Fachkongress Digitale Logistik : Nachbericht: Digitale „Grenzen“ und deren Überwindung

Roman Stiftner Präsident der Bundesvereinigung Logistik Österreich (BVL)

Der „Zweite Fachkongress Digitale Logistik“ bot wieder ein umfangreiches Programm an Fachvorträgen, dass von den insgesamt 90 Besuchern mit Interesse verfolgt wurde. Zudem tauschten sich die Teilnehmer bei angeregten Diskussionen mit Kollegen aus und besuchten die zahlreichen Stände der Aussteller.

[Bild:1] Das Ende der Logistik? Mit einer bewusst provokant formulierten Frage eröffnete Roman Stiftner, Präsident der Bundesvereinigung Logistik Österreich, den Kongress: „Bringt Digitalisierung das Ende der Logistik?“ Natürlich tut sie das nicht. Doch die Digitalisierung ist ein technologischer Umbruch. „Wir tun uns in der Logistik noch schwer, diesen Umbruch richtig zu benennen“, so Stiftner. Begriffe wie „Big Data“ oder „Industrie 4.0“ seien lediglich Umschreibungen, sie treffen den Kern des Umbruchs nicht exakt, so die These des BVL-Präsidenten. Wichtig sei jedenfalls, zu erkennen, dass es Veränderungsprozesse in der Logistik gibt.

[Bild:2] Keine Bedrohung Helmut Zsifkovits, Leiter des Lehrstuhls für Industrielogistik der Montanuniversität Leoben, erinnerte in seinen einführenden Worten daran, dass sich optimistische Prognosen bezüglich neuer Technologien zwar häufig nicht in vollem Umfang erfüllen. „Aber bei der Digitalisierung ist inzwischen wirklich Bewegung in die Sache gekommen. Es geht ungeheuer schnell voran“, meinte der Professor und Wissenschaftler, der an diesem Tag nicht nur als Co-Veranstalter, sondern auch als Moderator auftrat. Das kann man entweder als Hoffnung oder als Bedrohung interpretieren, gab er zu bedenken, um jedoch gleich darauf klar zu stellen: „Um zu vermitteln, dass Digitalisierung keine Bedrohung ist, sind wir heute hier.“

[Bild:3] Volumen besser Nutzen Den ersten Vortrag des Tages hielt Florian Ehrentraut vom Institut für Technische Logistik der TU Graz. Er sprach über eine vom kanadischen Wissenschaftler Benoit Montreuil begründete Entwicklung, das so genannte „Physikalische Internet“. Hinter diesem Begriff verbirgt sich die Idee einer Transportlogistik, die analog zum digitalen Internet Waren genauso effizient wie Datenpakete bewegen kann. Dazu müssten die Waren aber in standardisierten physikalischen Behältern verkapselt werden, die außerdem mit intelligenten Etiketten ausgestatten sind, also „auch digital verkapselt“. Fernziel sei eine globale Logistik, in der Güter in standardisierten Containern verschickt werden, die selbstständig ihren Weg über die Hubs dieser Welt finden. Ladeeinheiten könnten dann problemlos während des Transports geöffnet und einzelne Produkte kurzfristig auf andere Destinationen umgeleitet werden. „Eine Paradeanwendung für Industrie 4.0“, meint Ehrentraut. Dafür brauche es einerseits physikalische Standards, also neue Transporteinheiten, wie auch digitale, in Form vereinheitlichter Protokolle. Hauptmotivation für die Realisierung eines „Physikalischen Internet“ sei der Umstand, dass viele Transporte unnötig verschwenderisch mit dem Raumangebot des Transportmittels umgehen. So seien laut Ehrentraut 25 % aller gefahrenen Kilometer Leertransporte und der durchschnittliche Volumennutzungsgrad liege bei gerade einmal 42,6 %. Im Rahmen des von der EU geförderten Forschungsprojektes „Modulushca“ hat die TU Graz eine modulare Box entwickelt und erste Tests über ihre Eignung für das Physikalische Internet durchgeführt. Die im 3D-Druck hergestellten Boxen eignen sich demnach für viele Produkte und sind so stabil, dass eine Schutzverpackung über das Produkt wegfallen kann – damit erreichen sie eine Volumenausnutzung von bis zu 81 %. Zudem können jeweils zwei Boxen über einen kleinen Sicherungshebel miteinander verbunden werden. Gestapelte und verbundene Boxen lassen sich dann wie eine Einheit handhaben. Laut Ehrentraut sei es aber noch ein langer Weg bis zur Realisierung eines Physikalischen Internets.

[Bild:4] Es brodelt „Was man mit IT in der Supply Chain schon alles machen kann“, lautete der Titel des Vortrags von Matthias Kieß, Geschäftsführer von AEB. Einleitend wies er auf intuitive, teils widersprüchliche, Assoziationen hin, die viele Menschen mit dem Begriff „Digitalisierung“ verbinden würden. Als Medien-Hype werde sie gesehen, als „das nächste große IT-Ding“, als Technologie, die viele neue Möglichkeiten mit sich bringe. Gleichzeitig diagnostizierte er bei vielen Unternehmen eine Tendenz zur Meinung, dass Digitalisierung sie gar nicht beträfe, dass es sich dabei um eine Spezialtechnologie handle, um die sich nur Global Player, Wissenschaftler oder die Politik kümmern müsse. Demgegenüber stellte Kieß klar, dass es Digitalisierung bereits längst gibt, auch in der Logistik. Diese Meinung untermauerte er mit Beispielen wie Barcodes, die Objekte mit Informationen ausstatten, Fahrerlosen Transportsystemen oder Lösungen für eine Mensch-Maschine-Interaktion. Bei Digitalisierung geht es für Kieß um das „Erfassen und Abbilden unserer Welt in maschinenlesbarer Form, bei gleichzeitiger Erhöhung der Vernetzungsdichte von Menschen, Dingen und Informationen“. Doch obwohl es bereits viele Entwicklungen gäbe, die Maschinenlesbarkeit und Vernetzung in die Supply Chain zu integrieren, seien die Möglichkeiten noch lange nicht ausgereizt. „Einerseits ist die Digitalisierung schon da, andererseits hat man das Gefühl, da brodelt etwas, da kommt noch mehr.“ An der Schwelle zur Umsetzung würden sich Materialflusssysteme befinden, die als zusammensteckbarer Bausatz beliebig skalierbar seien (dazu gab es später sogar zwei Vorträge; Amerkung Red.). So ließe sich rasch eine flexibel anpassbare Fördertechnik aufbauen, die aufgrund von dezentraler Intelligenz ohne zentralen Materialflussrechner auskommen könne. Ein anderes Beispiel seien Roboter, die Pick-Aufgaben übernehmen, oder Systeme für ein Supply-Chain-Risikomanagement, das regionale Ereignisse (politisch, ökonomisch, klimatisch, etc.) einbezieht. „Eine Menge Dinge passieren gerade und kommen demnächst“, so Kieß, der aber gleichzeitig warnt: „Es wäre eine Sackgasse, sich dem Thema nur aus technischer Sicht zu nähern. Es geht bei Digitalisierung um Geschäftsmodelle.“

Die Empfehlung, im Zusammenhang mit Digitalisierung stehende Veränderungen vor dem Hintergrund neuer Geschäftsmodelle zu verstehen, kenne man bereits aus Diskussionen um Industrie 4.0. Doch noch gäbe es bremsende Faktoren: etwa träge und starre Standardisierungsprozesse, oder die Hemmung, seine Bestandsdaten offen zu legen, sodass Kunden Zugriff darauf haben. „Man braucht Vertrauen, sonst wird Datenaustausch schwierig“, meint Kieß. Er rät dazu, mit Ungenauigkeit und Wahrscheinlichkeiten umgehen zu lernen. Dazu nennt er das Beispiel eines Unternehmens, das seine Produkte bereits fertigt erzeugt hat, bevor noch tatsächlich Kundenaufträge eingegangen sind. Das sei möglich, weil eine genaue Kenntnis der „Auftragsgeschichte“ erlaube, mit Hilfe von statistischen Verfahren treffsichere Prognosen über künftige Bestellungen zu erstellen. „Ja, es gibt Risiken bei der Digitalisierung“, sagt Kieß. „Aber das größte Risiko ist, gar nichts zu tun. Wer nicht wahrnimmt, dass er handeln muss, bewegt sich auf dünnem Eis.“

[Bild:5] Wirtschaftlichkeit berücksichtigen Christian Skaret, Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Econsult, nannte seinen Vortrag „Logistiksystemplanung im Wandel“. Wie sein Vorredner wies auch Skaret darauf hin, dass viele der schillernden neuen Begriffe, die derzeit die Logistikszene prägen, bei näherer Betrachtung gar nicht so neu seien, etwa „Big Data“, „Ware zum Mann“ oder „Activity based costing“. Nichtsdestotrotz ließe sich eine Entwicklung logistischer Systeme von der Mechanisierung im 18. Jahrhundert bis zu den cyberphysikalischen Systemen der Gegenwart und Zukunft erkennen. Laut Skaret gab es schon immer drei Perspektiven, die die Logistik beim Systembau bewegen: den Datenfluss, die physikalische Umsetzung und jene Perspektive, die sich aller Kosten in Form einer Teilwertbetrachtung und schlussendlich einer Gesamtkostenbetrachtung annimmt. Gegenwärtig würden Systemlösungen bevorzugt, die sich primär an der physikalischen Perspektive orientieren: „In der Physik abgewickelte Tätigkeiten werden möglichst zeitnah in der Informations-Ebene abgebildet“, so Skaret. „Prozesskostenrechnung existiert – wenn überhaupt – nur partiell.“ Das sei eine bedauerliche Vertauschung der optimalen Prioritäten. Idealerweise optimiert man beim Systembau erst die Informationsebene, beispielsweise durch Simulationen, Routenplanung und weitere Module. Dabei müssen sowohl die technische Machbarkeit, wie auch die Wirtschaftlichkeit berücksichtigt werden. Skaret spricht sich für die Schaffung universeller Standards aus, sowohl hinsichtlich der Verpackungseinheiten, wie auch in Bezug auf Identifikations- und Datenaufzeichnungssysteme, Lager- und Fördertechnikkomponenten sowie Konzepte zum Umgang mit Störungen und Redundanz. Er weist aber auch auf Widerstand gegen Standardisierung seitens vieler Unternehmen hin. So ließen sich standardisierte Lagerlösungen oft nicht flexibel genug an kurzfristig veränderte Situationen anpassen. Auch seien Wiederverwertbarkeit und Verkaufbarkeit nur eingeschränkt gegeben.

[Bild:6] Fabrikplanung in der digitalen Fabrik Den Programmschwerpunkt zur „digitalen Produktion“ eröffnete Andreas Madlencnik von Siemens Industry Software mit einem Überblick über die PLM-Software (Product Lifecycle Management) seines Unternehmens. Er warnte vor einem Silodenken, denn: „Kollegen müssen immer enger zusammenrücken und gemeinsam arbeiten.“ Software könne dieses unterstützen, aber engagierte, motivierte Anwender seien eine unverzichtbare Voraussetzung. Zudem benötigen sie die richtigen Informationen zum richtigen Zeitpunkt, um die richtigen Entscheidungen zu treffen. Daten seien deshalb nicht der Rohstoff der Zukunft sondern bereits der Gegenwart. Auch er sieht Digitalisierung in erster Linie als Möglichkeit, neue Geschäftsmodelle zu eröffnen. Und zwar auf der Grundlage eines soliden Datenrückgrates.

[Bild:7] Solides Datenrückgrat Über die konkrete Umsetzung der softwareseitig gegebenen Möglichkeiten zur Realisierung einer digitalen Fabrik sprach anschließend Nina Skledar, Projektleiterin Digital Factory bei Magna Steyr Fahrzeugtechnik. Das Ziel sei eine standardisierte, integrierte Fabrikplanung und Produktion am Standort Graz. Das bedinge eine zentrale Datenbasis und eine bereichsübergreifende Planung.

„Wir haben teils noch Insellösungen zwischen denen es manuelle Schnittstellen gibt“, sagte sie, „beispielsweise zwischen Produktentwicklung und Prozessplanung. Unser Ziel ist eine Durchgängigkeit und Vernetzung bis zur Serienproduktion mittels einheitlicher Methoden.“ So wird derzeit das Tool IPO.Log der Firma Ipoplan getestet, das auf Siemens-„Teamcenter“ aufsetzt. Durch Simulation von Produktionsprozessen und -ressourcen soll es Werker-Gehwege, Mitarbeiterauslastung, Taktzeit und Materialbereitstellung optimieren.

Madlencnik berichtete dazu, dass vorab bei Magna mit einem PLM- Tool zur Prüfung spezifischer Stammdaten eine Steigerung der Datenqualität von 75 auf 96 % innerhalb von eineinhalb Jahren erreicht wurde. Denn, eine hohe Datenqualität sei „der Schlüssel“, um interne Planungssysteme zu betreiben. Skledar zeichnete die „historischen Etappen“ der Datenerfassung auf: zur Werksgründung 1993 waren angeblich nur 3 % aller Informationen digital verfügbar, im Jahr 2002 bereits 50 % und seit 2007 seien 94 % aller Prozesse vollständig digital erfasst. „Unser Ziel ist es, Daten in Echtzeit zu sammeln, das Potential dieser Daten auszuschöpfen und diese auch zu nutzen“, so Skledar. Man könne dann „Trends“ erkennen oder Vorhersagen treffen. Durch einen „holistischen“ Planungsansatz würde heute – mithilfe der Software-Tools – die reale Fabrik permanent mit der „virtuellen Fabrik“ abgeglichen. Daraus ergebe sich eine stetige Effizienzanalyse und die Reduktion von sogenannten „Anlaufkosten“.

[Bild:8] Visualisierung und Simulation Datenauswertungen zur frühzeitigen Optimierung von Prozessen war das Thema des Vortrags von Jörg Sänger, Geschäftsführer der Firma proLogistik. Unter dem Titel „Logistik 4.0 – Predictive Analytics integriert in eine Lagerverwaltung“ bot Sänger anhand der Produkte seines Unternehmens einen Einblick in die Möglichkeiten der Datenanalyse für die Lagerverwaltung. Predictive Analytics verstehe sich als Antwort der Frage: Was wird passieren? Dazu setzt sie auf einer deskriptiven Analyse (Was ist passiert?) und einer diagnostischen Analyse (Warum ist es passiert?) auf. Zentrale Methoden dabei sind Visualisierung und Simulation auf der Basis von Lagerkennzahlen und weiteren Daten. Wie Sänger verriet, ist proLogistic derzeit dabei, das IBM-Tool „Predictive Insights“ in ihre Lagerverwaltungssoftware zu integrieren, um so die Prognosemöglichkeiten zu erweitern. Unter anderem sollen so Störungen erkennbar werden noch bevor sie eintreten und sich dadurch proaktiv verhindern lassen. Bei zwei Kunden sei diese Kombination versuchsweise schon im Einsatz. Neben Daten wie Lagerkennzahlen, Kundendaten aus dem ERP-System und Konsumentendaten aus Wirtschaftsforen würden auch eher überraschend anmutende Daten hinzugezogen werden – beispielsweise Ergebnisse von Fußballspielen. „Das hört sich abstrakt an“, gibt Sänger zu. „Aber nach Fußballspielen unterhalten sich die Leute miteinander und brauchen für ihre Arbeit deshalb vielleicht länger als sonst.“ Das System von proLogistic sei selbstlernend, nach etwa vier Wochen im Einsatz sei es in der Lage, drohende Ausfälle zu erkennen und zu vermeiden.

Der Erfolg eines solchen Systems steht und fällt mit der Menge (und Qualität) an zugrundeliegenden Daten. „Integration von vielen Daten ist notwendig“, sagt Sänger. „So erhält der Leitstand mehr Planungssicherheit.“

[Bild:9] Anlagenplanung nach Industrie 4.0 Mit einem anderen Siemens-Geschäftszweig ging es weiter – mit der Zurverfügungstellung von Daten rund um eine Anlage. Mahboobeh Bayat präsentierte das Software-Paket „Comos zur Steigerung von Produktivität und Innovation in der Prozessindustrie“. Die Lösung sorgt dafür, dass benötigtes Wissen zur richtigen Zeit am richtigen Ort in Echtzeit zur Verfügung steht. Bei Anlagen sei die Kooperation und Kommunikation über Grenzen hinweg eine große Herausforderung. Im Engineering gibt es zahlreiche Sublieferanten. Ein Ersatzteilmanagement und Standardisierung seien deshalb nötig. Mit den Tools von Comos seien Anlagenbetreiber in der Lage, über den gesamten Anlagenzyklus hinweg eine vollständig transparente Überwachung zu gewährleisten. Siemens erklärt den Mehrwert einer höheren Mobilität der Informationen mit Comos mit einem „integrierten und datenkonsistenten Anlagenmanagement“ und mit einer Reduktion der Lifecycle-Costs.

[Bild:10] Die Logistik der Energie Beim Zweiten Fachkongress Digitale Logistik stand sozusagen fast alles, was mobil sein kann, zur Diskussion. Nach der Datenmobilität ging es um die Mobilität der Energie und wie man das bewerkstelligt: Klaus Hebenstreit vom Verbund bot Einblick in die Arbeit des größten heimischen Energieversorgers. Rund 31 TeraWattStunden (TWh) Strom produziert der Verbund pro Jahr und dies zu einem Viertel mit Wasserkraftwerken (8 TWh). Hebenstreit erklärte auch die Zusammenhänge zwischen den Strompreisen, dem Trading mit der Energie und der Einsatzoptimierung, die auf Einflüsse aus der Natur wie Regen, Wind und auf Regelenergie beruht. Mit Pumpspeicherkraftwerken lässt sich Energie speichern. Diese würden heute eine wichtige Rolle für die Versorgungsstabilität und Netzstabilisierung spielen. Denn Energie aus Wind- und Fotovoltaikanlagen würden zu steigendem Bedarf an Speicherkapazitäten führen.

[Bild:11] Standardisierter „AKL“-Baukasten Das Vorarlberger Unternehmen Servus Intralogistics bietet ein System, das in verschiedensten Auslegungen für die gesamte Intralogistik einsetzbar sein soll. Geschäftsführer Christian Beer vergleicht die optimale Intralogistik mit der Blutbahn im menschlichen Körper. Wenn eine einzige Stelle verstopft, bricht das ganze System zusammen. Sein Ideal eines durchgängigen Systems – ein „One-Piece-Flow“ – basiert auf einem Baukasten mit vielen autonomen Systemen, die er „Agenten“ nennt. Sowohl die Transportplattform die jede Form an Ladungsträger – sprich Kartons, Kisten oder Werkstücke bis maximal 50 Kilogramm – aufnehmen kann, ist autonom, das heißt, alle Informationen, die das System benötigt, sind im Shuttle, dem ARC (Autonomous Robotic Carrier), das auf linearen Bahnen fährt, integriert. Kabellos findet das Laden der Batterie mit jedem Stillstand des Fahrzeugs über sogenannte Superkondensatoren statt. Das ARC kann auf einer Ebene in 2D das Lager durchfahren, und dabei sind auch Kurven realisierbar. Mit den Hebesystemen aus dem Servus-Baukasten ist auch jede Höhe im Lager bedienbar. Servus Intralogistics kann aus einem Baukasten mit Software, verschiedensten Lastaufnahmemittel und jeglicher Kommunikation AKLs für jegliche Anwendung realisieren.

Steigt der Transportbedarf, so können einfach weitere ARC in die „Blutbahn“ integriert werden. Somit lässt sich mit dem Servus-System klein anfangen und flexibel das automatische Lager nach oben skalieren, egal ob für 2 oder 20.000 Fahrten pro Stunde, das System sei das selbe. Angesprochen auf Kurvenfahrten der ARC nimmt Beer Bezug zum Straßenverkehr: „Bei einem Kreisverkehr kommen 5 mal mehr Fahrzeuge in der gleichen Zeit durch als bei einer klassischen Kreuzung “.

[Bild:12] Eile, nicht nur auf der letzten Meile Peter Totz gehört zu einer kürzlich neu gegründeten Consulting-Abteilung an Lagertechnikexperten bei SSI Schäfer – diese „Business Consultancy Group“ soll Prozesse und Logistik-Anlagen optimieren helfen. Trend, die das E-Commerce zur Folge habe, seien eine auftragsbezogene Artikelsequenzierung, eine automatische Lieferplanung, die bereits auf der Versandhäufigkeit basiert und einer neue Tourenplanung, die den Warenbestand in den Shops einschließt. „Wir reden heute darüber, binnen Minuten auszuliefern“, so Totz, und nicht mehr über Same-Day-Delivery. Die Lagerlogistik müsse sich immer öfter über das Konsumentenverhalten informieren, und danach eben die Logistik aufbauen. Diese sei getrieben durch „eine neue Individualität der Kunden“. Totz hat bereits vor einem Jahr beim Ersten Fachkongress Digitale Logistik referiert. Zwei Herausforderungen der Industrie, die aufgrund des E-Commerce entstanden sind, sind heute in der Business-to-Business Operation weniger wichtig als in der Business-to-Consumer: Erstens „neue Konzepte für die letzte Meile“ und zweitens ein „effizientes Retourenmanagement“. Modularität, der die Ware begleitende Informationsfluss , höchste Skalierbarkeit und Flexibilität im Lager stünden jedoch nach wie vor ganz oben auf der To-Do-Liste der Industrie. Und vor allem eine schnelle und verlässliche Belieferung mit 100 Prozent Pünktlichkeit. Das durch den E-Commerce sich verändernde Verbraucherverhalten sei die wahre Revolution, nicht die Technologie der Lagerlogistik, so Totz weiter.

[Bild:13] Sich selbst steuernde Ware Kai Beckhaus von Jungheinrich beginnt seinen Vortrag ironisch, indem er die „Menschliche Bedürfnispyramide nach Maslow“ an der Basis um zwei weitere Bedürfnisse ergänzt, nämlich um das Bedürfnis nach WLAN (für die Smart Devices) und – noch darunter – nach einer permanenten Energieversorgung der Smart Devices. Die industrielle Weiterentwicklung stellte er aus Sicht von Jungheinrich dar: 1953 wurde der erste Jungheinrich-Stapler gebaut, seit 2012 hat man ein (eigenes) Lagerverwaltungssystem (LVS) im Portfolio (Anmerkung der Red.: dieses wurde damals von der Firma I.S.A. zugekauft) und aktuell muss der Fahrer nur noch Gas geben, weil das Flurförderzeug sämtliche Aufträge vom LVS erhält und ihn automatisch zum nächsten Lagerplatz zur Kommissionierung bringt. In diesem Zusammenhang erklärt er auch den Begriff „Middleware“: das Jungheinrich Logistik-Interface verbindet eben die Lagergeräte mit dem LVS. Dieses hat übrigens zuletzt einige Innovations-Preise abgeräumt (z.B. „Bestes Produkt LogiMAT 2015“).

Ein nächster Schritt sei laut Beckhaus, dass die Fahrzeuge vom Ladungsträger ihre Transport-Anweisungen erhalten.

Bei Industrie 4.0-Anwendungen oder dem Internet of Things erhalten nicht nur die Maschinen eine neue Intelligenz, sondern auch die Produkte selbst. Im Lager wäre dies ein gänzlich neuer Ansatz einer Datenmanipulation. Beckhaus sieht jedenfalls ein großes zusätzliches Wertschöpfungspotential von Industrie 4.0 in der Logistik.

[Bild:14] „Knapp Industry Solutions“ ab 2016 Wolfgang Skrabitz ist Geschäftsführer der YLOG Industry Solutions, die zur Knapp-Gruppe gehört. YLOG startete mit der Entwicklung und dem erfolgreichen Vertrieb eines Lager-Shuttles und wurde 2013 von Knapp übernommen. Genauso wie beim Servus-System lag auch hier das Hauptaugenmerk von Anfang an auf der Flexibilität und Skalierbarkeit des Systems. Für die Knapp-Gruppe etabliert sich das Produkt nach und nach als eine hervorragende Ergänzung zu allen anderen Lager-Systemen des Hauses. Seit der Übernahme von YLOG wurde konsequent an der Weiterentwicklung der YLOG-Shuttles gearbeitet. Skrabitz verkündete beim Kongress, dass das Produkt nun eine Reife entwickelt hätte, sodass man sich nun dazu entschieden habe, ab 2016 mit dem Produkt als „Knapp Industry Solutions“ aufzutreten. Als Praxisbeispiel eines erfolgreichen Einsatzes der Shuttle-Technologie zeigte er außerdem eine umgesetzte Lösung im Werk des Spritzgussmaschinenherstellers Engel in St. Valentin. Aktuell werden dort aus einem zentralen Materialflusssystem (SAP EWM) mit einem skalierbaren, selbstfahrenden Shuttlesystem alle Läger – sowohl das HRL als auch das AKL – gemeinsam verwaltet und bedient.

[Bild:15] Die Bastion der Standardisierung Bei der GS1 Austria ist Standardisierung die Kernaufgabe. Die Non-Profit-Organisation, die mit kräftiger Unterstützung der Lebensmittelbranche entstand, bemüht sich darum, dass auch andere Branchen, in denen Waren gehandelt werden, deren Standards nutzen. Denn ein Standard lebt von einer Masse an Anwendern. Gregor Herzog, Geschäftsführer der GS1 Austria sprach von 300 Millionen Transaktionen von Geschäftsdokumenten, die heute bereits jährlich über die GS1-Daten-Plattform „eXcite“ laufen.

Die GS1 Austria Group teilt ihre Aufgaben in drei Geschäftsfelder ein: in die GS1 Austria, die das weltweit genutzte GS1-System vertritt und den Stammdatenpool GS1 Sync für 8.500 Kunden in Österreich betreibt, in die Editel als EDI-Provider und in die ECR Austria, eine Kooperationsplattform für alle mit dem Ziel der Effizienzsteigerung entlang der Lieferkette mit derzeit 120 Mitgliedern.

Durch die Standardisierungsarbeit werden heute Geschäftsdaten erstens identifiziert, zweitens erfasst und vor allem einfacher „geteilt“ werden, sprich von jedermann verwendet, denn die Standards sind weltweit bekannt. Zu vielen Produkt-Stammdaten gesellen sich heute mehr und mehr „Ereignisdaten“. EDI (Electronic Data Interchange) am Beispiel des österreichischen Lebensmittelhandels ist für Herzog „Best Practice“ in Sachen Supply-Chain-Optimierung. Im FMCG-Bereich (Fast Moving Consumer Goods) gäbe es sehr hohe Übermittlungs-Frequenzen, bei Rewe laut Herzog bis zu 24 EDI-Nachrichten pro Sekunde. Die EDI-Standards von GS1 ermöglichen höchste Interoperabilität zwischen Industrie, Logistikdienstleister und Handel.

Die Datenbasis sei auch für andere Branchen skalierbar und das Wissen über Standards, die in nationalen und internationalen Arbeitsgruppen entstanden sind, sehr wertvoll. Die GS1 Austria Group agiere dabei als Moderator und Koordinator und stellt ihr Know-how zur Verfügung.

[Bild:16] Österreich ist EDI-Weltmeister Gerd Marlovits geht nachfolgend noch näher auf die Aktivitäten der GS1-Austria-Tochterunternehmung Editel ein. Der „Full-Service-EDI-Provider“ betreibt die neutrale Plattform „eXcite“, die mittlerweile von 15.000 Kunden aus mehr als 20 CEE-Ländern genutzt wird. Marlovits vergleicht eXcite gerne mit einem Postfach, wo Daten rein und wieder raus gehen. eXcite agiert dabei wie eine „Dechiffriermaschine“ für die Daten, damit diese jeder, der sich an die Plattform anbindet, nutzen kann.

Auslands-Niederlassungen in den Ländern Tschechien, Slowakei, Ungarn und der Türkei sind entstanden, weil man für die großen Playern auch in den Nachbarländern zur Stelle sein wollte. Mittlerweile arbeiten 80 Mitarbeiter an der Beratung, Umsetzung und dem Service zahlreicher EDI-Projekte auf Basis der GS1-Standards. Nach dem FCMG-Bereich sind die nächstgrößten Anwender die Logistikdienstleister, Baumärkte und die Möbelindustrie, der Finanzbereich (Banken), die Textil- und die Pharmabranche.

Marlovits nannte die wichtigste Vorteile durch EDI: Geringe Transaktionskosten, Vorteile für die Lageroptimierung durch kürzere Beschaffungszyklen, eine hohe Datenqualität, die auch neue Optimierungstools wie VMI (Vendor Managed Inventory) zulässt, schnellere und vor allem einfachere Geschäftsabläufe. Laut einer Studie von GS1 UK + GS1 Frankreich liegt das maximal erreichbare Einsparungspotential durch EDI bei einem Order-to-Cash-Geschäftsfall bei 51 Euro.

In Österreich befinden sich laut Marlovits mehr EDI-Nachrichten-Typen in Verwendung als in jedem anderen Land im internationalen Vergleich: 31 der 50 existierenden Nachrichten werden hierzulande verwendet. Österreich ist also EDI-Weltmeister!

Autoren:

Raimund Lang

Johannes Tomsich