Meinung : Mobile Roboter: Die Kurve ist exponentiell

Für Ruderer kommt es in der Bewegung immer auf den Rhythmus an. Es geht um den Wechsel zwischen Kraft und Ruhe. In einem Ruderrennen werden immer wieder Sprints eingelegt, auf die Phasen folgen, in denen Kraft gesammelt wird.

Aktuell befinden sich die meisten Unternehmen wohl in einer Phase des „Kraftsammelns“ und fragen sich: Wie wird meine Logistik in zehn Jahren aussehen? Doch den meisten Logistikern würde es wohl reichen zu wissen, wie ihre Logistik in einem Jahr aussieht.

Das letzte Jahr hat gezeigt, dass Flexibilität neben Kosteneffizienz und Qualität mehr denn je im Vordergrund steht. Die meisten Planungen wurden über Nacht obsolet. Neben den Unsicherheiten aus einer globalen, eng vernetzten Welt erreichen uns immer wieder Nachrichten technologischer Durchbrüche.

Diese Durchbrüche sind oft beeindruckend. Im operativen Alltag erweisen sie sich jedoch oft als praxisfern und sehr akademisch.

Dramatische Zunahme der Fähigkeiten

Wenn wir aber dem Moore‘schen Gesetz folgen, erhalten wir eine exponentielle Kurve. Auf das Thema Robotik übertragen: Die nächste Generation an Maschinen ist nicht nur doppelt so gut wie die letzte, sondern um ein Vielfaches besser. Je weiter wir in der Zeit fortschreiten, desto schneller entwickelt sich die Robotik und desto dramatischer nehmen die Fähigkeiten der Roboter zu.

Noch vor wenigen Jahren bewegten einfache Maschinen Regale auf einem fest einprogrammierten Pfad. Nun arbeiten autonome Palettentransporter in einer kontrollierten Umgebung wie einer Lagerhalle. Was wir aktuell sehen, ist eine regelrechte Explosion an Applikationen, die auf der Fähigkeit beruhen, intelligente Erkennungs- und Greifsysteme auf die mobilen Roboter zu montieren. Diese Systeme können höher greifen, dadurch komplexere Aufgaben erledigen und sogar im Freien fahren.

Beim Palettentransport innerhalb eines Warenlagers gibt es bereits eine Vielzahl erprobter Lösungen. Die Geräte weichen selbständig Hindernissen aus, erkennen Paletten, nehmen diese von beinahe beliebigen Positionen auf und bringen sie an eine beliebige Übergabestelle. Die komplexe Integration kann aufgrund der intelligenten Steuerung minimiert werden, und oft sind die Lösungen bereits nach weniger als einer Woche operativ im Einsatz.

Eine etwas größere Herausforderung ist die Automatisierung eines Hochregals oder das Stapeln von Behältern, auch wenn es hier bereits die ersten Beispiele gibt. Jedoch sind die Anforderungen an die Bilderkennung und Positioniergenauigkeit nochmal deutlich höher, als wenn sich alles auf der Ebene abspielt.

Zu den Anwendungen, die zunehmend auch in der Breite zu finden sind, gehören Reinigungsroboter. Diese können entgegen den meisten bekannten Hausrobotern selbständig das Wischwasser wechseln, Fahrkurse anpassen und Hindernissen ausweichen. Auch diese Fahrzeuge lassen sich nahezu ohne Integrationsaufwand in den Betrieb integrieren und sind damit sehr gute Einstiegsprojekte.

Kommissioniern und Sortieren

Dem gegenüber stehen Systeme, die die Kommissionierung automatisieren. Die Laufwege der MitarbeiterInnen werden dabei teilweise oder ganz eliminiert, indem die Ware zu einer Kommissionierstation transportiert wird, sodass eine große Produktivitätssteigerung erzielt wird.

Beispielsweise hat Amazon über 200.000 Roboter im Einsatz, da diese sowohl Kosten als auch Zeit einsparen – Tendenz stark steigend. Doch inzwischen ermöglichen Ware-zu-Person-Lösungen auch das Kommissionieren von KLT aus bis zu sechs Meter hohen Regalen. Systeme bewegen sich damit nicht mehr nur horizontal, sondern nutzen auch die Höhe einer Lagerhalle.

Ähnlich viel Potenzial bieten Sortierlösungen, wo teilweise schon heute tausende Roboter wie in einem Bienenschwarm Artikel und Pakete sortieren. Diese Projekte bieten ein großes Potenzial, die Effizienz wesentlich zu erhöhen, sind aber auch mit größerem Aufwand und Veränderungen verbunden.

Sieger werden abseits des Rennens gemacht

Trotz vieler guter Nachrichten über die Zukunft der Automatisierung sollten wir nicht außer Acht lassen, dass viele Lösungen noch recht neu auf dem Markt sind. Deren Kunden müssen etwas Geduld mitbringen. Kunden, deren Prozesse sehr kritisch für das Gesamtgeschäft sind, sollten auf Lösungen setzen, die schon mehrere Jahre am Markt erprobt wurden.

Mein Rudertrainer hat immer gesagt: „Sieger werden im Winter, abseits der eigentlichen Rennens, gemacht.“ Der Trend zur flexiblen und automatisierten Logistik ist unumkehrbar. Dieser Trend kann eine Chance oder eine Gefahr für die Branche werden. Unternehmen, die zeitig beginnen, sich auf diesen Trend vorzubereiten, werden davon profitieren und als Gewinner hervorgehen.