Letzte Meile : Was ist dran am Lastenrad?

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Die Post testet es, die Stadt Wien unterstützt es und mehrere Sharing-Plattformen bieten es an. Doch wirklich durchgesetzt hat sich das Lastenrad auf der letzten Meile noch nicht. Ist es mehr Hype als echtes Potential?

Es könnte beides sein. Der Hype lässt sich in radfreundlichen und -intensiven Städten wie Amsterdam und Kopenhagen beobachten. Im Großraum der dänischen Hauptstadt etwa kommen auf 750.000 Einwohner bereits 40.000 große Lastenräder.

Von solchen Zahlen ist Wien wohl noch relativ weit entfernt, wenn es auch derzeit keine Erhebungen zur Anzahl in der Stadt gibt. 2017 förderte die Stadt Wien die Anschaffung von 322 Lastenrädern finanziell. 300.000 Euro wurden dafür aufgewendet, die höchste Stückzahl wanderte mit 51 in die Leopoldstadt. 85 Prozent der Inanspruchnehmer waren Privatpersonen, doch immerhin ein paar Unternehmen waren dabei.

300.000 Euro für 300 Räder – das Lastenrad ist ein teurer Spaß

Lässt sich daraus schließen, dass der Privatgebrauch sinnvoller ist als der gewerbliche? Nicht unbedingt. Mehrere Studien untermauern Schätzungen, dass etwa ein Viertel der Transportfahrten per Lkw in Deutschland per Rad machbar wären – 23 Prozent laut dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, 25 Prozent nach dem KEP-Spezialisten Cycle Logistics, und 33 Prozent laut der TU Nürnberg. Noch höher fallen die Schätzungen natürlich für die zwei Räder als Ersatz für private Logistikfahrten und Pkw aus. Der Verkehrsclub Österreich bezieht sich hier auf eine Studie des Amts für Umweltschutz in Bern: Ein herkömmlicher Pkw kann ein Volumen von bis zu 400 Litern und ein Gewicht von bis zu 500 Kilo transportieren – ein kleines Lastenrad schafft 100 Liter und 200 Kilo, ein großes sogar 500 Liter und 300 Kilo. Vom Volumen her schneidet das große Lastenrad also sogar besser ab als der Pkw. Dass Kraftfahrzeuge mehr Gewicht schleppen können, ist klar – aber überwiegen nicht trotzdem die Vorteile eines Rads?

Eines der am häufigsten Vorgebrachten Argumente ist der Umweltaspekt. Der lässt sich auch in konkrete Zahlen fassen. Würden in Deutschland 23 Prozent der Transportfahrten auf Cargo Bikes verlegt – und acht bis 23 Prozent ließen sich verlagern –, wären Stickoxide um 450 bis 2.000 Tonnen und Feinstaub um 20 bis 100 Tonnen reduziert. Zusätzlich würde die Alternative 150.000 bis 700.000 Tonnen CO2 einsparen.

Umweltschutz versus Praxistauglichkeit – wie gut schneidet das Rad ab?

Doch welche Fahrten sind das genau, die sich angeblich so leicht auf zwei Räder transferieren ließen? Laut dem VCÖ wären das 77 Prozent der Einkaufsfahrten, die Hälfte aller dienstlichen Fahrten, wie etwa die des Installateurs bei seinen Hausbesuchen, und ein Viertel der Lieferungen.

Dieses Potential für die letzte Meile blieb bisher auch nicht gänzlich ungesehen und ungenutzt. So hat die Österreichische Post in Wien Josefstadt Weihnachten vor einem Jahr eine zwei- bis dreimonatige Testphase abgehalten – mit durchwachsener Bilanz.

Die Parkplatzsuche gestalte sich laut Post nämlich als doch etwas schwierig. Zwar passen theoretisch auf einen Pkw-Parkplatz vier Transporträder; dafür müssten sie aber perfekt geschlichtet werden, außerdem ist es bekannterweise oft schon schwer genug, einen freien Pkw-Stellplatz zu finden. „Die Räder waren doch etwas größer als zuvor gedacht“, so Michael Homolo von der Post gegenüber dispo.

Das könnte eine Erklärung sein, warum in Wien immer noch recht viele Lkw und recht wenige gewerbliche Lastenräder auf der Last Mile zu sehen sind. Ein Lkw kann – so nervig es auch sein mag – schließlich ohne viele Umstände eine Halteerlaubnis zum Ausladen erhalten. Das große Lastenrad kann nicht einfach am Straßenrand abgestellt werden. Das wiederum wäre aber mehr Grund für hilfreiche Regulierungen denn ein endgültiges Aufgeben. Und auch die Post will nicht aufgeben. „Wir werden heuer, voraussichtlich im Sommer, einen weiteren Pilot starten. Das wird vermutlich in Wien sein und mit mehr Rädern, aber fest steht noch nichts“, so Homola. „Das Thema ist für uns nach wie vor nicht uninteressant.“

„Größer als gedacht“

Die Post ist mit diesem Empfinden freilich nicht alleine in Wien. Ein Lastenrad kostet zwischen 1.800 und 2.700 Euro, mit Elektro-Motor auch gerne einmal 5.000 Euro. Da sich für Privatnutzer wegen ein paar wenigen Fahrten im Jahr eine solche Anschaffung daher kaum auszahlt, haben sich schon mehrere Sharing-Plattformen in Wien etabliert. Da gibt es etwa das Lastenradkollektiv, bei dem man gegen eine freiwillige Spende ausleihen kann, „Grätzlrad“, betrieben von der Stadt seit 2017, und Lara Share von der TU, eine Plattform, die auch Stellplätze vermitteln will. „Viele Menschen würden gerne ein Lastenrad nutzen“, sagt dazu Fabian Dorner vom Fachbereich für Verkehrssysteme an der TU im Standard. „Doch wenn man es nur hin und wieder benötigt, zahlt sich die mehrere Tausend Euro teure Anschaffung nicht aus.“

https://youtu.be/kfMy0PyaN-Q

Ein Lastenrad statt einem normalen Fahrrad anzuschaffen, wäre also natürlich sehr teuer. Für bisherige Autofahrer könnte sich die Anschaffung allerdings durchaus auszahlen. Geht man von vier Jahren Nutzungsdauer aus, kostet ein Kleinwagen in Anschaffung und Betriebskosten um 3.500 Euro mehr.

Vielleicht machen es die Sharing-Plattformen also der Bevölkerung leichter, sich das Konzept einmal anzusehen. So sind wahrscheinlich bald mehr Lastenräder auf unseren Straßen unterwegs, entsprechende Regulierungen und Akzeptanz könnten folgen – und damit schon ein großer Teil des großen Potentials erfüllt. Nämlich die Alternative zum Auto für Privattransporte und Einkaufsfahrten.

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