Interview : Wie wird E-Commerce die Logistikimmobilien verändern?

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dispo: Herr Vogt, derzeit scheinen vor allem Digitalisierung und E-Commerce die Logistik zu triggern. Wie wird sich das auf Logistikzentren auswirken?

Christian Vogt: Durch E-Commerce entsteht ein Markt, dessen Größe heute noch gar nicht abschätzbar ist. Und nun passiert, was in solchen Situationen immer passiert: Die Erwartungen der Konsumenten steigen rapide, vor allem hinsichtlich Dienstleistungen. Erwartungen, die nur erfüllen kann, wer auch die entsprechende Logistik anbietet. Und das muss und wird dazu führen, dass man näher an die Städte oder in die Städte hinein rückt.

Hinzu kommt die zunehmende Verdichtung der Städte, die Verästelung der Logistik wird also immer feiner. Daher müssen die Hubs auch kleiner werden.

Und drittens wird sich die Ausstattung verändern. Das klassische Hub als große Box am Rande der Stadt, die der Lagerung und Verteilung dient, wird technisch immer besser ausgestatteten Lagern weichen. Denn gelagert wird nicht mehr viel – die Waren drehen immer schneller.

Vor allem seitens der KEP-Dienste hört man, dass diese Microhubs nicht so einfach umsetzbar seien: hohe Immobilienpreise, fehlende Logistikflächen beziehungsweise unbrauchbare Leerstände, ungelöste Verkehrsproblematik ...

Vogt: Und dennoch ist es eine Notwendigkeit, es ist zwangsläufig. Ich bin übrigens ziemlich sicher, dass es gerade die KEP-Dienstleister sein werden, die Lösungen für die urbane Logistik finden. Für uns als Developer von Gewerbeparks außerhalb der Stadt enden Interesse und Kompetenz ja im Bereich der City-Hubs, das wäre in Wien etwa der Bereich der Außenbezirke. Wir diskutieren derzeit intensiv, wie weit wir selbst in die Städte hineingehen wollen. Das Tempo der Innovation ist allerdings so hoch, dass ich kaum zu sagen wage, wie unser Geschäftsmodell in drei Jahren konkret aussehen wird.

Sind diese Entwicklungen nur technologiegetrieben, oder bedarf es neuer Logiken?

Vogt: Ich gehe davon aus, dass der Anteil der Technik sehr stark steigen wird, vor allem innerhalb der Warehouses. Etwa bei der Identifikation: Ich bin sicher, dass bald jede Schraube, die in ein Hub gelangt, automatisch identifiziert wird, und ebenso alles, was das Hub wieder verlässt. Oder denken Sie an die Böden: Je mehr Technik und Intelligenz in Flurförderzeugen stecken, desto perfekter muss die Ebenheit sein.

Aber natürlich muss man auch neue Prozesse finden. Die Kette zwischen den Bulk-Dienstleistern, den Fulfillment-Dienstleistern und den KEP-Diensten muss zum Beispiel noch enger zusammenrücken. Hier bietet die Digitalisierung enorme Möglichkeiten.

Hinkt die Anwendung nicht teilweise dem technisch Möglichen hinterher?

Vogt: Vielleicht ist das so. Aber die tollste Technologie bringt nichts, wenn man nicht entsprechend qualifizierte Mitarbeiter hat. Es ist aber nicht nur eine Frage der Ausbildung: Die Politik muss auch Rahmenbedingungen schaffen, damit es überhaupt Sinn hat, bestimmte Technologien anzuwenden beziehungsweise zu erlernen.

Singapur geht da einen interessanten Weg. Eigentlich ist das ja ein quasi-kommunistischer Staat, der allerdings auch sehr fortschrittlich agiert. Singapur setzt komplett auf Digitalisierung. Der Staat unterstützt die Firmen dabei, digitalisierte Prozesse aufzusetzen, und sorgt dafür, dass die richtigen Leute ausgebildet werden. Und sie bilden einen Arbeitskräfte-Pool, aus dem die Firmen ihre Arbeitskräfte je nach Bedarf ziehen können.

In Demokratien ist so etwas halt ein bisserl schwieriger ...

Vogt: Das ist das Dilemma. Natürlich lebe ich lieber in einer Demokratie, aber die Entscheidungswege sind definitiv viel länger. Das bremst zwar nicht die Forschung – die kann kaum gebremst werden –, aber es verzögert die Umsetzung so mancher Innovation. Ich rede ja auch nicht dem staatlichen Eingriff das Wort, sondern einem dringend notwendigen Schulterschluss zwischen Politik und Wirtschaft. Wenn der nicht gelingt, werden wir Probleme bekommen. Dann kann sich die Technologie entwickeln, wie sie will – viele Dinge werden sich so nicht lösen lassen. Die Politik muss Netzwerke zur Verfügung stellen, Grundstücksgrößen limitieren, PPP-Modelle fördern, Vorgaben für Kommunikationsnetzwerke und Fahrzeugtypen machen. Und sie muss Güterverkehrsstrecken dezidieren. Manche Städte geben ja schon bestimmte Rahmenbedingungen vor.

Zum Beispiel?

Vogt: Im niederländischen ‘s-Hertogenbosch wurden Distributionszentren an den Stadtrand gesetzt, und die Stadt hat Verträge mit den Unternehmen und den Ver- und Entsorgern geschlossen. Außerdem wurde hier eine Zero-Emission-Zone etabliert.

In Seattle geht man den Weg, das gesamte Straßensystem neu zu definieren: Wo fließt der Privatverkehr, und wo gehört die Straße dem Güter- und Wirtschaftsverkehr?

Und in Wien?

Vogt: Hier gibt es mehrere Arbeitskreise, an einigen nehme auch ich teil. Die Stadt Wien beschäftigt sich stark mit dem Thema, hat hier Kompetenz und holt sich auch Kompetenz von außen. Das finde ich gut.

Und welche Vision haben Sie von den Logistikzentren der Zukunft?

Vogt: Es wird in Richtung einer Integration von Gewerbe-, Privat- und Logistikimmobilien gehen. Einen interessanten Ansatz haben wir ja hier in Österreich: Im Linzer Hafen spielt sich das gesellschaftliche Leben buchstäblich auf einer Logistikimmobilie ab.

Sehr spannend finde ich auch das Projekt „The Cube“, das gerade in Berlin entsteht: Ein „Smart Commercial Building“, das dank Künstlicher Intelligenz von den Menschen lernt, die in ihm wohnen und arbeiten. Genau so etwas prophezeie ich für das Warehouse

Zur Person

Christian Vogt ist seit 2016 Country Manager der DLH Real Estate Austria. Der studierte Verfahrenstechniker startete seine Karriere in der deutschen chemischen Industrie und Chemie-Logistik, arbeitete zehn Jahre für DHL (unter anderem als Geschäftsführer Supply Chain in Österreich) und verantwortete als Geschäftsführer bei Ceva Logistics die Länder Österreich und Slowakei.

Christian Vogt wird im Rahmen der LOZ 2018 Konferenz am 28. November die Keynote zum Thema „Der Einfluss von E-Commerce und Digitalisierung auf die Logistikimmobilie“ halten.