Bahn : Warum die F&E, Herr Schinko?
dispo: Herr Schinko, warum investiert der Logistiker eines Stahlkonzerns viel Geld und Manpower in Forschung und Entwicklung?
Markus Schinko: Wir sind als Logistikunternehmen extrem breit aufgestellt. Natürlich ist die LogServ Bahn-lastig, aber wir bedienen auch andere Verkehrsträger, und das in unterschiedlichsten Kombinationen. Und neben der reinen Transportleistung haben wir ein großes Service-Portfolio, darunter auch so exotische Dienstleistungen wie Fuhrparkmanagement, was man bei einem Logistikunternehmen ja üblicherweise nicht vermuten würde. In all diesen unterschiedlichen Segmenten sind wir immer wieder angetrieben, Neues zu entwickeln.
Wer treibt Sie an?
Schinko: Unsere Strategie und meine persönliche Überzeugung ist: Man kann Logistikprozesse nur über Innovation weiterentwickeln. Die Zeit, in der man über Einkaufsmacht versucht hat, Kosten zu optimieren, haben wir hinter uns. Kosten zu senken und Qualität nachhaltig zu verbessern, kann nur gelingen, indem man gemeinsam mit seinen Partnern die Prozesse optimiert. Das kann manchmal auch vom Drittmarkt getrieben sein: Es kommt vor, dass wir für Kunden eine Idee entwickeln und die dann auch hausintern umsetzen. Unser Eigentümer sieht es auch so, dass davon beide Seiten profitieren können.
Sie kooperieren in vielen Bereichen mit den ÖBB. Die sind ja immerhin auch ein Mitbewerber.
Schinko: Sie sind ein wichtiger Partner für uns. Wir kooperieren in unterschiedlichsten Bereichen, etwa auch Aus- und Weiterbildung von Triebfahrzeugführern. Man muss ganz klar sagen: Weder wollen noch können wir auf die ÖBB verzichten. Zusammenzuarbeiten ist im Grunde logisch. Wenn wir einander bekämpfen, gibt es immer einen Gewinner und einen Verlierer. Wenn wir kooperieren, profitieren langfristig beide.
Verändern sich durch Ihre Innovationslastigkeit Ihre Teams? Und finden Sie die passenden Mitarbeiter?
Schinko: Die Qualifikations-Anforderungen verändern sich laufend. Und Mitarbeiter zu finden, ist tatsächlich schwierig, speziell im Raum Oberösterreich. Es ist eine große Herausforderung, eines unserer wichtigsten Themen. Wir leben ja von der Schlüsselressource ‚Mitarbeiter‘, nicht von großen Industrieanlagen.
Die Nähe zum Logistikum hilft?
Schinko: Natürlich hilft das, aber wir kooperieren mit mehreren Ausbildungsstätten, von der FH St. Pölten bis hin zur TU Dresden, die sich seit Jahrzehnten auf Verkehrswissenschaften spezialisiert hat. Der große Name in unserem Rücken ist klarerweise auch kein Nachteil: Die Absolventen wissen, dass der voestalpine-Konzern Mitarbeiter fördert und entwickelt.
Wieso hat man eigentlich den Eindruck, dass der Bahnbereich viel weniger innovativ ist als die Straße?
Schinko: Von der Güter-Bahn kommt hier generell tatsächlich zu wenig. Was im Grunde absurd ist, denn die Bahn hatte gegenüber der Straße lange Zeit einen gewaltigen Vorsprung. Nehmen Sie nur das automatisierte Fahren: Das gibt es bei der Bahn seit Jahrzehnten, doch im Straßenbereich ist es jetzt das große Thema. Auch die Antischlupfregelung ist zum Beispiel bei Lokomotiven längst standardisiert. Ein Klassiker in diesem Zusammenhang ist die automatische Mittelpufferkupplung. Ich habe vor 30 Jahren Güterwagen konstruiert, und ich musste einen Freiraum für die automatische Mittelpufferkupplung vorsehen. Heute reden wir noch immer davon. Und Den Freiraum gibt es auch noch immer, die automatische Mittelpufferkupplung nach wie vor nicht.
Ein zentrales Problem ist allerdings die fehlende Standardisierung. Es gibt in Europa bekanntlich zahlreiche unterschiedliche Systeme, und auch wenn die Bestrebungen der Standardisierung zahlreich sind, ist es ein äußerst mühsamer Weg, der wohl noch Jahrzehnte andauern wird. Hinzu kommt, dass Investitionen in die Infrastruktur ganz einfach sehr viel Geld kosten. Und natürlich haben wir auch immer wieder mit nationalen Befindlichkeiten zu tun, das Thema Bahn ist auch ein politisches.
Zudem haben die Güterbahnen wohl auch verabsäumt, ihre Themen medial zu verbreiten. Innovationen wie der TransANT sind wirklich bahnbrechend, aber Widerhall finden sie eher nur in den Fachmedien.
Sie haben das automatisierte Fahren angesprochen. Wie weit können Sie sich da bewegen?
Schinko: Hier muss man zwei Bereiche unterscheiden. Auf den öffentlichen Strecken fährt die Bahn ja signalgeführt und nicht auf Sicht. Die Verantwortung bei technisch gesicherten Bahnübergang liegt beispielsweise beim Fahrzeuglenker auf Straße Pkw-Fahrer, und das bietet eine andere rechtliche Grundlage: Der Triebfahrzeugführer erledigt auf einer hoch automatisierten Strecke wie etwa zwischen Wien und Linz mit ETCS ja heute schon sehr wenige Aufgaben im Sinne der Überwachung der Strecke. Hier weiter zu automatisieren erhöht zwar die Zugfolge, hat aber bei der hätte im Sinne der Wirtschaftlichkeit des einzelnen Zuges also kaum Vorteile.
Spannender ist der Bereich der Werksbahnen, des Verschubs. Das ist ein kleinteiliges Geschehen, hier ist man mit Einzelwagen oder Waggongruppen unterwegs, und der Personalaufwand ist hoch. Hier kann Automatisierung durchaus zu Kostenreduktion führen. Automatisierung ist hier allerdings auch extrem kompliziert. Automatisierte Verschub etwa müsste mindestens den gleichen Sicherheitsstandard erreichen wie heute, denn hier fährt man eben auf Sicht. Und das bei jeder Witterung, auch bei Schnee, Regen, Nebel und Eis. Das ist technisch ganz einfach noch nicht lösbar. Wir verfügen über eine Reihe an Assistenzsystemen, aber die sind nun einmal keine Sicherheitssysteme.
LogServ entwickelt und testet allerdings viel in dieser Richtung: Mit welcher Kombination von Sensorik können wir diesen automatisierten Prozess zukünftig auf einer Anschluss- oder Werksbahn gewährleisten?
Was wäre denn ein weiteres großes Ziel?
Schinko: Auf jeden Fall die Zusammenführung der Daten, die wir immer noch in den unterschiedlichsten Systemen generieren. Unser DisPlay-System weist schon in diese Richtung. Das bildet jedoch den Gesamtprozess ab, wir haben aber zahlreiche Einzelprozesse laufen – und wir müssen es schaffen, all diese Daten zu verknüpfen, um Gesamtzusammenhänge besser darzustellen. Hier bewegen wir uns in Richtung Data Science. Dass unsere Muttergesellschaft hier bereits starke Ressourcen hat, wird uns natürlich helfen.
Der Leichte für’s Schwere
Mit dem TransANT gelang voestalpine und Rail Cargo eine Innovation im Bereich der Assets.
Als die voestalpine und die Rail Cargo Group vor knapp zwei Jahren den TransANT vorstellten, war den Unternehmen der Stolz auf die Entwicklung anzumerken. Innovationen im Bereich der Assets sind nicht allzu häufig. Der TransANT – der Name spielt mit der Assoziation „Leichtes trägt Schweres“ – ist ein Wagen in Leichtbauweise, der eine höhere Zuladung von bis zu vier Tonnen erlaubt. Die standardisierte Plattform ist in verschiedenen Längen zwischen 33 und 70 Fuß verfügbar, und die modularen Aufbauten sind in diversen branchenspezifischen Ausführungen erhältlich.
Die Aufbauwechsel ermöglichen somit Anpassungen an geänderte logistische Anforderungen. Im Unterschied zu anderen modularen Equipmentkonzepten ist TransANT auch mit Aufbauten uneingeschränkt im konventionellen Einzelwagenverkehr einsetzbar. Auch die LogServ setzt den TransANT ein: Die Garnituren transportieren heimisches Erz zur voestalpine nach Linz.
Daten für die Optimierung
Für den äußerst heterogenen Fuhrpark hat LogServ ein eigenes Condition-Monitoring-System entwickelt.
Condition Monitoring läuft bei der LogServ unter erschwerten Bedingungen: Fahrzeuge unterschiedlicher Hersteller sind hier auf der Schiene wie auf der Straße unterwegs. Da es für dieses Umfeld kein Condition Monitoring „von der Stange“ gibt, hat die LogServ gemeinsam mit Rosenberger selbst eines entwickelt.
Laut Geschäftsführer Markus Schinko geht es einerseits darum, die Betriebsdaten der Fahrzeuge abzugreifen, um dadurch auch Optimierung in der Instandhaltung zu ermöglichen. Der zweite wesentliche Fokus ist, Prozesskenntnisse zu erlangen, etwa im Sinne der Optimierung des Fahrzeugeinsatzes. LogServ setzt das Condition Monitoring intern ein, aber auch extern. Etwa bei Staplern, die über das Fuhrparmanagement an Kunden vermietet werden. „So können wir den Kunden sehr genau sagen, wie sie ihren Fuhrpark nützen. Daraus abgeleitet, arbeiten wir auch Empfehlungen aus, wo man das eine oder andere einsparen kann. Es ist mittlerweile ein sehr mächtiges Tool geworden.“
Markus Schinko betont, dass über das Tool keinerlei personenbezogene Daten ermittelt werden. „Das ist natürlich ein hoch sensibles Thema, aber wir wollen nicht Mitarbeiter überwachen, sondern Prozesse optimieren.“
Steuer in der Hand
LogServ hat eine eigene Stellwerks-Technologie entwickelt. Sie könnte sogar automatisierten Werkstransport regeln.
Rund 300.000 Güterwaggons bewegt die LogServ jährlich am Standort Linz. Um das komplexe System zu steuern, werden über eine Zentrale Fahrstraßen gebildet und Weichen und Signale sowie unterschiedliche andere Einrichtungen auf dieser Fahrstraße gestellt. „Es gibt einige wenige große Anbieter, die das für die großen Bahnen machen“, erzählt Geschäftsführer Markus Schinko, „aber es ist für eine Werks- und Anschlussbahn sehr teuer, sich ein Stellwerkssystem anzuschaffen.“ Die Lösung: LogServ entwickelte selbst ein System, das diese Aufgabe mit standardisierten Industrie-Modulen erfüllen kann. „Nun können wir relativ einfach unsere Stellwerks-Lösungen selbst entwickeln“, sagt Schinko, „im Schwesterwerk voestalpine-Donawitz haben wir etwa das gesamte Stellwerk erneuert, zwei weitere haben wir am Standort Linz in Betrieb genommen.“
Und die LogServ hat den möglichen nächsten Schritt mitgedacht: Das Stellwerkssystem ist auf den automatisierten Werkstransport auf der Schiene vorbereitet. „Dafür braucht man ein Stellwerkssystem, das auch mit den Fahrzeugen kommunizieren kann. Auch das haben mit-engineert. Wir können damit auch jede Infrastruktur-Einrichtung ansteuern, etwa Schranken oder Hallentore.“
Versand im Griff
Kann man den Versand wie eine Anlage planen? Bei der LogServ tut man es.
Verantwortlich ist nicht zuletzt die internationale Ausrichtung der voestalpine: Im Laufe der Zeit hat die LogServ hoch komplexe Logistikketten aufgebaut, ein Netzwerk mit zahlreichen Partnern und vielen Schnittstellen. „Es ist extrem schwierig, die Distribution zu steuern“, sagt Markus Schinko, „denn meistens sind hier viele unterschiedliche IT-Systeme im Einsatz.“ Das gerade in Einführung befindliche Distributions-Planungssystem DisPlay verfolgt den Ansatz, den gesamten Versandprozess analog zur Anlagen-Steuerung gesamthaft zu beplanen und zu steuern.