Retouren : Wie digitales Retourenmanagement zum Klimaschutz beitragen kann

Retourenmanagement
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Beinahe jedes vierte Paket im Online-Handel wird in Deutschland zurückgeschickt, wie der European Return-o-Meter, eine Erhebung der Forschungsgruppe Retourenmanagement der Universität Bamberg, zeigt. Eigens erhobene Zahlen für Österreich gibt es nicht, wenngleich Experten von einer ähnlichen Retourenqoute ausgehen. In Deutschland gehen dabei jährlich etwa 530 Millionen Retouren-Pakete mit rund 1,3 Millionen retournierten Artikeln an die Händler zurück.

Zwar können über 93 Prozent der retournierten Artikel wieder als qualitativ neuwertig verkauft werden, und der Anteil der Artikel, die komplett entsorgt werden, liegt nur bei etwas mehr als einem Prozent. Doch auch dieser kleine Prozentsatz ist nicht zu unterschätzen. In absoluten Zahlen handelt es sich nämlich laut der Forschungsgruppe Retourenmanagement um 17 Millionen zurückgeschickter Artikel, die entsorgt wurden.

Die Auswirkungen von Retouren

Damit stellen Retouren in zweierlei Hinsicht ein großes Problem dar. Zum einen schmälern sie den Gewinn der Unternehmen und verursachen weitere Kosten, zum anderen haben sie nicht zu unterschätzende Auswirkungen auf die Umwelt. Sie führen zu mehr Verpackungsmüll und teilweise zur Deponierung beziehungsweise Verbrennung der Artikel und natürlich verursachen sie unter anderem durch zusätzliche Transporte einen immensen Kohlenstoffdioxidausstoß. In einem einzigen Jahr gehen schätzungsweise rund 795.000 Tonnen CO2 auf Retouren zurück – allein in Deutschland. Das, so die Forschungsgruppe Retourenmanagement, entspricht über fünf Milliarden Kilometern, die mit einem PKW zurückgelegt werden.

Obwohl Retouren eine Herausforderung darstellen, dürfen E-Commerce-Händler sich nicht einfach weigern, die Ware zurückzunehmen. Denn wird ein Artikel online bestellt, greift das gesetzlich geregelte Widerrufsrecht. Demnach können Kunden 14 Tage lang einen Vertrag widerrufen, wenn dieser ausschließlich über Fernkommunikationsmittel zustande kam. Das heißt, sie können innerhalb dieses Zeitraums Waren bei Nichtgefallen zurückschicken, auch wenn der Artikel einwandfrei ist. Bei vielen Waren bieten Online-Händler sogar einen längeren Rückgabezeitraum an, um wettbewerbsfähig zu bleiben.

Online-Händler müssen also einen Weg finden, um mit Retouren möglichst effizient umzugehen. Unterstützung kann hier ein digitales Rückgabeportal bieten. Dieses erlaubt es, Prozesse zu digitalisieren und zu automatisieren, indem Händler individuelle Regeln definieren. Dabei können sie den Rückgabeprozess Schritt für Schritt anhand der eigenen Interessen und Ziele des Unternehmens festlegen. Die Bedingungen für eine Rückgabe lassen sich beispielsweise an Produktkategorien, den Gesamtbetrag des Einkaufs oder regionale Voraussetzungen knüpfen. Auch den Zeitrahmen, in dem der Kunde Artikel zurückgeben kann und die Kosten für die Rücksendung, können in einem digitalen Rückgabeportal konfiguriert werden. Darüber hinaus bieten digitale Portale Händlern eine bessere Kontrolle darüber, welche Retouren zurückkommen. Wenn ein Kunde beispielsweise versucht, einen Artikel zurückzusenden, der nicht den Richtlinien entspricht, können Einzelhändler die Rückgabe automatisch ablehnen.

Die Vorteile von digitalen Retourenportalen

Retourenetiketten vermeiden: Viele Händler legen dem Paket noch immer vorgedruckte Versandetiketten bei. Für jeden Kunden, der einen Artikel nicht zurückschickt, wandern diese Etiketten direkt in den Müll, so dass mit jedem Paket mehr letztendlich tonnenweise Papierabfall entsteht. Bieten Online-Händler jedoch ein digitales Retourenportal an, können Kunden Rücksendungen online buchen, so dass die Einzelhändler nicht für jedes einzelne Paket Etiketten drucken müssen. Somit verringert sich der Papierverbrauch für Einzelhändler wie ASOS erheblich. Durch die Einführung eines digitalen Rücksendeportals spart der britische Einzelhändler pro Jahr 64 Millionen Rücksendebeilagen aus Papier ein. Dadurch bleiben rund 8.450 Bäume erhalten beziehungsweise werden etwa 320.000 Kilogramm Papier eingespart und 312 Tonnen CO2-Emissionen vermieden.

Gefahrene Kilometer reduzieren: Je mehr Kilometer die Rücksendungen transportiert werden müssen, desto mehr Emissionen verursachen sie. Eine Verringerung der gefahrenen Kilometer hilft nicht nur, Emissionen zu reduzieren, sondern auch den Einzelhändlern, Transportkosten zu sparen. Gefahrene Kilometer lassen sich vor allem dadurch einsparen, dass die Daten der Rücksendung erfasst werden. Diese können dann verwendet werden, um Artikel auf der Grundlage von Bestellinformationen, Artikeltyp, Standort und Rückgabegrund intelligent zuzuordnen. Mit der richtigen Lösung für das Retourenmanagement können Einzelhändler Regeln festlegen und verwalten, um die Bearbeitung von Retouren einfach zu definieren. So können sie beispielsweise. defekte Artikel direkt zur Reparatur oder zum Recycling schicken, während hochwertige Artikel direkt zum Wiederverkauf gebracht werden. Auf diese Weise lässt sich ein ganzer Transportabschnitt einsparen: Rücksendungen müssen nicht mehr zum Sortieren in ein Lager gebracht werden, bevor sie auf einer weiteren Fahrt die richtige Einrichtung erreicht.

Wiederverkaufsrate durch Geschwindigkeit erhöhen: Je mehr Artikel wiederverkauft werden können, desto mehr Umsatz macht der Einzelhändler und desto weniger Abfall wird entsorgt. Der Schlüssel zur Steigerung der Wiederverkaufsrate ist Schnelligkeit. Je schneller die Einzelhändler die zurückgegebenen Artikel zurückerhalten und gegebenenfalls reparieren können, desto größer ist die Chance, dass sie die Artikel wieder verkaufen können. Jegliche Verzögerung beim Versand, bei der Bearbeitung oder bei der Wiederauffüllung der Lagerbestände wirkt sich direkt auf die Wahrscheinlichkeit aus, dass ein Artikel weiterverkauft wird.
Wenn Online-Händler wissen, welche Waren zurückgeschickt werden und warum, noch bevor sie im Lager ankommen, erhalten Händler frühzeitig wertvolle Einblicke in den Zustand und die Art der zurückgesandten Artikel. Dies hilft den Lagerhaltungsteams, die einzelnen Artikel schnell zu bewerten und richtige Entscheidungen zu treffen: Artikel, die in gutem Zustand zurückgeschickt wurden, weil sie nicht passen oder ein Kunde seine Meinung geändert hat, können für die Neuverpackung und den Wiederverkauf priorisiert werden. Ist ein Artikel als beschädigt gekennzeichnet, kann er direkt zur Reparatur geschickt werden, oder er wird als B-Ware gekennzeichnet und zu einem reduzierten Preis angeboten. Artikel, die nicht mehr repariert oder weiterverkauft werden, können je nach Art und Material für das richtige Recyclingverfahren kategorisiert werden. Durch die Zusammenarbeit mit verantwortungsbewussten Recycling-Anlagen wird sichergestellt, dass diese Materialien nicht auf Mülldeponien landen und möglicherweise zur Herstellung neuer Produkte verwendet werden.

Selbstbedienungsabgabestellen an günstigen Standorten einrichten:
Um Kunden die Rückgabe nicht benötigter Ware zu erleichtern, könnten Online-Händler Netzwerke von Abgabestellen aufbauen und automatisierte Lösungen wie Selbstbedienungs-Paketautomaten einsetzen. Dadurch wäre es möglich, mehrere Retourenpakete auf einmal zu sammeln und effizientere Versandwege zu schaffen. In den USA und Großbritannien gibt es beispielsweise bereits solche Selbstbedienungsabgabestellen. Diese bieten den Kunden ein komfortableres Rückgabeerlebnis und tragen dazu bei, die Markentreue zu erhöhen. Je bequemer Kunden den Standort erreichen können, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie die Artikel frühzeitig zurückgeben, was wiederum die Chance auf einen Wiederverkauf erhöht. Ein automatisiertes Abgabesystem macht es zudem möglich, Platz auf bestehenden Logistikrouten mit Retouren zu füllen, anstatt neue Routen zu erstellen – und so Emissionen zu minimieren.

Der Autor, Gabriel Werner, ist Global Field CTO bei Blue Yonder.