Supply Chain : Die Logistik nach der Krise

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Das Krisen-ABC lässt sich fast von A bis Z durchspielen. Von der Corona-Krise über den Containermangel, über die Halbleitermarkt-Krise bis zur Suezkanal-Krise: Die letzte Zeit hat klar gezeigt, wie sensibel global vernetzte Supply Chains im Katastrophenfall sind. Besonders der Nachschub von Gütern aus Asien, von dem die europäische Fertigungsindustrie in hohem Maße abhängig ist, war von den Pandemiemaßnahmen besonders betroffen. So werden bereits Stimmen in Wirtschaft und Politik laut, die fordern, dass Industriebetriebe innerhalb der EU wieder zu einem höheren Teil auf lokale Versorgung, Fertigung und Lagerhaltung zurückgreifen, um wieder größere Unabhängigkeit von globalen Einflussfaktoren zu erlangen. Das Ziel: die Supply Chain soll resilient werden.

So werden Logistikketten resilienter

„Die Anfälligkeit der Lieferketten ist spätestens seit Fukushima bekannt. Im Rahmen der Globalisierung und der Verlagerung der Produktionsstätten in Niedrigkostenländer war stand zuerst die Kostenoptimierung im Fokus, dann die Innovationen. Nun gehen wir in ein Zeitalter über, in dem das Thema Risiko immer bedeutsamer wird“, meint Joris D'Incà, Partner bei Oliver Wyman und spezialisiert auf die Transport- und Logistikbranche. „Wir werden in Zukunft darüber nachdenken müssen, wie viel Konzentration der Logistikketten wir uns leisten können und wo man diversifizieren muss, um das Risiko zu reduzieren. Innovation, Kosten und Risiko werden bestimmen wie Logistikketten auszusehen haben.“

Wolfram Senger-Weiss, Vorsitzender der Geschäftsleitung von Gebrüder Weiss, hält Distanz nicht unbedingt für den Grund für Unterbrechungen der Supply Chain: „Die Logistikketten aus Übersee haben gleich funktioniert, wie in Übersee. Es war nicht so, dass Reshoring Vorteile gebracht hätte. Viele Unternehmen haben einfach auf zu wenige Lieferanten gesetzt. Aus meiner Sicht war vor allem die Automobilindustrie in diesem Thema zu präpotent.“

Reshoring und Nearshoring

Viele streben nun die Lokalisierung in den heimatlichen Märkten an, um sich von äußeren Einflüssen unabhängiger zu machen. „Was Nearshoring betrifft, sehen wir keine Veränderung im Global Trade. Das Handelsvolumen ist auf einem neuen Peak. Unsere Wirtschaft boomt gerade, weil speziell China stark durch 2020 gelaufen ist und sich auch die USA gut entwickelt und die Nachfrage anzieht. Wenn der asiatische Markt ein wichtiger Markt ist, dann ist es natürlich noch schwieriger, die Produktion für diesen Markt von dort wegzunehmen“, sagt Senger-Weiss. „Was aber eindeutig Richtung Nearshoring geht, ist das Thema E-Commerce. Lieferketten zum Endkunden wurden verkürzt – hier braucht es höhere Verfügbarkeit. Das ist ein Trend der sich verstärken wird“, so Senger-Weiss. Bezogen auf Industriegüter, würde er noch mehr Risikoaufschlag einberechnen, da die Industrie durch andere Anforderungen auch andere Vorlaufzeiten kalkulieren muss.

„Ich glaube, dass die Risiken in den Logistikketten künftig deutlich steigen werden. Wir dürfen uns nicht in Sicherheit wägen“, warnt D’Incà. „Sehen wir uns die intraasiatischen Verkehrs- und Logistikströme im Vergleich mit Europa an, dann ist es absehbar, dass die Wichtigkeit von Europa als Markt sowie auch als Produktionsstandort abnehmen wird. Das wird sich langfristig auf die Versorgungssicherheit auswirken. Ich bin überzeugt, dass das Risikoprofil von Europa massiv zunehmen wird“, ist D’Incà skeptisch.

Predictive Analysis – funktioniert das?

Franz Staberhofer, Leiter des Logistikums am Campus Steyr der FH Oberösterreich, berichtet: „Wir arbeiten mit einem Supply Chain Dashboard, wo wir das Netzwerk eines Unternehmens aufspannen und mit einfachen Tools von KI herausfinden wo es Probleme gibt. Das machen wir zum Beispiel für Hofer und BMW.“ Außerdem lassen sich mithilfe von Machine Learning Muster erkennen. Sind in der Vergangenheit gewisse Situationen eingetreten, so lassen sich durch die Muster Probleme vorhersehen. „Ich bin überzeugt, dass das Thema Forecast immer unrealistischer wird und wir stattdessen besser aus Mustern aus der Vergangenheit lernen“, so Staberhofer. Er bezeichnet die aktuelle Krise übrigens nicht als Krise. „Nein, wir haben keine Krise, wir haben gute Inputs! Für die Logistik ergeben sich gerade großartige Chancen“, meint Staberhofer. Er spricht von Bewegung am österreichischen Markt, die zu positiven Herausforderungen führt.

Wie in Zukunft die Logistikketten für KMUS beeinflusst werden

KMUS zeichnen sich grundsätzlich durch ihre Flexibilität und Agilität aus. Laut D’Incà werden diese Eigenschaften für KMUs auch in Zukunft von Vorteil sein. „In der Zulieferbranche wird man immer enger in das Datenmanagement der Logistikkette eingebunden werden. Der Druck, die Logistikkette zu digitalisieren, wird höher werden“, meint D’Incà.

Nach der Krise ist vor der Krise

Welche dauerhaften Veränderungen werden sich implementieren, fragen sich viele. „Ich glaube, man ist bedingt durch Covid angeregt worden, sich darauf einzustellen, dass alles passieren kann“, meint Staberhofer, der prognostiziert, dass sich die Lieferketten verschieben werden. „Wir wissen nicht, was das nächste Risiko sein wird. Die Reaktion auf ein Risiko und die schnelle Entwicklung alternativer Lösungen ist extrem wichtig“, meint auch D’Incà und fügt hinzu: „Das wird nur möglich sein, wenn ich gute Leute habe. Und auch die Digitalisierung wird meiner Meinung nach noch viel stärker gepusht werden.“ Auch Senger-Weiss weist auf die Wichtigkeit hin, vorbereitet zu sein, um flexibel reagieren zu können: „Unsere künftigen Krisen werden immer global sein. Eine globale Krise braucht also auch globale Antworten.“ Er empfiehlt, sich nicht als Österreich oder als Europa zu isolieren, sondern das ganze Bild zu sehen.