Social Commerce : Wird TikTok das neue Amazon?
TikTok plant die Einführung seiner E-Commerce-Lösung „TikTok Shop“ in Europa, um Unternehmen und Händlern eine neue Möglichkeit zu bieten, Produkte direkt über die Plattform zu verkaufen. Ursprünglich war der Start für 2024 geplant, doch nun scheint er sich auf 2025 zu verschieben. Das Thema Expansion des TikTok-Shops wird zumindest in der E-Commerce-Branche stark verfolgt, da die Plattform das Potenzial hat, den europäischen Onlinehandel maßgeblich zu verändern und den Social Commerce auf eine neue Ebene zu heben.
TikTok Shop ermöglicht es Marken und Händlern, ihre Produkte nahtlos in Videoinhalte zu integrieren. Kaufentscheidungen direkt aus den Videos heraus treffen können. Diese Funktion hat sich bereits in Märkten wie den USA und Südostasien bewährt, wo die Plattform im vergangenen Jahr einen Umsatz von über 16 Milliarden US-Dollar erzielte. Die Verbindung von Entertainment und Shopping spricht vor allem jüngere Zielgruppen an, die Social Media zunehmend auch zum Einkaufen nutzen.
Laut einer Studie des Beratungsunternehmens Accenture soll sich das weltweite Marktvolumen von Social Commerce im Jahr 2021 auf 492 Milliarden US-Dollar belaufen haben und bis 2025 auf ein Volumen von rund 1,23 Billionen US-Dollar steigen. McKinsey wiederum rechnet damit, dass der weltweite Umsatz durch Social Commerce 2024 1,7 Billionen US-Dollar erreichen wird - bis 2029 soll sich diese Zahl vervierfachen.
Auch ein Consumer-Barometer von KPMG und IFH Köln zeigt, dass die Marktmacht des Social-Commerce-Vertriebskanals wächst. So zeigen sich 87 Prozent der Konsumenten generell dem Konzept gegenüber interessiert, 75 Prozent haben schon einmal über Social Commerce gekauft.
TikTok Fulfillment als eigene Logistik-Lösung
Ein weiterer entscheidender Faktor für den Erfolg von TikTok im E-Commerce ist die Einführung von „TikTok Fulfillment“. Dieser Service wurde im August 2023 in Großbritannien eingeführt und basiert auf dem Fulfillment-Angebot (FBA) von Amazon. TikTok Fulfillment bietet Händlern die Möglichkeit, ihre Produkte in TikTok-eigenen Lagern zu lagern und von dort aus direkt an ihre Kunden zu versenden. Diese „Rundum-Sorglos-Lösung“ umfasst Lagerung, Verpackung und Versand. LinkedIn-Profile und Stellenanzeigen deuten darauf hin, dass TikTok ein Logistikzentrum in Amsterdam plant, um auch europäische Händler regionaler zu unterstützen.
Expansion des TikTok Shops nach Europa: Verzögerter Markteintritt
Ursprünglich war die Einführung von TikTok Shop in wichtigen europäischen Märkten wie Deutschland, Spanien, Frankreich und Italien für 2024 geplant. Insidern zufolge, darunter Alexander Graf, CEO des Softwareunternehmens Spryker, könnte sich der Start in Deutschland jedoch bis Ostern 2025 verzögern. Spanien könnte als einziger europäischer Markt TikTok Shop noch in diesem Jahr einführen, eine offizielle Bestätigung steht jedoch noch aus.
Was ist Social Commerce?
Social Commerce bezeichnet den direkten Verkauf von Produkten über soziale Medien. Nutzer können Produkte entdecken, sich darüber informieren und direkt in der App kaufen. Plattformen wie Instagram und TikTok haben spezielle Shopping-Funktionen eingeführt, die das Einkaufen nahtlos in das soziale Erlebnis integrieren. Durch personalisierte Inhalte, Influencer-Marketing und interaktive Features wird der Kaufprozess zu einem Erlebnis, das weit über den traditionellen Online-Shop hinausgeht.
Wachstum von Social Commerce und Marktentwicklung in Europa
Laut Wirtschaftskammer Österreich haben bereits mehr als zwei Milliarden Menschen Produkte über Social Media gekauft und diese Zahl wird in den nächsten Jahren weiter steigen. Vor allem für die jüngere Generation ist der nahtlose Übergang zwischen Inhalt und Kaufentscheidung eine attraktive Lösung, da der Kauf direkt in den sozialen Medien stattfindet.
Durch die ständige Weiterentwicklung vieler Social Media Plattformen scheint es jedoch oft schwierig zu sein, zu sagen, über welche Plattform welche Zielgruppe besser und genauer erreicht werden kann. Im Rahmen einer Masterarbeit an der FH Wiener Neustadt im Auftrag der Sparte Handel der WKNÖ wurde empirisch untersucht, ob die Generationen Z und Y eher auf Instagram oder TikTok einkaufen.
Die Studie untersuchte das Kaufverhalten der Generationen Z (18-28 Jahre) und Y (29-42 Jahre) auf Instagram und TikTok. Die Befragung von 310 Personen ergab, dass 43 Prozent der Befragten am liebsten über Instagram einkaufen würden, während nur 13 Prozent TikTok für Einkäufe bevorzugen. Ebenfalls rund 43 Prozent würden auf keiner der beiden Plattformen lieber einkaufen. Obwohl die Akzeptanz von TikTok als Social-Commerce-Plattform in der Generation Z höher ist als in der Generation Y, bleibt Instagram bei der Kaufpräferenz führend. Beide Altersgruppen geben an, am häufigsten Bekleidung und Textilien über Social-Media-Plattformen zu kaufen.
Gleichzeitig soll die Zahl der monatlich aktiven TikTok-Nutzer bis 2025 auf 1,1 Milliarden steigen, während die Nutzerzahlen von Instagram stagnieren. Diese Entwicklung zeigt, dass TikTok neben Instagram in Zukunft eine wichtige Rolle im österreichischen Handel spielen könnte.
47% der Gen Z und 54% der Gen Y sind der Meinung, dass Instagram nützlich ist, um Produkte und Dienstleistungen zu kaufen. Bei der Plattform TikTok stimmen 35 Prozent der Gen Z und 36 Prozent der Gen Y dieser Aussage zu. Fragt man die Altersgruppen, ob sie bereits Produkte über die Social-Commerce-Plattformen gekauft haben, geben 34 Prozent der 18- bis 28-Jährigen und 32 Prozent der 29- bis 42-Jährigen an, bereits Produkte über Instagram gekauft zu haben. Auch über TikTok haben bereits 29% der 18-28-Jährigen, aber nur 16% der 29-42-Jährigen eingekauft.
Nach Einschätzung von Bernhard Egger, Direktor des Schweizerischen Handelsverbands, wird Social Commerce immer wichtiger. "TikTok wird das neue Amazon", so der Branchenvertreter. Laut Egger macht der Verkauf über soziale Medien derzeit etwa zehn bis 15 Prozent des Onlinehandels in der Schweiz aus. "Wir gehen aber davon aus, dass dieser Anteil auf rund ein Viertel steigen wird. Das Thema wird uns also noch sehr beschäftigen", so Egger.
Herausforderungen für TikTok im europäischen Social-Commerce-Markt
Obwohl TikTok das Potenzial hat, den Social Commerce in Europa maßgeblich zu beeinflussen, steht das Unternehmen auch vor Herausforderungen. Die Plattform wird vor allem für unterhaltsame Kurzvideos genutzt und viele Nutzer könnten die Shopping-Funktion als störend empfinden. Eine aktuelle Studie zeigt, dass junge Nutzerinnen und Nutzer häufig den Wunsch äußern, den TikTok Shop abschalten zu können, um sich besser auf die Inhalte konzentrieren zu können. Dies könnte zu einem Hindernis für TikTok werden, da die Plattform Gefahr läuft, das zentrale Nutzererlebnis zu beeinträchtigen.
TikTok und die regulatorischen Hürden in den USA
Während TikTok seine Expansionspläne in Europa vorantreibt, stößt die Plattform in den USA auf regulatorische Hürden. Die US-Regierung hat kürzlich ein Gesetz verabschiedet, das die chinesische Muttergesellschaft ByteDance dazu zwingt, TikTok an einen von der Regierung genehmigten Käufer zu verkaufen oder andernfalls ein Verbot zu riskieren. Hintergrund dieser Entscheidung sind Sicherheitsbedenken, dass die chinesische Regierung auf Nutzerdaten zugreifen könnte. ByteDance hat bereits Klage eingereicht und es wird erwartet, dass der Fall vor dem US Supreme Court verhandelt wird. Der Ausgang könnte die Zukunft der Plattform in den USA maßgeblich beeinflussen.