Welchen Problemen begegnen Logistikbetriebe bei der Digitalisierung und Automatisierung, wie sieht die nächste Generation an Fachkräften aus und was kann das Prinzip der Agilität? Darüber sprach dispo mit Achim Himmelreich, Experte für Consumer Engagement, Consumer Products und Retail beim Beratungs- und IT-Dienstleistungsunternehmen Capgemini.
Herr Himmelreich, viele Unternehmen leisten zwar solche Investitionen, dass ihre Produkte und Dienstleistungen mit der Digitalisierung mithalten – nicht aber entsprechende Investitionen in ihre Mitarbeiter, die mit diesem Fortschritt mithalten müssen. Ist das Digitalisierungsproblem für Unternehmen nicht mehr, dass sie nicht rechtzeitig aufspringen, sondern dass sie bereits aufgesprungen sind und jetzt vor einem Fachkräftemangel oder Schulungsproblem stehen?
Achim Himmelreich: Der Fachkräftemängel ist sicher ein Problem, vor allen Dingen bei bestimmten Softwarelösungen, die sehr begehrt sind. Das Hauptproblem liegt aber darin, dass Digitalisierung zwar technologisch ausgelöst wird, aber die Konsequenzen für eine digitale Transformation eher das Geschäftsmodell betreffen. Und damit einher geht eine massive Veränderungsnotwendigkeit hinsichtlich Organisation und Kultur – hin zu Offenheit und Flexibilität. Dies bedeutet – etwas überspitzt formuliert – dass ein Unternehmen eine Fachkraft gar nicht bekommt, weil diese aufgrund der noch nicht transformierten Kultur lieber woanders hingeht. Der Schulungsbedarf ist daher zu allererst durch ein substantielles Change Management Programm zu decken.
Jede Strategie, jedes Produkt, das in Zusammenhang mit Automatisierung verkauft wird, verspricht enorme Entlastung der Arbeitskräfte und Einsparungspotential. In einer aktuellen Upskilling-Studie von Capgemini beklagt aber über die Hälfte der Führungskräfte, dass die Automatisierung die Produktivität der Belegschaft nicht verbessert habe. Führt die Automatisierung zu Faulheit?
Achim Himmelreich: Nein, die Menschen sind mit Sicherheit nicht fauler geworden. Automatisierung ist aber nur ein Teil eines in der Regel komplexen Prozesses. Beispielsweise ändern sich Trends heute wesentlich schneller als früher, statt einer Sommer- und einer Winterkollektion kommt heute mitunter neue Ware alle 14 Tage in das Geschäft. Um dies bewerkstelligen zu können wurden und werden ungeheure Automatisierungsanstrengungen unternommen. Da sich aber nicht alles automatisieren lässt, steigen auch die Anforderungen an die Arbeitnehmer. Und das sieht dann im Resultat scheinbar aus wie ein konstantes Produktivitätsniveau trotz Automatisierung. Es ist letztlich aber ein gänzlich anderer – komplexerer – Arbeitsvorgang.