschaft erforderlich
Das WEKA PRIME Digital-Jahresabo gewährt Ihnen exklusive Vorteile. Jetzt WEKA PRIME Mitglied werden!
Sie haben bereits eine PRIME Mitgliedschaft?
Bitte melden Sie sich hier an.
Emotionen? „Natürlich wurde es emotional“, erzählt Rudolf Michael Fries. „Ziemlich emotional sogar“, bestätigt Thomas Krenn. Das Projekt, das der Geschäftsführer der Joma Kunststofftechnik und der Vertriebsleiter Logistiksysteme von Jungheinrich Österreich im Jänner 2018 abschließen konnten, war für alle Beteiligten ein besonderes. Obwohl es eigentlich nur um ein Lager ging.
2013 hatten die Planungen dafür begonnen. Das Bestandsgebäude war ausgelastet, erzählt Joma-Geschäftsführer Fries, vor allem die Kommissionierfläche für die Auslieferung war zu klein geworden. Also fiel die Entscheidung, das Nachbargrundstück zu kaufen und ein Lager zu errichten, das den Bedarf langfristig decken sollte. Und Joma plante groß. Die erste Variante sah ein 30 Meter hohes Gebäude vor, ein vollautomatisches Hochregallager.
Der erste Dämpfer kam von Seiten der Behörden. „Eigentlich ist das hier ja ein Industriegebiet“, sagt Fries, „aber die entsprechenden Bewilligungen zu erhalten, erwies sich als ziemlich mühsam.“ Für den zweiten Dämpfer sorgte die Versicherung. Für das 30 Meter hohe Lager hätte der übliche Brandschutz nicht ausgereicht. Die geforderte Sauerstoff-Reduktionsanlage hätte jedoch den Investitionsrahmen massiv gesprengt, erzählt Fries.
Acht Varianten
Die Planer von Jungheinrich legten eine neue, auf 14 Meter Höhe reduzierte Variante vor. Angesichts der hohen Anforderungen, die ein Hochregallager an den Untergrund stellt, war der dritte Dämpfer besonders heftig: Als die Bagger begannen, das Fundament auszuheben, standen sie sehr bald im Wasser. Der Untergrund erwies sich als extrem lehmig und feucht. Um ihn auf die von Jungheinrich geforderte Stabilität zu bringen, hätte er rund ein Jahr lang unter massivem Druck begradigt werden müssen. „Und die Zeit hatten wir einfach nicht mehr“, sagt Joma-Geschäftsführer Fries. Der Befund setzte einen Kreislauf an Verhandlungen zwischen Joma, Jungheinrich und dem Bauunternehmen in Gang, an das sich die Beteiligten lebhaft erinnern. Insgesamt wurden es letztlich acht Planungs-Varianten, wobei die nun realisierte mit der ursprünglichen Idee nur noch wenig zu tun hat.
Entdecken Sie jetzt
- Lesen
- Videos
„Unfassbar kurze Zeit“
Statt den Boden zu pressen, wählte man eine Lösung mit duktilen Pfählen. Auf einer Fläche von nicht einmal 3.000 m2 wurden davon sagenhafte sechs Kilometer in den Boden getrieben. Da der Untergrund die Norm für ein vollautomatisches Lager nicht erreicht, entschied man sich für ein manuelles Lager ohne automatisierte Bereiche, bestehend aus einem Schmalgang- und einem Breitganglager. Auf 2.800 m2 bietet das Gebäude 4.300 Paletten-Stellplätze, die von einem ETV-Schubmaststapler ETV216 und einem Hochregal- und Kommissionierstapler der Type EKX bedient werden. Die Stapler sind jeweils mit einem Staplerterminal ausgestattet, auf dem die abzuarbeitenden Aufträge mittels Push-Systems der Reihe nach angezeigt werden. Gelagert werden hier Fertigwaren, Rohmaterialien für die Produktion und Verpackungsmaterialien. Koordiniert wird das Lager vom Jungheinrich WMS.
Die endgültige Auftragsvergabe erfolgte im August 2017. Die Übergabe der Regalanlage fand im Dezember statt, die des Warehouse Management Systems im Jänner 2018. „Das Projekt wurde letztlich also in einer unfassbar kurzen Zeit umgesetzt“, sagt Rudolf Michael Fries.
„Gefragt ist Service“
Rudolf Michael Fries, Geschäftsführer der Joma Kunststofftechnik, und Thomas Krenn, Leiter Vertrieb Logistiksysteme bei Jungheinrich Österreich, über die Dynamik von Projekten und Kommunikation auf Augenhöhe.
dispo: Herr Fries, Ihr Lager-Projekt musste acht Mal neu konzipiert werden. Haben Sie jetzt, was Sie brauchen?
Rudolf Michael Fries: Ja, wir haben unseren Standort damit auf maximale Kapazität ausgelegt. Wir erreichen derzeit in Spitzenzeiten eine Auslastung von 60 bis 70 Prozent, sind also auch auf Wachstum vorbereitet.
Der Weg dorthin war nicht immer lustig, nehme ich an?
Fries: Dass die ursprüngliche Planung nicht funktionierte, war natürlich mit massiven Emotionen verbunden. Wir haben erlebt, wie dynamisch ein solches Projekt werden kann. Man hat ja eine klare Vorstellung von dem neuen Lager – und dann kommen die Bagger, reißen den Asphalt auf, und da unten schwimmt alles! Die Variante Verschieberegallager war somit schlagartig vom Tisch. Und damit hat eine ganze Kette von Gesprächen begonnen, jeder von uns musste immer wieder sehr schnell reagieren. Das funktioniert aber nur, wenn die Kommunikation exzellent ist, denn nur dann können die Emotionen auch zur Lösung beitragen. Letztlich waren wir ja alle im Stress. Die Baufirma, weil sie für Jungheinrich einen passenden Boden bereiten musste. Jungheinrich, weil sie von deren Ergebnissen abhängig waren. Und wir, weil wir immer wieder zweifelten, ob das alles funktionieren kann. Jungheinrich ist zum Glück sehr pragmatisch.
Herr Krenn, Sie haben das alles ohne Emotionen überstanden?
Thomas Krenn: Nein, Pragmatismus und Emotion schließen einander ja nicht aus. Die Klammer zwischen beiden ist die spannende Herausforderung, die Wünsche des Auftraggebers bestmöglich darzustellen. Natürlich hatten auch wir in diesem Fall den Wunsch, ein automatisches Hochregallager zu bauen, aber wir mussten die Umstände zur Kenntnis nehmen. Das haben wir bei aller Emotionalität, die natürlich auch ihren Platz hat, gemeistert. Und zwar immer auf Augenhöhe, das war sehr angenehm. Dass wir heute hier sitzen und mit Joma einen tollen Referenzkunden haben, ist ja auch ein Teil der Emotionalität.
Apropos Augenhöhe: Die ist zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer wohl nicht immer gegeben.
Fries: Ich denke, da hat sich doch einiges geändert. Die klassischen ‚Dienstleister’ sind heute nicht mehr gefragt. Gefragt ist Service. Und von einem Serviceanbieter erwarte ich, dass er nicht nur kompetent sondern auch selbstbewusst ist. Wir alle agieren heute in einem Markt, in dem es fast nur noch um Verdrängungswettbewerb geht. Der Spielraum ist klein und der Markt hoch kompetitiv. Wenn wir uns als Produktionsbetrieb nicht darauf verlassen können, dass im Ernstfall sofort Service zur Verfügung steht, dann bringt mir auch der beste Stapler nichts. Früher hatte man vielleicht noch ein Ersatzgerät herumstehen und hat das kaputte Gerät weggeworfen. Diese Zeiten sind vorbei. Daher haben wir nach dem besten Service gesucht.
Auftraggeber
Die Joma Kunststofftechnik (Brunn am Gebirge) produziert Primärpackmittel aus Kunststoff, darunter Dosen für die pharmazeutische, chemische und Lebensmittelindustrie, Pillen-Dispenser und Gewürzmühlen und -streuer. Das eigentümergeführte Unternehmen exportiert in mehr als 40 Länder.
Auftragnehmer
Die Jungheinrich AG (Hamburg) produziert Flurförderzeuge und FTS sowie verschiedenste Arten von Regalsystemen und Lagereinrichtung. Neben einer breiten Palette an Dienstleistungen bietet Jungheinrich zudem Gesamtlösungen für die Intralogistik: Analyse, Planung und Realisierung im Sinne eines Generalunternehmers, komplette Lagersysteme, Prozessoptimierung sowie Lagerverwaltung und -automation.