dispo: Herr Issing, die Intralogistik entwickelt sich unaufhaltsam in Richtung weiterer Automatisierung. Wie weit kann das Ihrer Meinung nach denn gehen?
Elmar Issing: Die Branche wird in erster Linie vom Markt bestimmt – von unseren Kunden und von den Konsumenten. Sehen wir uns daher die Kette von diesem Ende aus an: Dank E-Commerce ist alles unmittelbar verfügbar, und man bekommt es auf Wunsch in kürzester Zeit bis an die Haustüre geliefert. Da jedoch die Zustellungen heute noch ungebündelt erfolgen und die Stopp-Raten sehr gering sind, macht die letzte Meile heute rund 50 Prozent der Kosten aus. Daher habe ich den Eindruck, dass zum einen Zustellgebühren angepasst werden und zum anderen Handelslogistiker und Zusteller versuchen, weitaus effizienter zu agieren.
Die Alternative ist klar: Es gibt einen deutlichen Trend in Richtung automatisierter Transferstationen: dezentral verteilte Übergabeeinrichtungen, an denen man seine Ware abholen kann, im Optimalfall sogar gekühlt. Umgekehrt können auch Gewerbetreibende, hier einlagern oder Endkunden ihre Retouren abgeben. SSI Schäfer war übrigens bereits 2002 in Kooperation mit dem Fraunhofer IML mit dem „Tower24“ am Markt, der genau das geboten hat. Mit diesem Thema haben wir uns also schon sehr früh auseinandergesetzt.
Zahlreiche Studien belegen, dass die Bereitschaft der Konsumenten, Waren oder Pakete an Transferstationen abzuholen, hoch ist und auch weiterhin zunimmt. Sehen Sie sich nur an, was in den USA vor sich geht: In den großen Stores sind bereits Hunderte von Indoor-Transferstationen installiert. Mitarbeiter kommissionieren die Ware vor, und die Kunden holen diese an den Transferstationen ab. Das funktioniert wunderbar.
Aber warum sind wir da noch nicht weiter? Die City-Logistik nähert sich ja teilweise schon ihren Grenzen.
Issing: Vielleicht ist der Leidensdruck einfach noch nicht groß genug. Statt über die dringend notwendige Bündelung von Transporten und Transferstationen zu sprechen, reden wir über die Direktzustellung durch autonome Kleinstfahrzeuge, Transporte per U-Bahn oder Paket-Drohnen. Auch wir nutzen Drohnen, etwa für Inspektionen im Lager, aber Pakete über dicht besiedelte Gebiete und Cities zu fliegen, halte ich aktuell noch für einen Irrweg. Daher müssen wir über andere Konzepte nachdenken, wie man die letzte und die vorletzte Meile realisieren kann.