dispo: Herr Staberhofer, täuscht der Eindruck, dass Techniker in der Logistik-Forschung etwas unterrepräsentiert sind?
Franz Staberhofer: Das ist ein Befund, der meiner Meinung nach immer sichtbarer wird. Ich halte es allerdings eher für die Aufgabe der Logistik, die Technik für ihre Sache zu gewinnen, als umgekehrt.
Haben die beiden Disziplinen ein Kommunikationsproblem?
Staberhofer: Nein, die Formulierung ist mir zu hart. Die Kommunikation ist – für beide Seiten – manchmal herausfordernd. Ich glaube, Techniker finden eher Freude an der Lösung als am Weg dorthin. Ein guter Supply-Chain-Manager findet sich aber in einem Marktumfeld, in einer Kundenbeziehung wieder. Aber wie gesagt: Die Aufforderung, sich um bessere Kommunikation zu bemühen, geht eher in die Richtung der Logistiker, deren zentrale Aufgabe ja ist, Vernetzungen herzustellen. Logistiker müssen auch in andere Lösungsräume gehen. Um selbst wahrgenommen zu werden. Aber auch, um zu lernen. Wir arbeiten derzeit an einem großen Forschungsantrag, der genau diesen Bedarf adressiert und sogar methodisch unterstützen soll.
Mit dem Anspruch, eine Querschnittsmaterie zu vertreten, machen sich die Logistiker aber nicht nur Freunde.
Staberhofer: Das stimmt, die Logistik ist ja bekanntlich die Ausrede dafür, sich überall einzumischen. Und wo man sich einmischt, trifft man automatisch auf andere Meinungen und auf Ressentiments. Die sind im Bereich der Technik übrigens vergleichsweise gering. Wenn ich Vertriebsmitarbeiter bitte, Service-Levels zu erstellen, höre ich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit: ‚Wir müssen flexibel sein und die Kundenwünsche erfüllen. Das geht mit Service-Levels nicht.’ Wenn ich mir von der Produktion kleinere Losgrößen wünsche, um marktflexibel zu sein und Bestände zu optimieren, dann stoße ich auf Widerstand, weil ich die Rüstkosten steigere. In der Beschaffung haben wir das Thema Bemessung nach Wiederbeschaffungszeit oder nach Einkaufspreis. Bei Technikern geht es aus meiner Sicht oft nur darum, dass sie den Beitrag, den sie für die Supply-Chain leisten, auch für den Logistiker übersetzen.
Die Kommunikation, die Sie sich wünschen, muss am Beginn stehen, nehme ich an?
Staberhofer: Selbstverständlich. Vor ziemlich genau 50 Jahren haben die ersten genormten Container den Hamburger Hafen erreicht. Und was war der Tenor damals? ‚Der Blödsinn hört sicher bald wieder auf.’ Gekommen ist es anders, wie wir wissen. Die Einbindung des Containers in die globalen Supply-Chains ist heute hoch intelligent, aber begonnen hat es mit einem technischen Produkt, das genormt war und das Nutzen generiert hat.
Apropos Container: Die Vision des Physical Internet wird oft auf der Ebene des Informationsflusses, der Verkehrspolitik oder der Schnittstellenproblematik verhandelt. Vermissen Sie da die Techniker?
Staberhofer: Die Idee, dass Unternehmen in standardisierte, mit Intelligenz ausgestattete Container produzieren, die sich dann selbst ihren Weg suchen, ist visionär. Und ich bin davon überzeugt, dass das eines Tages funktionieren wird. Die Frage ist allerdings tatsächlich: Wo fange ich an? Bei der Standardisierung der Information? Da werden wohl die wenigsten mitspielen. Aber was spricht dagegen, einen Standardbehälter zu entwickeln, der bereits die Intelligenz und die Kommunikationsfähigkeit besitzt, die das Physical Internet später ermöglichen werden? Sogar der Handel, der gegenüber dem Mitbewerb bekanntlich nicht über-kooperativ ist, schafft es, standardisierte Kisten für Gemüse zu verwenden. Das wäre also tatsächlich ein guter Punkt, um zu beginnen.