Interview : "Das Thema Nachhaltigkeit wird sich bei Logistik-Immobilien noch viel intensiver durchsetzen“

Goldbeck-Rhomberg-Geschäftsführer Georg Vallaster
© Jens Ellensohn Fotografie

Goldbeck-Rhomberg hat zum wiederholten Mal ein Rekordjahr hinter sich. Wie schätzen Sie das laufende Jahr ein?

Georg Vallaster
Spannend! Die Interviews der letzten Jahre waren geprägt durch die Aktualität von Krisen, jetzt reden wir von Zinsen und Inflation. Die Vorausschau über ein Jahr wird jedes Jahr schwieriger. Klar ist, dass wir einen Rekordauftragsbestand haben, das heißt das Jahr 2023 wird für uns auf jeden Fall noch gut. Die Anfragen gehen aber deutlich zurück, was das Jahr 2024 bringt, kann ich nicht voraussehen.

Woran liegt das?

Vallaster
Ein ganz großes Thema sind die Zinsen. Wir haben bereits unterschriebene Aufträge, die dann von den Kunden wieder storniert worden sind. Da war im Vertrag dann ein Ausstiegsszenario bei Problemen mit der Finanzierung enthalten, und es gab Aufträge, wo etwa der vierte Bauabschnitt beim gleichen Bauherrn nicht mehr finanziert wurde. Da ist einfach deutlich spürbar, dass sich sowohl die Anforderungen an die Eigenkapitalstruktur wie auch die Zinsen ganz deutlich verändert haben.

Wie sehen Sie die weitere Entwicklung?

Vallaster Ich kann nur unsere Banken zitieren, die sagen, es gibt noch zwei kleine Zinsschritte im heurigen Jahr, Ende 2023 sollte die Obergrenze erreicht sein. Aber die Zinsen sind nur die halbe Wahrheit, die andere Hälfte ist die notwendige Eigenkapitalstruktur, die die Banken fordern. Ich glaube, das macht den Kunden mindestens so viele Sorgen wie die Zinsen an sich. Im Industriebau sind wir noch in einer glücklicheren Lage, da geht wenigstens noch ein bisschen etwas. Im Wohnbau geht teilweise gar nichts mehr.

Verändern die Themen EU-Taxonomie und CO2-Bepreisung Ihre Arbeit?

Vallaster Absolut. Um am vorigen Punkt anzuschließen: Wenn Sie eine Logistikimmobilie gut vermieten und auch verkaufen wollen, dann müssen Sie in diesen Nachhaltigkeitsbereichen am obersten Level sein. Dann bekommt man leichter Geld, bekommt bessere Zinskonditionen und kann so nachhaltig noch gut verkaufen.

Was heißt das konkret für Ihre tägliche Arbeit?

Vallaster Wir haben eine eigene Abteilung für Nachhaltigkeit, in der wir die Zertifizierungen und den Nachweis der EU-Taxonomie umsetzen können, und in der wir unserem Bauherren schon im Vorfeld eine Einschätzung vom CO2-Fußabdruck für das Gebäude für unsere Bauherren machen können. Ich weiß aus Deutschland, dass es schon erste Bauaufträge gibt, wo neben dem Preis auch der CO2-Fußabdruck für die Vergabe entscheidend ist. Und wenn man das Know-how nicht hat, das schon im Vorfeld zu beurteilen, kommt man gar nicht an den Auftrag. Wir können auch bei der DNGB-Zertifizierung sagen, dass wir – wenn wir das so und so bauen – Gold erreichen können. Inzwischen gehen die ersten Logistik-Immobilien Richtung Platin. Auch hier wissen wir ganz genau, was zu tun ist, damit man Platin erreicht – zum Beispiel, den Gebäudebetrieb ohne zusätzliche eingekaufte Energie nachzuweisen. Das bedeutet: Das, was ich für das Gebäude an Strom brauche, muss ich mit einer Photovoltaikanlage über das Jahr gesehen in Summe wieder erzeugen.

Das heißt eine solche Abteilung ist nicht unbedingt ein Wettbewerbsvorteil, sondern bereits state of the art?

Vallaster Sie ist notwendig. Unser Wettbewerbsvorteil ist das Bauen mit System Wir kennen alle unsere Systembauteile und tun uns dadurch natürlich im Vorfeld wesentlich leichter, ihren CO2-Fußabdruck einzuschätzen. Das heißt, wir können in einer ganz frühen Phase mit absoluten Zahlen und nicht nur mit Erwartungen arbeiten.

Wie groß ist dieses Nachhaltigkeitsteam?

Vallaster Wir haben Anfang 2023 mit dem Leiter des Nachhaltigkeitsteams begonnen. Jetzt wollen wir noch zwei bis drei Leute einstellen, denn das sind ja alles ganz spezielle Themen. Ich kann mit jemandem, der nicht DGNB zertifizieren kann, noch eine Temperatur- und eine Energiesimulation für das Gebäude machen, aber die EU-Taxonomie ist noch einmal etwas anderes. Das ist schon ein sehr breit gefächertes Feld, wo ich mehrere Spezialisten brauche.

Wie sieht es denn mit der Verfügbarkeit von Grundstücken aus? Sind genügend Grundstücke für die Projekte, die Sie umsetzen wollen, vorhanden?

Vallaster Nein. Grundstücke kommen jetzt eher wieder auf den Markt. Die Grundstückssituation hat sich ein bisschen entspannt. Das Thema ist: Logistikimmobilien will natürlich niemand. Die sind politisch nicht gewollt. Das heißt, die Genehmigungsfähigkeit und die richtige Widmung dafür wird immer schwieriger. Das ist eine sehr große Einschränkung, denn es gäbe wieder Grundstücke, wo man aber nicht das errichten kann, was der Kunden gern hätte.

Weichen Sie dann auf bereits bestehende Bauten um?

Vallaster Man versucht natürlich, dass man alte Industrieareale verwenden kann, dass man auf so genannte Brownfields baut. Da ist das natürlich viel leichter und eine Renaturierung des Grundstücks. Das kostet natürlich auch Geld, aber es ist leichter machbar. In Wien funktioniert das eigentlich nur noch so. Eine grüne Wiese in Wien, um Logistikflächen zu bauen, gibt es ja nicht.

Ist es nicht grundsätzlich nachhaltiger, Brownfields zu bauen?

Vallaster Absolut. Aber es kostet Geld. Ist das Grundstück, sind die Materialien kontaminiert? Wenn ich nur eine leere Halle abbrechen muss sind die Kosten überschaubar. Wenn ich aber eine alte Fabrik abbreche, ist die meist so alt, dass der Umweltgedanke beim Bau und in der Nutzung noch keine Rolle gespielt hat. Das Kontaminationsthema verfolgt einen die ganze Zeit.

Wie viel Prozent Brownfield und wie viel Prozent Greenfield bauen Sie aktuell?

Vallaster ich würde sagen es sind zwischen 15 und 20 Prozent Brownfield, Tendenz absolut steigend. Nachdem man die Versiegelung zukünftig wohl grundsätzlich einschränken wird, wird der Brownfield-Anteil Richtung 50 Prozent gehen.

Gibt es Kunden, die nach Brownfield Grundstücken verlangen?

Vallaster Ich würde sagen sie suchen gezielt danach. Bei Zertifizierungen gibt es Zusatzpunkte für Brownfield. Bei der EU-Taxonomie wird das ebenfalls positiv bewertet, und auch in der Genehmigungsphase ist ein Brownfield-Projekt einfacher umzusetzen.

Goldbeck Rhomberg hatte im letzten Jahr Herausforderungen bei der Beschaffung. Wie sieht die Situation aktuell aus?

Vallaster Die Lage hat sich seit Anfang 2023 sehr stark entspannt. Dadurch, dass der Wohnbau stark zurückgegangen ist, und wir davon ausgehen, dass durch die Zinspolitik auch das Industriebauvolumen deutlich abnehmen wird, hat sich auch die Beschaffungsproblematik entspannt. Wir sehen dass sich erste Preise für Materialien auch wieder nach unten bewegen. Die Materialbeschaffung ist also einfacher und das Material wird günstiger. Demgegenüber steht natürlich der Lohnabschluss in der Bauindustrie mit fast zehn Prozent, der natürlich die Baukosten an sich eher in die Höhe treibt. Also es ist auch hier ein schwieriges Thema.

Was bringt die Zukunft der Braubranche?

Vallaster Das Thema Nachhaltigkeit wird sich noch viel intensiver durchsetzen. Wir werden über CO2-reduzierten Zement, Beton und Stahl diskutieren müssen – beziehungsweise haben wir die Diskussion schon hinter uns. Es gibt schon Lösungen, aber die muss man noch in die Fläche bringen, muss mit der Menge noch realistische Preise schaffen. Aber das wird ein Riesenpunkt, dass der CO2-Abdruck der Gebäude deutlich nach unten gehen muss. Ich glaube, das ist eine der größten Herausforderungen in Summe.
Was aktuell aber auch spürbar ist: Die Industrie zieht wegen des Inflation Reduction Acts momentan stark Richtung USA. Das liest man überall und das sagen uns auch Kunden direkt, dass sie sich überlegen, überhaupt in Europa zu bauen, weil sie in den USA so unfassbare Förderungen bekommen würden. Da ist ein Förderungswettstreit der Kontinente entbrannt.