Forschung : Einfach mal die Zukunft vorhersagen
Die Vision ist faszinierend: eine Prognostik, die so exakt ist, und eine Planung, die so weit optimiert ist, dass die Lkw vor der Türe des Verladers stehen, bevor der überhaupt weiß, dass er sie benötigen wird. Manche Startups, vor allem digitale Speditionen, behaupten, demnächst so weit zu sein. Georg Brunnthaller, Logistik-Forscher bei Fraunhofer Austria, ist schon berufsbedingt vorsichtiger: „Von diesem Zustand sind wir noch weit entfernt.“
Wie weit man auf dem Weg dorthin jedoch kommen kann, war Inhalt des zweijährigen Forschungsprojekts IPPO, das Brunnthaller und sein Team vor kurzem abgeschlossen haben. IPPO – „Intelligente Vernetzung von Prognose, Planung und Optimierung zur Gestaltung nachhaltiger Transportketten“ – soll die Planungssicherheit von Logistikdienstleistern erhöhen. Mit sowohl wirtschaftlicher als auch ökologischer Intention. Denn das Thema wird dringlicher, meint Brunnthaller: Da sich die Volatilität auch im Transportsektor erhöht, steigt die Gefahr von Über- oder Unterkapazitäten in den Fuhrparks. Das kostet nicht nur Geld, sondern ist auch ökologisch von Nachteil. Die Bahn mit ihren längeren Planungshorizonten gerät dadurch ins Hintertreffen, und künftige Entwicklungen dürften den Effekt noch verstärken. „Wenn etwa Platooning ein Thema wird, dann gerät die Bahn gegenüber dem Lkw noch stärker unter Druck“, sagt Brunnthaller. „Auf beiden Transportträgern steigen die Aufkommen seit Jahren, aber der Lkw profitiert deutlich stärker. Unser Projekt sollte in genau diese Kerbe schlagen: frühzeitig den ökonomischen Vorteil für den Spediteur aufzuzeigen, sodass er auch den Anreiz hat, mit Ganzzügen zu planen.“
Modellhafter Ausschnitt
Als Forschungsobjekt zog das Team das Transportnetzwerk des Projektpartners Hödlmayr International heran. Der Schwertberger Logistiker versorgte Brunnthaller mit detaillierten Daten der vergangenen Jahre. Daraus extrahierten die Forscher einen modellhaften Ausschnitt, mit dem sie verschiedene Szenarien simulieren konnten. Technischer Forschungspartner dabei war die RISC Software, Förderung kam vom BMVIT im Rahmen des Programms „Mobilität der Zukunft“.
In einem ersten Schritt versuchte das Projektteam, das erwartete Transportaufkommen auf den einzelnen Linien des mehrschichtigen Transportnetzwerks (Wasserstraße, Straße und Bahn) zu prognostizieren. Zum Einsatz kamen unterschiedliche mathematische und statistische Standardmethoden. „Zusätzlich haben wir versucht, auch verschiedene unstrukturierte Indikatoren einfließen zu lassen“, erklärt Brunnthaller, „also etwa die Einflüsse des Wetters, der Topografie, des Datums oder auch von BIP und Arbeitslosenzahlen.“ Hinzu kamen schließlich auch selbstlernende Elemente: „Wir haben dem Algorithmus etwa beigebracht zu lernen, wenn ein Auftraggeber immer zehn Prozent mehr angibt als er dann tatsächlich verlädt.“
Der zweite Schritt betraf die Planung selbst. Dass das Fraunhofer-Austria-Team hier nicht bei Null begann, ist selbsterklärend: „Zum Thema Tourenplanung gibt es natürlich Tausende von wissenschaftlichen Abhandlungen, eigentlicher Forschungsbedarf besteht auf diesem Gebiet nicht“, sagt Georg Brunnthaller. Allerdings: So gut das Problem auf der Basis sicherer Aufträge mittlerweile gelöst ist – IPPO beschäftigte sich ja mit Touren, die noch nicht gesichert sind, „und unter dieser Prämisse potenzieren sich natürlich die Variablen“.
Deutlich im Vorteil
Die entwickelten Modellansätze wurden immer wieder simuliert und an den gängigen Vorgehensweisen zur Fuhrparkplanung gemessen. Und die Ergebnisse können sich sehen lassen.
- Der Ansatz, die eigene multimodale Flotte möglichst auszulasten und prognostizierte Schwankungen an Subauftragnehmer zu vergeben, führte zu 27,8% höheren Kosten und 24,1% höheren Emissionen als beim IPPO-Modell.
- Um 5,1% höhere Kosten und um 2,7% mehr Emissionen verursacht die Vorgehensweise, sich an den mittleren Schwankungen der prognostizierten Auftragsvolumina zu orientieren und Auftragsspitzen an Subunternehmen vergeben.
- Stützt sich die Planung auf Kennzahlen vergangener Perioden, wie etwa die notwendige Anzahl an Lkw pro Transporteinheit, und versucht man, diese auf prognostizierte Auftragsvolumina zu übertragen, so sind die Kosten um 3,7% höher und die Emissionen um 1,3%.
„Die Zugänge, die wir zum Vergleich herangezogen haben, sind natürlich Maximalvarianten“, sagt Georg Brunnthaller, „in der Praxis herrschen oft Mischformen. Das erste Szenario kommt allerdings durchaus auch in dieser Form vor.“
Auftraggeber in der Pflicht
Ein wesentliches Learning aus dem Forschungsprojekt betrifft die Kommunikation zwischen Auftraggeber und Dienstleister. Erstere wissen naturgemäß besser, welches Produktionsvolumen zu erwarten ist, als jeder Algorithmus. Ein Ergebnis von IPPO: Die resultierenden Kosten und Emissionen sind stark von der Verfügbarkeit und Qualität der Prognosen zu künftigen Auftragsvolumina abhängig. Indem diese verbessert und so adäquate Transportressourcen bereitgestellt werden können, sind zusätzliche fünf bis zehn Prozent an Effizienz möglich. Dass Datenfluss und -qualität ein Dauerthema sind, bestätigt Georg Brunnthaller: „Der Großteil der Datenanalyse besteht nach meiner Erfahrung normalerweise aus Datenaufbereitung. Und hinzu kommt die Datengenerierung. Es gibt immer noch Auftraggeber, die per Fax kommunizieren.“
Was die heimische Praxis betrifft, bleibt er diplomatisch: Die Integration der Auftraggeber sei zumindest im Bereich der Automobilindustrie vergleichsweise gut. „Es gibt aber auch Branchen, in denen der Logistikdienstleister in der Prioritätenliste weiter hinten steht und weniger eingebunden wird. Bei Lieferanten von Zukaufteilen sieht das ganz anders aus. Natürlich würde sich verbesserte Planung aber auch für die Auftraggeber lohnen. Genau das wird ja im Zusammenhang mit Industrie 4.0 zu Recht gepredigt.“
Das Projekt
Name: Intelligente Vernetzung von Prognose, Planung und Optimierung zur Gestaltung nachhaltiger Transportketten (IPPO)
Förderprogramm: „Mobilität der Zukunft“, FFG
Konsortialführer: Fraunhofer Austria Research GmbH
Partner: Hödlmayr International AG und RISC Software GmbH
Laufzeit: 2 Jahre (2015-2017)
Diese Story finden Sie auch in dispo Ausgabe 1-2/2018.