Corona-Krise : „Die Paket-Zustellung ist gesichert“
dispo: Herr Schädle, muss man sich in Österreich um die Paket-Zustellung Sorgen machen?
Klaus Schädle: Nein, das muss man nicht. Der Bereich ist ja ebenso systemrelevant wie Krankenhäuser, Apotheken oder der Lebensmittelhandel. Daher gibt es hier keine Einschränkungen. Die Paket-Zustellung ist gesichert.
GLS gilt als B2B-Spezialist. Ich nehme an, bei Ihnen hat sich nun einiges verschoben?
Schädle: Das 2B-Volumen ist natürlich weitgehend weggebrochen. Gleichzeitig führen die geschlossenen Geschäfte zu massivem Wachstum im E-Commerce: Wir haben binnen zwei Wochen eine Verdoppelung des 2C-Volumens erlebt. Unsere Tourenplanung hat sich dadurch verändert, die Zusteller müssen wesentlich mehr Zwischenstopps einlegen. Dass nun die meisten Menschen daheim bleiben, erleichtert die 2C-Zustellung allerdings.
Apropos Zusteller: Das Thema Fahrermangel hat sich derzeit wohl erledigt?
Schädle: Ja, aber natürlich nicht auf eine Weise, die wir uns gewünscht haben. Wir erhalten derzeit zahlreiche Jobgesuche von Fahrern, aber auch Anfragen von Transportunternehmen, die eine Partnerschaft eingehen wollen. In diesem Zusammenhang möchten wir ein wichtiges Zeichen für die Zukunft setzen: Wir stehen diese Krise gemeinsam mit unseren Partnern durch, und wir werden diese Partnerschaften weiterhin pflegen wie bisher.
Manche Menschen haben Sorge, dass die Paket-Zustellung selbst ein Risiko darstellt.
Schädle: Das ist uns sehr bewusst, aber die gesamte Branche tut wirklich viel, um sowohl die Empfänger als auch die eigenen Mitarbeiter vor Ansteckung zu schützen. Die Übergabe erfolgt vollkommen kontaktlos. Auch, weil wir Regeln aufgeweicht haben: So dürfen die Zusteller nun etwa selbst den Empfang in ihren Handscannern bestätigen, nachdem der Empfänger ihnen mündlich die Erlaubnis dazu gegeben hat. Die Aufzeichnung der GPS-Daten des Scanners dient als zusätzlicher Liefernachweis, falls es eine Reklamation gibt.
Sie sind unter anderem auch für GLS in Italien verantwortlich. Darf ich Sie fragen, wie sie die Situation dort erleben?
Schädle: Die ist natürlich äußerst bedrückend. Selbst, wer nicht direkt von Krankheit oder dem Verlust von Angehörigen betroffen ist, leidet nun unter den extremen Quarantäne-Maßnahmen, die die Regierung beschließen musste. Wir sprechen hier von Italienern, dem geselligsten Volk der Welt! Ich glaube, weder Sie als Wiener noch ich als Allgäuer können uns vorstellen, was die Einschränkung sozialer Kontakte für diese Menschen bedeutet. Unser Hauptquartier in Mailand ist nahezu menschenleer, die ganze Stadt gleicht einer Geisterstadt. Aber selbst unter diesen Bedingungen funktioniert die Logistik nach wie vor. Wir haben nur ein paar kleinere Depots geschlossen, aber in der Zustellung herrscht – abgesehen von den Mengen-Einbrüchen – fast Business as usual.
In der letzten Zeit wird gerne die Platitude von der „Krise als Chance“ bemüht. Kann es sein, dass wir hinsichtlich Logistik wirklich daraus lernen?
Schädle: Ich habe diese Hoffnung tatsächlich, vor allem im Sinne einer Rückbesinnung auf das Wesentliche. Vielleicht schaffen wir es ja zum Beispiel, Fahrzeuge nicht mehr als Lager zu missbrauchen – eine Reduktion von Just-in-time zugunsten echter Lagerhaltung wäre nicht zuletzt im Sinne der Umwelt. Auch das Bewusstsein, dass Logistik ihren Wert hat, könnte steigen. Retouren sind nicht kostenlos, sie werden derzeit eben stillschweigend eingepreist. Und auch die Rückverlagerung von Produktion nach Europa würde Wertschöpfungsketten ebenso sicherer machen wie Supply Chains.
Ich glaube außerdem, dass auch das Image der Logistik gestärkt aus der Krise hervorgehen kann. Die Kassiererin im Supermarkt, die viele bisher nicht einmal gegrüßt haben, wird plötzlich zurecht als eminent wichtig für das gesamte System wahrgenommen. Vielleicht kann man das ja auch auf die Paket-Zusteller übertragen und sie nicht mehr beleidigen, weil sie wegen eines Staus eine halbe Stunde zu spät gekommen sind. Diese Menschen sind wichtig, und sie verdienen Anerkennung!