Kommentar : Das Geheimnis der verschwundenen 53 Millionen Pakete
Anfang dieser Woche veröffentlichte die Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH (RTR) die Tätigkeitsberichte ihrer Schlichtungsstellen für das Jahr 2016. Darunter auch jenen für den Bereich Post, der Schlichtungsverfahren zu Brief- und Paketzustellungen umfasst. Demnach haben sich die Schlichtungsverfahren im Postbereich von 89 im Jahr 2015 auf 159 im vergangenen Jahr erhöht.
Das ist zwar keine Fast-Verdopplung, wie die RTR selbst behauptet, sondern eine Erhöhung um knapp 80%. Aber da wollen wir mal nicht kleinlich sein. Die mit Abstand häufigste Ursache für Schlichtungsverfahren waren - wenig überraschend - Zustellprobleme. Die heimischen Qualitätsmedien titelten nicht falsch, aber suggestiv: „Kunden ärgerten sich mehr über Postdienste“ (Der Standard), „Beschwerden über Postdienste verdoppelt“ (orf.at). Ich selbst hatte hin und wieder zwar auch schon kleinen Ungemach mit Paketzustellungen. Aber es hielt sich immer in Grenzen. Nicht nur deshalb finde ich, dass man die Kirche im Dorf lassen sollte. Gemessen an den Millionen und Abermillionen Sendungen, die jedes Jahr verschickt werden, sind 159 Verfahren nichts. Gar nichts.
Was mich aber vielmehr verblüffte, war folgendes Diagramm:
2016 gab es also ein Aufkommen von 129 Millionen Paketen (110 Millionen im und ins Inland und 19 Millionen ins Ausland). Das passt nicht zu den Zahlen, die sonst in der Branche kursieren:
182 Millionen und 129 Millionen? Das ergibt eine Differenz von 53 Millionen Paketen. Wo sind die hin? Ein paar Anrufe bei den heimischen Paketdiensten machte rasch klar, dass sich die Unternehmen generell auf die Studie „Branchenradar KEP-Dienste in Österreich“ stützen, die von Kreutzer Fischer & Partner Consulting veröffentlicht wird. Und in der wird eben eine Menge von 182 Millionen Paketen für 2016 angegeben. Also mal eben bei Herrn Kreutzer angerufen. Vielleicht kann er das Rätsel ja aufklären? Das konnte er leider nicht, aber er gab mir eine hilfreiche Vermutung mit. Vielleicht hat man bei der RTR ja bloß die ersten drei Quartale berechnet und das vierte einfach vergessen?
Na dann schauen wir mal. Diese Zahlen stehen zum Glück im „Post Monitor“, den die RTR quartalsweise veröffentlich. Die Daten für das vierte Quartal 2016 liegen leider noch nicht vor. Rechnet man aber die bereits publizierten ersten drei Quartale zusammen, kommt man auf eine Summe von 128,5 Millionen Paketen (vom Ausland ins Inland, vom Inland ins Ausland und rein innerösterreichisch). Diese Zahl liegt verdächtig nahe an den 129 Millionen, die meine Detektivnase zum Jucken gebracht haben.
Mit dieser Erkenntnis habe ich den RTR konfrontiert. Dort bekam ich endlich die lang ersehnte Aufklärung. „Grund für die Abweichung sind jene Pakete, die aus dem Ausland nach Österreich kommen. Diese sind in unserer Darstellung nicht enthalten“, schrieb mir Pressesprecherin Daniela Andreasch. Vielen Dank!
Ich gebe zu: Ganz überzeugt bin ich immer noch nicht. Denn wenn man die Menge der Pakete, die 2016 aus dem Ausland nach Österreich kamen für die ersten drei Quartale addiert, kommt man auf 36,3 Millionen. Da fehlen immer noch 16,7 Millionen auf die ursprüngliche Differenz von 53 Millionen. Anders gesagt: Im vierten Quartal 2016 müssen also etwa 16,7 Millionen Pakete aus dem Ausland nach Österreich gekommen sein. Das ist möglich, allerdings wäre das eine besonders starke Steigerung. So waren es im vierten Quartal 2015 nur 11,8 Millionen, im vierten Quartal 2014 nur 10,3 Millionen und im vierten Quartal 2013 nur 8,6 Millionen.
Noch im Juni soll der Post Monitor für das vierte Quartal veröffentlicht werden. Vielleicht kann ich dann wieder ruhig schlafen.
Und bitte: Halten Sie mich nicht für einen Pedanten!