E-Commerce : Das sind die größten Herausforderungen für die Intralogistik
Auch wenn der Umsatz mit Lebensmitteln im Onlinehandel in Deutschland noch bei rund ein Prozent liegt, investieren die Retailer viel Geld und Zeit in Omnichannel-Strategien. Sowohl IT-Strukturen als auch Lagerprozesse und Transportsysteme müssen neu gedacht werden und auch moderne Technologien stoßen an ihre Grenzen, denn Papiertüten kann ein Roboter noch nicht zuverlässiger füllen als der Mensch. „Hybride Logistikzentren, aus welchen sowohl das Filial-Geschäft als auch das Online-Geschäft mit derselben Technologie abgewickelt werden sind aus unserer Sicht die Zukunft im Handel“, erklärt Helmut Prieschenk, Geschäftsführer von Witron. Das Lager lässt sich schnell an neue Geschäftsmodelle anpassen und büßt dabei keine Leistung ein, versichern die Oberpfälzer.
Kurze, transparente Materialflüsse
Witron setzt auf eine kompakte Bauweise und kurze, transparente Materialflüsse. Dies hat zur Folge, dass in der Lagerlogistik kaum mehr verbindende Fördertechnik benötigt wird. Auf das Konzept vertraut unter anderem ein Lebensmitteleinzelhändler aus Nordeuropa. Zukünftig werden aus seinem neuen Verteilzentrum mehr als 1.000 Filialen sowie sämtliche E-Commerce-Kunden mit über 22.000 verschiedenen Produkten aus dem Trocken-, Frische-, und Tiefkühlsortiment beliefert. Zum Einsatz kommen die mechanisierten Case-Picking-Systeme OPM (Order Picking Machinery) und CPS (Car Picking System) sowie die Piece-Picking-Systeme All-in-One Order Fulfillment (AIO), Dynamic Picking System (DPS) und Order Picking System (OPS). Der Versand wird durch einen automatischen Warenausgangspuffer optimiert.
Usability gewinnt an Bedeutung
Die zweite Herausforderung für den Handel ist der Fachkräftemangel – im Lager und im Transport. Verbände und Unternehmen werben kräftig für Berufe in der Logistik, aber die Kampagnen verfangen kaum in der Zielgruppe. „Die Automatisierung gewinnt dadurch nochmal an Bedeutung, aber es macht wenig Sinn einen Menschen nur durch einen Roboter zu ersetzen, vielmehr muss man den Prozess grundsätzlich hinterfragen“, unterstreicht Prieschenk. Gleichzeitig steigt die Nachfrage nach IT-Systemen mit guter Usability. „Mitarbeiter in der Logistik müssen sich in den nächsten Jahren immer wieder schnell in neue Prozesse und Systeme einarbeiten können. Das fordert gute Bedienoberflächen, um Prozesssicherheit zu gewährleisten“, ergänzt der Oberpfälzer.
Was hat Greta Thunberg mit Logistik am Hut?
Die dritte Herausforderung ist der Klimawandel und die Kundenforderung nach mehr Nachhaltigkeit in den Prozessen. „Greta Thunberg und ihre Mitstreiter sind die Konsumenten der Zukunft“, raunte es auf dem 25. Handelslogistikkongress in Köln durch den Saal. Die Antworten der Branche sind unterschiedlich. Sie reichen von Kräuterecken bis Elektro-Lkw. „Es fahren immer noch zu viele Lkw durch die Stadt. Dazu kommt: Der Laderaum ist immer noch nicht optimal genutzt. Umso mehr Daten wir aus den Prozessen bekommen, umso nachhaltiger können wir die Logistik betreiben und Transporte besser organisieren“, fordert Prieschenk. „Das wird für uns ein Wettbewerbsfaktor.“ Nachhaltigkeit in der Logistik setzt Datentransparenz und Intelligenz voraus – die vierte Herausforderung für die Branche – denn in der Handelslogistik existieren immer noch viele Software-Insellösungen für den Transport, das Lager oder die Filiale. Die Abteilungen arbeiten kaum zusammen, die Daten werden getrennt voneinander analysiert. „Wir entwickeln Witron zur Logistikplattform, in der wir die Systeme über API-Schnittstellen anbinden und so die Leistungsfähigkeit der Logistik erhöhen“, verspricht Prieschenk.
Künstliche Intelligenz in der Logistik?
Die fünfte Herausforderung ist die Künstliche Intelligenz (KI). Dabei ist der Begriff KI nicht günstig gewählt, es ist ein Hype-Begriff. Es geht ihm nicht um die Nachbildung menschlicher Intelligenz. „Wir wollen aus Daten Warehouse Intelligence entwickeln“, definiert Prieschenk. Witron setzt auf machine und reinforcement learning, um im ersten Schritt die eingesetzte Technik in den Lagern zu verbessern und dann neue Warenflüsse und Geschäftsmodelle dem Kunden anzubieten. Das ist der nächste Schritt: Supply Chain Intelligence. Grundlage dafür sind wiederum Daten– möglichst aus vielen Logistikzentren des Kunden, von möglichst vielen Transportdienstleistern und Filialen. Eine Optimierung der Lagerprozesse ist nur dann sinnvoll, wenn auch die ganze Supply Chain eingebunden wird. Klingt logisch, gelingt bis heute aber selten. Was bringt es, wenn die Ware 30 Minuten früher am Warenausgang steht, aber der Lkw nicht da ist? IT, Physik und Prozesse müssen also zusammen gedacht werden – denn wenn der Lkw Stau meldet, muss das Lager darauf auch reagieren können und andere Aufträge vorziehen.
Den Hype Robotik relativieren
Die sechste Herausforderung ist die Robotik. Kollaborative Systeme arbeiten beispielsweise mit dem Menschen zusammen und versprechen mehr Flexibilität. „Unsere Kunden kaufen keinen Roboter, sondern ordern eine versprochene Auslieferleistung. Wie wir diese erreichen, ist für sie in den meisten Fällen zweitrangig, da wir in vielen Fällen auch das Lager betreiben. Das Gesamtsystem muss den Kunden überzeugen“, relativiert Prieschenk den Robotik-Hype. „Wir sehen aber momentan keinen Bedarf am Markt, selber kollaborative Systeme zu entwickeln. Streng genommen ist ja unser COM-System auch eine Robotiklösung.“ Auch alternative Zustellkonzepte – die siebte Herausforderung – setzen auf Robotiklösungen und autonome Agenten. Kroger in den USA testet beispielsweise ab Herbst den Einsatz von Nuro. „Neue Zustellkonzepte verändern auch unsere Lagerlogistik. Wir binden bereits Bahntransporte bei Kunden an, aber entscheidend wird die Kommunikation und der Datenaustausch zwischen Nuro, Lkw oder Bahn und dem Logistikzentrum sein."
Dies ist ein Beitrag von factorynet.at. Den Original-Beitrag finden Sie hier.
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