Nachhaltigkeit : Nachhaltiges synthetisches Kerosin im Anflug
Die Niederlande sind eines der führenden Länder in Europa, das die Entwicklung und Anwendung nachhaltiger Flugkraftstoffe vorantreiben will, um die Luftfahrt nachhaltiger zu gestalten. Das Land möchte die Entwicklung und Anwendung nachhaltiger Flugkraftstoffe (Biokraftstoffe und synthetisches Kerosin) fördern, damit europäische Fluggesellschaften bis 2050 vollständig mit nachhaltigem Kraftstoff fliegen können. Die niederländische Regierung unterstützt dabei verschiedene Initiativen, um die Produktion und Nutzung anzukurbeln und damit kommerziell lebensfähig zu machen. Ein Beispiel ist der Bau der ersten europäischen Fabrik für nachhaltiges Biokerosin in Delfzijl, Niederlande, für die SkyNRG mit KLM, dem Flughafen Schiphol und SHV Energy zusammenarbeitet.
500 Liter geliefert, betankt und verbraucht
Der erste kommerzielle Passagierflug vom Amsterdamer Flughafen Schiphol nach Madrid wurde im vergangenen Monat mit einer Beimischung von 500 Litern nachhaltigem synthetischem Kerosin durchgeführt. Shell produzierte das synthetische Kerosin in seinem Forschungszentrum in Amsterdam auf der Basis von CO2, Wasser und erneuerbarer Energie aus Sonne und Wind aus den Niederlanden.
„Der Übergang von fossilen Brennstoffen zu nachhaltigen Alternativen ist eine der größten Herausforderungen in der Luftfahrt. Die Erneuerung der Flotte trug erheblich zur Reduzierung der CO2-Emissionen bei, aber die Steigerung der Produktion und die Verwendung von nachhaltigem Flugkraftstoff werden den größten Unterschied für die aktuelle Flugzeuggeneration ausmachen. Aus diesem Grund haben wir uns vor einiger Zeit mit verschiedenen Partnern zusammengetan, um die Entwicklung von nachhaltigem synthetischem Kerosin zu fördern. Dieser erste Flug mit synthetischem Kerosin zeigt, dass es in der Praxis möglich ist und wir vorwärts kommen können“, sagt Pieter Elbers, Geschäftführer von KLM.
Die Luftfahrt nachhaltiger zu gestalten, ist eine internationale Herausforderung. „Diese vielversprechende Innovation wird in den kommenden Jahrzehnten von großer Bedeutung sein, um die CO2-Emissionen aus der Luftfahrt zu reduzieren. Es ist großartig, dass wir in den Niederlanden als erste gezeigt haben, dass dies möglich ist: ein großes Kompliment für alle Beteiligten. Ich hoffe, dass dies in diesen turbulenten Zeiten für die Luftfahrt die Menschen in der Branche dazu inspirieren wird, diesen Kurs fortzusetzen“ fügt Cora van Nieuwenhuizen, niederländische Ministerin für Infrastruktur und Wasserwirtschaft hinzu.
Neue Initiativen und Startups
Das Start-up Synkero gab bekannt, dass es mit dem Hafen von Amsterdam, Schiphol, KLM und SkyNRG bei der Realisierung einer kommerziellen synthetischen nachhaltigen Kerosinfabrik im Amsterdamer Hafen zusammenarbeitet. Das Projekt soll mit nachhaltigen Initiativen im Bereich des Nordseekanals in Verbindung gebracht werden, beispielsweise mit der Errichtung einer 100- Megawatt-Wasserstoffanlage, in der mit nachhaltigem Strom bis zu 15.000 Tonnen grüner Wasserstoff erzeugt werden können.
Eine weitere Initiative ist der Bau einer Demonstrationsfabrik für nachhaltiges Kerosin unter Verwendung von aus der Luft gewonnenem CO2 als Rohstoff in Rotterdam. Die Zenid-Initiative, an der Uniper, der Flughafen Rotterdam Den Haag, Climeworks, SkyNRG und der Innovationsflughafen Rotterdam Den Haag teilnehmen, nutzt eine Kombination innovativer Technologien, um sich auf die CO2-neutrale Luftfahrt mit nachhaltigem synthetischem Kerosin zu konzentrieren.
Verschiedene europäische Mitgliedstaaten haben erklärt, dass sie daran arbeiten wollen. In einer gemeinsamen Erklärung weisen die Niederlande, Frankreich, Schweden, Deutschland, Finnland, Luxemburg und Spanien darauf hin, dass die Erholung von der aktuellen Krise aufgrund der Pandemie mit einer Beschleunigung der Nachhaltigkeit des Luftverkehrssektors einhergehen muss. Um die Klimaziele zu erreichen, fordern sie die Europäische Kommission auf, eine europäische Mischungsverpflichtung auszuarbeiten. Die Mitgliedstaaten betrachten die Entwicklung von nachhaltigem synthetischem Kerosin neben nachhaltigem Biokerosin als eine der vielversprechendsten und effektivsten Möglichkeiten zur Reduzierung der Luftverkehrsemissionen in den kommenden Jahrzehnten.
Fliegt auch Fracht bald so klimaschonend?
Im November 2020 hob ein Frachtflugzeug vom Flughafen Frankfurt nach Shanghai ab. Die 174 Tonnen Treibstoff, die die beiden gewaltigen Triebwerke der Boeing 777 für den Umlauf Frankfurt – Shanghai – Frankfurt brauchen, hat der Lufthansa-Cargo-Kunde DB Schenker in voller Höhe in Form von Kerosin aus erneuerbaren Quellen erworben.
Damit ein solcher Flug für den Transportdienstleister Schenker und die Cargoflieger von Lufthansa gleichermaßen rentabel ist, müssen allerdings auch Kunden bereit sein, die höheren Frachtpreise zu zahlen. Immerhin kostet der CO2-neutrale Treibstoff je nach Quelle drei- bis siebenmal so viel wie das konventionell hergestellte Kerosin. Mit Beginn des Sommerflugplans 2021 will sein Haus CO2-neutrale Luftfracht als regelmäßiges Produkt anbieten, kündigte Jochen Tewes, Vorstandschef von DB Schenker an.
Das Angebot bestimmt die Nachfrage
Lufthansa-Cargo-Chef Peter Gerber will Treibstoff aus erneuerbaren Energien stärker nutzen und die Forschung an alternativen Treibstoffen vorantreiben. Derzeit wird das synthetische Material noch hauptsächlich aus Biomasse hergestellt, zum Beispiel aus benutztem Speiseöl und Rapsöl. Allerdings werde noch nicht genug Treibstoff dieses Ursprungs angeboten, um eine große Nachfrage tatsächlich decken zu können.
Auf längere Sicht setzt die Luftverkehrswirtschaft darauf, dass das nachhaltige, synthetische Kerosin in verschiedenen sogenannten Power-to-Liquid-Verfahren hergestellt wird, auf Basis von regenerativem Strom, Wasser und Kohlendioxid. Ziel ist es, den fossilen CO2-Ausstoß beim Fliegen vollständig zu vermeiden. Allerdings ist derzeit bei unveränderten Triebwerken lediglich eine Zugabe von bis zu 50 Prozent des synthetischen Kerosins erlaubt.