Schurich: Gerade Amazon sorgt hier wirklich für enorme Bewegung. Hätte man vor ein paar Jahren ernsthaft darüber diskutiert, Zusteller in Abwesenheit in die Wohnung einzulassen? So etwas ist bei uns natürlich noch eher Zukunftsmusik, aber wir wollen darauf vorbereitet sein, denn irgendwann wird sie zu spielen beginnen. Ziemlich bald, vermute ich.
Ihr System ist ja auch für Dienstleister-unabhängige Zustellboxen für Private prädestiniert. Derzeit installiert aber jeder seine eigenen Boxen. Wie soll sich das ändern, wenn die Letzte Meile mit Klauen und Zähnen verteidigt wird?
Hödl: Ich bin kein Experte für KEP-Logistik, aber ich stelle mir schon die Frage, ob ein Aggregator, der sich auf einen kleinen Bereich wie etwa einen Bezirk konzentriert und sich dort extrem gut auskennt, nicht enorme Zeitersparnis bringen würde. Mein Bauchgefühl sagt mir: Das wäre sinnvoll. Ich wohne selbst im einzigen Haus in einer Sackgasse. Und trotzdem schaffen es die Zusteller immer wieder, mir den Zettel an die Türe zu hängen, weil ich sie zu spät erreicht habe. Das ist doch lächerlich. Ich könnte mir vorstellen, dass sich viele Konsumenten über ein alternatives Modell freuen würden.
Schurich: Ich glaube, dass diese Verteidigungsstellungen ziemlich unter Druck geraten werden. Große Retailer testen die Zustellung bereits selbst, um dem Endkunden innerhalb von Stunden das Paket zu liefern. Die Carrier könnten hier sehr schnell ins Hintertreffen geraten, wenn sie zu langsam sind. Digitalisierung ist mehr, als ein paar Dateien auszutauschen. Doch die großen Händler agieren bereits in Quasi-Echtzeit, ein Zusteller muss Ad-hoc reagieren können. Darauf müssen sich die Carrier vorbereiten.
Noch einmal zum Thema B2B: Zutrittssysteme wie das Ihre eignen sich besonders für Shared-Space-Offices. Haben Sie auch Logistik-Immobilien im Blick?
Hödl: Ja, weil sich die Asset-Light-Philosophie auch hier ausbreiten wird. Wir sehen heute schon, dass große Industriebetriebe beginnen, in ihre Firmenzentralen Digital Access einzubauen, um Flächen bei Unterbelegung über Plattformen weiterzuvermieten. Das ist durchaus auch ein Thema für Logistikzentren und ideal für Unternehmen, die sehr schnell sehr viel Platz brauchen. Die wesentlichen Storage Places werden in ihrer Benützung flexibler. Denken Sie an einen Hafen: Wenn Sie dort Platz benötigen, werden sie ihn jederzeit buchen können – Sie fahren einfach hin und öffnen das Lager.
Schurich: Ich denke, wir werden viele Anwendungen sehen, an die wir selbst noch nicht gedacht haben. Denn wenn man Schlüssel dynamisch vergeben kann, kann man auch beliebige Addon-Services hinzufügen, und genau das ist ja ein USP unseres Systems.
Aber die Einzigen sind Sie nicht im Markt?
Schurich: Nein, unter anderem ist Amazon – wieder einmal – vorgeprescht. Deren Amazon Keys ist in Europa aber schwierig umzusetzen, da hier überall komplett unterschiedliche Normen für Türen gelten. Wir können derzeit ganz Europa mit Formfaktoren abdecken. Wir können also liefern, was Amazon Keys verspricht.
Sprechen Sie mit Amazon?
Hödl: Sagen wir so: Es gibt derzeit wenige, die nicht mit uns sprechen wollen.