Green Logistics : „Idealismus alleine wird es nicht richten“
dispo: Herr Vallaster, inwieweit ist Nachhaltigkeit bei Logistik-Immobilien ein Luxusthema?
Georg Vallaster: Diese Frage ist genau zum jetzigen Zeitpunkt eine spannende. Noch vor einem Jahr war es tatsächlich ein Luxusthema. In einem weiteren Jahr werden wir hier einen ganz anderen rechtlichen Rahmen sehen. Im Moment bewegt sich bei diesem Thema sehr viel, es geht vom Luxus in Richtung eines gesetzlichen Muss. Und wir sind bei Goldbeck Rhomberg derzeit intensiv damit beschäftigt, uns auf diese Vorgaben vorzubereiten – auch wenn wir sie im Detail noch nicht kennen.
Hat die Pandemie hier gebremst?
Vallaster: Den Eindruck habe ich nicht, das lief und läuft in meinen Augen relativ ungestört weiter.
Welche gesetzlichen Entwicklungen erwarten Sie denn?
Vallaster: Was genau auf uns zukommt, wissen wir wie gesagt nicht. Wir gehen auf jeden Fall davon aus, dass sich etwa der Preis für Ersatzmaßnahmen sehr stark nach oben bewegen wird. Natürlich bekommen wir 100-prozentige CO2-Neutralität noch nicht hin, aber es gibt bereits erste Beispiele, bei denen man mit Ersatzmaßnahmen an anderen Standorten, auch in anderen Ländern, die Logistikimmobilie CO2-neutral aufgewertet hat. Vieles davon ist ja relativ einfach umzusetzen. Denken Sie etwa an die PV-Anlage auf dem Dach, Dachbegrünung, Altholzanhäufung für Wildbienen, Ladestationen für E-Autos – hier geschieht im Logistikbereich bereits sehr viel. Das war noch vor drei Jahren eher undenkbar.
Aber es geht ja auch um die tatsächliche Emissionsreduktion.
Vallaster: Natürlich, die steht im Vordergrund. Alles, was man sinnvoll reduzieren kann, muss man reduzieren. Über Kompensation spricht man erst im zweiten Schritt. Ich denke übrigens, dass das Thema Kompensation wirklich schon in der Breite angekommen ist. Das spüren Sie bei Gesprächen mit Investoren: Die wollen die CO2-neutrale Logistikimmobilie. Die lässt sich ganz einfach besser vermarkten.
Und wie reduziert man die Emissionen objektiv?
Vallaster: Hier gibt es eine Reihe von Ansätzen. Viel Potenzial liegt in der Verhinderung von Verschwendung, das ist ein wichtiger Punkt. Durch permanente Optimierung einer Systematisierung kann man den ökologischen Fußabdruck minimieren. Das beginnt in der Planung und geht über den Digitalen Zwilling, das BIM-Modell, Lean-Methoden. Natürlich gibt es aber physikalische Grenzen: Die Stütze, den Dachträger brauche ich, die werden nicht verschwinden.
Aber auch in der Bautechnik selbst tut sich derzeit einiges. Im Moment wird etwa intensiv daran gearbeitet, Zement CO2-schonender herzustellen. Was eine Herausforderung ist, denn Zement mit einer besseren CO2-Bilanz hat andere Tragfähigkeiten, andere Festigkeiten als der Zement, den wir heute verwenden. Offenbar soll das aber sehr kurzfristig umgesetzt werden, schon im kommenden Jahr.
Wir beschäftigen uns auch damit, den CO2-Fußabdruck einzelner Bauteile auf einen Quadratmeter Logistikhalle herunterzubrechen. So bekommen wir Vergleichswerte und können die Investoren bereits in einer sehr frühen Phase beraten, welche Maßnahmen zu welchem CO2-Abdruck führen. So kann man auch gezielt Ersatzmaßnahmen ergreifen. Entscheidend ist, den Komplex technologisch-inhaltlich einmal aufzubereiten. Dann kann man auch richtig handeln. Eine grüne Logistikimmobilie ist nur möglich, wenn Bau, Planung und Betrieb eng verzahnt sind. Nur, wenn alle Punkte passen, kann man dieses Ziel erreichen.
Der steigende Druck seitens des Gesetzgebers ist also notwendig?
Vallaster: Idealismus alleine wird es nicht richten. Am Ende des Tages hilft das einfache Rechenbeispiel: Wenn ich ein bisschen mehr Miete bekomme, wenn ich eine andere Klientel als Mieter ansprechen kann, wenn ich damit ein bisschen mehr verdiene oder weniger Steuern bezahlen muss – dann ist das ein Anreiz, schneller zu handeln.
Wichtig ist in meinen Augen vor allem, dass alle die gleichen Voraussetzungen haben. Wenn der eine ökologisch baut und dafür auch Geld in die Hand nimmt, und der andere das nicht tut und viel billiger am Markt anbieten kann, haben wir ein Ungleichgewicht, das dem Ziel schadet. Nur wenn alle auf dem gleichen Niveau anbieten können oder müssen, erreicht man die Ziele.
Wird das in Ihrer Branche die Spreu vom Weizen trennen?
Vallaster: Bei aller Bescheidenheit: ja. Wir haben bei Goldbeck Rhomberg zum Beispiel Mitarbeiter, die sich ausschließlich mit F&E beschäftigen. In Richtung Materialtechnologien, in Richtung neuer Materialien. Ich denke, unter den Baufirmen sind wir eine der wenigen, die dafür Geld in die Hand nehmen. Parallel dazu versuchen wir laufend, unsere Prozesse zu verbessern, und da spielen die Themen BIM und Lean ganz wesentlich hinein. Durch unsere Systematisierung und industrielle Vorfertigung sind wir schon jetzt sehr viel weiter als die, die jedes Mal Prototypen bauen und bei Null beginnen. Entsprechend tun wir uns auch leichter, Lean-Methoden einzusetzen.
Verändert sich Ihre Mitarbeiter-Struktur?
Vallaster: Das tut sie schon seit längerer Zeit. Wir stellen immer wieder Architekten und Planer ein, deren Zahl wird immer größer. Die Manpower verschiebt sich also noch mehr von der reinen Ausführung in die Planung. Dieser Anteil wird größer, und damit auch die Anforderungen an die einzelnen Mitarbeiter. Ihre Tätigkeit wird immer IT-getriebener, und da braucht man auch die Menschen, die dafür offen sind, die hier etwas bewegen wollen. Jeder unserer Bauleiter ist mit einem Tablet unterwegs, hat damit das BIM-Modell des Gebäudes bei sich. Und kann somit 1 zu 1 vergleichen, ob das übereinstimmt. Hier bewegt sich sehr viel – und in einer wahnsinnigen Geschwindigkeit.
Sie legen bekanntlich Wert auf gute Architektur. Gibt es da einen Zusammenhang mit Nachhaltigkeit?
Vallaster: Ja, den gibt es zweifellos. Wenn man hochwertige Architektur machen will, nimmt man automatisch auf Umwelteinflüsse und auf Klimafolgen Rücksicht. Ein wichtiger Punkt ist ja auch die Mitarbeiterzufriedenheit, die soziale Qualität einer Immobilie. Da ja derzeit alle dringend gute Mitarbeiter suchen und ihnen auch etwas bieten müssen, entstehen etwa immer mehr große, begrünte Aufenthaltsbereiche, überdachte Fahrradabstellplätzen, E-Ladestationen. Die Firmen nehmen Geld in die Hand, um ein gutes Umfeld bieten zu können. Und all diese Punkte zahlen auch in das Thema Umweltschutz ein.
Das klingt so, als gäbe es endlich gute Nachrichten?
Vallaster: Ich finde, das Tempo der Entwicklung war auch in der Vergangenheit gar nicht so langsam. Was sich vielleicht verändert hat, ist, dass momentan wieder mehr das Ganze betrachtet wird. Wenn man nur die U-Werte einzelner Bauteile im Fokus hat und dickere Wände und Isolierungen baut, gleichzeitig aber das Gebäude heizen muss, dann ist das zu wenig. Schafft man es aber, dass das Heizen betrieblich nicht notwendig ist, kann man die U-Werte der Bauteile auch wieder auf ein vernünftiges Maß zurückfahren. Und in Summe Energie einsparen. Manchmal hat sich hier die Katze ein wenig in den eigenen Schwanz gebissen.